TROCCINOX. Die Abkürzung steht für Tropical Convection, Cirrus and Nitrogen Oxide Experiment - ein Experiment, das von der Europäischen Union gefördert wird und gemeinsam mit anderen Instituten den Einfluss tropischer Gewitter auf die Zusammensetzung der Atmosphäre untersucht.
Ende Januar machte sich ein etwa 20köpfiges DLR-Team aus Forschern und Technikern unter Leitung des Institutsleiter Professor Ulrich Schumann auf den Weg nach Brasilien. Gewitter geben der Wissenschaft nach wie vor viele Rätsel auf. Ein Gewitter entsteht dann, wenn feuchtwarme Luft rasch aufsteigt und dann eine schnelle Abkühlung erfährt. Das Ergebnis: Starke Niederschläge, Winde und elektrische Entladung durch Blitze. In dieser Sekunde gibt es weltweit etwa 1800 Gewitter, 100 Blitze schlagen gerade irgendwo auf der Erde in die Oberfläche.
Damit ein Gewitter entstehen kann, müssen drei Voraussetzungen gegeben sein: eine labil geschichtete Luftmasse, hohe Feuchtigkeit und Hebung. Wird ein Luftpaket in einer stabil geschichteten Luftmasse erwärmt, steigt es auf, kühlt ab und sinkt an seinen Ausgangspunkt zurück, wo es wieder seine Ausgangstemperatur annimmt. In einer labilen Luftmasse schießt das Luftpaket jedoch weiter in die Höhe und gibt dort seine Energie an die Umgebung ab. Es entsteht ein mächtiger Gewitterturm, eine Cumulonimbuswolke. In deren innern zirkuliert die Luft, man spricht von Konvektion.
Gewitter gibt es als so genannte Frontgewitter und Luftmassengewitter. Frontgewitter treten meist an Kaltfronten auf, wo sich die kalte Luft wie ein Keil unter die warme Luft schiebt und so die Luftzirkulation in Gang bringt. Solche Gewitter können häufig über Stunden anhalten. Luftmassengewitter hingegen sind lokal begrenzt und dauern oft nur eine knappe halbe Stunde. In unseren Breiten treten sie im Sommer als Wärmegewitter auf, in den Tropen gehören sie zur Innertropischen Konvergenz. Südbrasilien ist als Standort zur Gewitterforschung deshalb so gut geeignet, weil in dieser Klimazone beide Gewitterformen auftreten können. Gaviao Peixoto zählt zu den Gebieten auf der Welt mit dem höchsten Gewitteraufkommen. Hier auf der spätsommerlichen Südhalbkugel kommen die konvergenten Luftmassengewitter genauso vor wie Gewitter eines Frontensystems, das gerade von Nordargentinien nach Brasilien zieht.
Bitterle: Wir sind jetzt in einem Hangar von Embraer, darin stehen kleine Bürocontainer, klimatisiert Gott sei Dank. Draußen sind es 30 Grad, es ist sehr schwül. Über dem Platz steht gerade ein Gewitter und Christoph Gatzen ist Meteorologe, der schreibt jetzt aber gerade eine E-Mail und hat auf dem anderen Schirm eine sehr bunte Karte drauf. Das wird ein Radarbild sein, was sehen wir denn da?
Gatzen: Ja, es ist ein Radarbild hier aus dem Bereich Sao Paulo und das zeigt hier einen Ausschnitt, der bei uns am Flugplatz in Araraquara beginnt und dann nach Süden hinausläuft und dort haben sich jetzt eine ganze Menge tropischer Gewitter gebildet. Die zu zählen ist schon kaum noch möglich, etwa 20 einzelne Zellen und diese Zellen reichen bis auf über 16 Kilometer Höhe im Augenblick.
Bitterle: Diese tropischen Gewitter hier treten ja halbwegs regelmäßig auf, aber jetzt ist die Saison auch bald zu Ende, oder?
Gatzen: Richtig, wir haben jetzt etwa eine Woche auf diesen Tag hier gewartet. Die Prognosen haben es sehr gut schon viele Tage im Voraus gezeigt und wir sind froh, dass diese Prognosen dann auch eingetroffen sind. Wir hatten zum Teil auch schon Regen und relativ kalte Temperaturen und heute hat es dann noch mal geklappt mit tropischem Wetter.
Bitterle: Der Falcon, ein umgebauter Geschäftsjet mit dem Rufzeichen D-CMET steht draußen abflugbereit oder startbereit vor der Halle und wird sich jetzt gleich mit seinen ganzen Sensoren und Messinstrumenten an diese Gewitter annähern. Was wir denn da gemessen?
Gatzen: Nun, an Bord der Falcon sind mehrere Messinstrumente, die verschiedene Spurenstoffe und Aerosole messen können. Primär geht es uns im Augenblick um Stickoxide, die durch Blitze erzeugt werden, die in den Gewittern selbst stattfinden und im oberen Niveau dieser Gewitter, da beobachtet man einen Ausfluss von Wasserdampf und allem möglichen, was im Gewitter entsteht und dort wird versucht, diese Stickoxide zu messen.
Bitterle: Das ganze passiert im Rahmen der Kampagne TROCCINOX. Dr. Hans Schlager vom Institut für die Physik der Atmosphäre bei DLR in Oberpfaffenhofen, was ist TROCCINOX?
Schlager: TROCCINOX ist ein europäisches Projekt, wo wir im internationalen Stil die Freisetzung von Stickoxiden durch Gewitter untersuchen und am Ende letztendlich die globale Freisetzung von Stickoxiden aus Gewittern erfassen wollen.
Bitterle: Also kann an sich da so vorstellen, dass Sie auch raus finden wollen, was hier passiert, hier jetzt lokal in Brasilien, welchen Einfluss das hat auf die globalen atmosphärischen Bedingungen wie zum Beispiel den Ozonhaushalt und Stickoxidhaushalt?
Schlager: Wir nutzen ja globale Modelle, um unsere Flüge zu planen, auch die Messungen zu machen, zum Beispiel auch der Flug heute morgen war ja sehr erfolgreich schon. Ich sehe hier gerade die ersten Ergebnisse. Wir haben also Stickoxide sehr großräumig gemessen mit Konzentrationen bis zu 2,5 ppb. Das sind Konzentrationen, wie sie auch von einigen der globalen Modelle vorhergesagt werden und durch Validieren dieser Modelle werden wir das auch auf die globale Skala skalieren.
Bitterle: Validierung von Modellen heißt: Sie haben sich vorher schon vereinfacht ausgedrückt Gedanken gemacht, was da passiert, welchen Einfluss eben Gewitter auf den Stickoxidausstoß haben können und jetzt können Sie mit dem Falcon unter anderem als einer Methode diese Modelle überprüfen?
Schlager: Das ist richtig. Das Endziel ist letztendlich, die verschiedenen Quellen, die zum Stickoxidhaushalt der Atmosphäre beitragen, zu quantifizieren. Das kann man schon sehr gut für die anthropogenen Quellen wie der bodengebundene Verkehr oder der Flugverkehr, aber es gibt sehr große Wissenslücken noch bei den natürlichen Quellen wie Gewittern. Und TROCCINOX trägt dazu bei, dass wir auch diese natürlichen Quellen richtig quantifizieren können.
Die Vorhersagegenauigkeit von Gewittern ist auch heute in der Zeit numerischer Simulationsmodelle immer noch ungenau. Das hat verschiedene Gründe:
Zunächst ist der Ort, sehr schwer zu bestimmen, wo die initiale Hebung stattfindet, diejenige Hebung also, die die feuchte Luftmasse anhebt und den Entstehungsprozess eines Gewitters auslöst. Wenn das Gewitter einmal entstanden ist, ändern sich dadurch die klimatischen Verhältnisse am Boden und es können daraus weitere Gewitter entstehen. Schließlich findet das Gewittergeschehen in einem Zeitbereich von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden statt. Das ist der so genannte Nowcastingbereich, ein Vorhersagebereich, der sich lediglich auf wenige Minuten erstreckt und den die gängigen Vorhersagemodelle kaum berücksichtigen können.
Globale Vorhersagemodelle, wie sie in den klassischen Wettervorhersagen verwendet werden, gehen von einem Anfangswettergeschehen aus und verfolgen die Entwicklung über eine große räumliche Ausdehnung und den Verlauf bis zu zwei Wochen. Die Entstehung von Gewittern können sie allenfalls als Trend ausdrücken.
Dazu kommen Modelle mit einer mittleren räumlichen und zeitlichen Auflösung, so genannte mesoskalige Modelle. Sie decken eine Region von 20 bis 1000 Kilometer ab und berücksichtigen einen Zeitraum von einer bis zu 12 Stunden. Mesoskalige Modelle erlauben wegen ihrer höheren Auflösung bereits eine genauere Vorhersage, wie sie etwa in lokalen Wettervorhersagen berücksichtigt werden. Dank der immer größer werdenden Dichte von lokalen Wetterstationen und Bodenwetterradarstationen, deren Messungen über das Internet miteinander vernetzt werden können, werden natürlich auch die Vorhersagen immer präziser. Zu den Bodenmessungen kommen eine Fülle von Daten aus Wetterballonen oder Satellitenaufnahmen.
Das Wetterforschungsprojekt TROCCINOX in Brasilien vernetzt die Datenquellen und kann darüber hinaus noch auf zwei flugzeuggestützte Plattformen zurückgreifen: Das russische Stratosphärenflugzeug Geophysica, das in einer Höhe von 20 Kilometern und damit über der Tropopause operieren kann. Die Mjassitschew M 55 Geophysica ist eine zivile Weiterentwicklung des sowjetischen Spionageflugzeugs mit dem Codenamen "Mystic". Bei TROCCINOX wird sie allerdings erst in der nächste Phase Ende dieses Jahres eingesetzt. Die andere Plattform ist ein modifizierter französischer Geschäftsjet, den das DLR in den 70er Jahren angeschafft hat:
Bitterle: Der Falcon ist ein zweistrahliges, umgebautes Geschäftsflugzeug, da können normalerweise so etwa zehn Passagiere mitfliegen. Spannweite schätze ich mal, knapp unter 15 Metern und dieses Flugzeug ist ausgerüstet mit ganz vielen Messinstrumenten. Unter den Tragflächen sind Sensoren angebracht. Auf dem Dach eine ganze Batterie von Antennen und Pitotrohren, das alles dient dazu, um aus der Luft während des Fluges Messungen vornehmen zu können. Am Flugzeug vorne ist ein Mast, der ist rot-weiß-geringelt, das ist das deutlichste Merkmal, dass es sich hier nicht um ein normales Flugzeug der allgemeinen Luftfahrt handelt, sondern um ein besonderes Flugzeug. Es ist im Prinzip weltweit im Einsatz. Auf den Seychellen genauso wie in den Südlichen Staaten der Vereinigten Staaten von Amerika oder jetzt eben in Gaviao Peixoto in Brasilien.
Bitterle: Mission Control von TROCCINOX, der Falcon ist jetzt eine gute halbe Stunde in der Luft, Christoph Gatzen ist ganz begeistert vor seinem Radarschirm ist falsch, aber vor seinen Radargraphiken. Da ist sehr viel rot jetzt im Bild und nur noch wenig grün, Das ist das Wetterradar von Baurú im Zentrum
Gatzen: Der Radius ist jetzt 240 km um Baurú herum. Araraquara liegt jetzt im Nordosten des Radarbildes und gezeigt ist hier die oberste Region, in der das Radar noch Radarreflektivität empfangen kann. In diesem Fall erreichen alle Zellen eine Höhe von mehr als 13 km und wenn wir auf das hoch aufgelöste Bild schauen, dann sieht man, dass die Gewitter im Schnitt 16 km hoch sind heute.
Bitterle: Also wenn wir jetzt hier den Hangar verlassen würden und wir könnten durch die Wolken durchgucken, es ist auch ein bisschen diesig und wir hätten wirklich unbegrenzte Sicht, dann würden wir sehr hohe und viele Gewittertürme hier um uns rumsehen oder um Baurú vielmehr.
Gatzen: Ja richtig und zwar befindet sich Araraquara, also unser Flughafen im Augenblick mehr oder weniger umzingelt von Gewittern, sowohl, wenn man jetzt nach Osten schaut, haben wir eine Gewitterwand, die sich gebildet hat, als auch nach Süden und die Falcon, die fliegt ja jetzt mitten in diesem Gebiet, umringt von Gewittern und wir versuchen sie jetzt durch die nächste Gewitterwand durchzulotsen, damit sei auf die andere Seite kommen kann.
Bitterle: Wie habt Ihr Kontakt jetzt mit der Maschine?
Gatzen: Wir haben Kontakt zu dieser Maschine mit einem Satellitentelefon, das hat sich als die stabilste und einfachste Art erwiesen, um mit den Piloten zu kommunizieren.
Telefonat mit dem Falcon
Gatzen: Sie bekommen im Augenblick Gesellschaft von sehr vielen Gewitterzellen, die dort heraufreichen bis auf 16 Kilometer, ja also da bildet sich jetzt einiges und Sie werden schon keine Probleme haben, gute Messsysteme, also gute Messwerte zu bekommen, sondern eher Probleme haben mit Ihrer Flugplanung.
Schlager: Deswegen sind die jetzt auch beschäftigt. Also wollen wir sie nicht stören. Aber das ist ja umso wichtiger, den Piloten Hilfestellung zu geben, wenn es nur wenige Gewitter gibt. In dem Fall haben wir genug Gewitter, die können sich das beste Gewitter aussuchen. Selber aussuchen.
Bitterle: Der Falcon hat ja eine Fülle von Sensoren, Messsystemen an Bord. Womit erhebt der denn die Daten, auf die Sie so scharf sind jetzt hier, Hans Schlager?
Schlager: Ja, das sind zum Teil In-situ-Messverfahren, zum Teil Fernerkundungsverfahren. Wir haben ein Lidar an Bord, das misst die Wasserdampfkonzentration von der Flugzeughöhe bis in eine Höhe von 17, 18 km.
Bitterle: Lidar, das ist eine Abkürzung, wofür steht die?
Schlager: Das ist Light Detecting by Ranging, so was wie ein Radar, aber mit Lichtwellenlänge. Und dann haben wir In-situ-Verfahren, die Stickoxide zum Beispiel messen wir mit der so genannten Chemiluminiszenz-Technik.
Bitterle: Und In-situ heißt, das machen Sie da, wo das Flugzeug ist an dem Punkt.
Schlager: Richtig, die Luft, die rohe Luft wird ins Flugzeug transportiert und dort mit verschiedenen Verfahren dann analysiert.
Bitterle: Tropische Konvektion ist das, wonach man vereinfacht gesagt die Uhr stellen kann, was jeden Tag passiert hier in der Äquatorgegend, also es kommt zu einer Überentwicklung sagen die Meteorologen, Quellwolken schießen in den Himmel, haben sehr, sehr viel Energie, die lösen dann irgendwann aus und das kriegen wir hier mit als Gewitter ganz einfach. Und das andere, das sind Frontensysteme, wie wir sie in Europa kennen oder ist das zu einfach dargestellt?
Gatzen: Das ist schon genau richtig gesagt: Die tropische Konvektion, die bildet sich hauptsächlich im Laufe des Nachmittags aufgrund von Überheizungen der unteren Luftschichten und der Anfangszeitpunkt dieser Konvektion, der ist meistens 14 bis 15 Uhr lokale Zeit. Und genauso haben wir es heute auch gehabt. Um 1400 gab es hier das erste Gewitter und jetzt kocht die Atmosphäre so richtig.
Bitterle: Wie lange kann man das hier noch beobachten? Die Gewitterzellen selbst sind sehr kurzlebig. Das ist auch ein Charakteristikum für tropische Gewitter, dass die einmal herauf schießen, 16, 17 km Höhe erreichen und dann bereist wieder zusammenfallen. Das ist also anders als zum Beispiel viele Gewitter in Mitteleuropa, die zum Teil über Stunden hin- und hergewittern können und dabei auch große Strecken zurücklegen. Und sobald die Sonne jetzt im Laufe der nächsten vier, fünf Stunden herunter sinkt, hört diese tropische Konvektion eigentlich auf, weil von unten der Nachschub fehlt. Andererseits erwarten wir heute Abend eine Kaltfront, die von Argentinien her reinzieht und an dieser kann es weiter schwere Gewitter geben, so dass wir heute noch einiges vor uns haben.
Etwa zehn Flüge mit einer Dauer von jeweils vier Stunden unternimmt der Falcon. Von jedem Flug bringen die Wissenschaftler eine Fülle von Daten mit, die anschließend am Boden erst einmal von den Wechseldatenträgern im Flugzeug auf stationäre Computer kopiert werden müssen.
Christian Hinz, Flugingenieur.
Bitterle: Jetzt stehen wir hier vor dem Falcon. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, D-CMET, passt ja auch ganz gut, ein meteorologisches Forschungsflugzeug mit einer Fülle von Sensoren und Messgeräten. Dann gehen wir mal rein. So, hier ist es jetzt ganz, ganz, ganz eng und ein paar Leute arbeiten auch schon hier. Dicker Schlauch wird nach hinten geführt, der führt klimatisierte Luft hier rein, weil die Instrumente sehr viel Wärme erzeugen. Jetzt klemmen wir uns, das ist gar nicht so leicht hier durchzugehen, denn da wo in einem normalen Flugzeug der Gang ist, da ist hier ein dickes Rack eingebaut, ein Regal aus Leichtmetall und da sind Messgeräte draufmontiert, so, jetzt bin ich hier quasi da, wo die Economyklasse anfangen würde, Christian hat sich vor mir auf einen Sitz gesetzt, einen der wenigen Sitze, die hier drin sind und ich komme jetzt noch weiter, drei gibt es insgesamt, ich komme jetzt noch weiter durch,
Bitterle: Kannst Du Dich an einen spektakulären Gewitterflug erinnern?
Hinz: Wir hatten mal einen spektakulären mit einem Blitzeinschlag, da war ich aber nicht mit an Bord. Da ist ein Kollege geflogen. Da hatten wir dann auch einige Beschädigungen. Da ist uns das hintere Navigationslicht bis runter in das rear compartment hat uns der Blitz alles rausgebrannt. Die Lampe war komplett weg, das Kabel und das Steuergerät war auf dem bracket verschweißt.
Bitterle: Wie stufst Du denn die Mission hier ein, gab es da auch mal Situationen, wo Du gedacht hast: Donnerwetter, Respekt!
Hinz: Bis auf Turbulenzen eigentlich nicht, also Blitze selber haben wir nur ein einziges Mal gesehen, aber nee, bis auf Turbulenz sehe ich das hier unkritisch.
Gewitterforschung betreibt man sinnvollerweise dort, wo Gewitter in hohem Maße auftreten. Während in der Äquatorialregion Gewitter an bis zu 200 Tagen im Jahr auftreten können, nimmt die Häufigkeit mit flacher werdendem Einstrahlwinkel der Sonne ab. In Norddeutschland gibt es durchschnittlich nur noch 15 bis 20 Gewittertage pro Jahr. Im Alpengebiet liegt die Häufigkeit bei 30 Tagen. In den Polarregionen der Arktis und Antarktis gibt es praktische keine Gewitter.
Hier in Südbrasilien liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gewitter auftritt, bei 120 Tagen im Jahr. Besonders hoch ist sie in der Zeit des Sommers, der auf der Südhalbkugel im März zu Ende geht.
Hinterwaldner: Unser Flieger steht hier vorne auf dem Taxiway, wir haben vor der Halle betankt, unsere APU, unser Zusatzaggregat läuft bereits und liefert Strom für das Messequipment, das jetzt momentan hochgefahren wird. Jetzt müssen wir bloß noch die Triebwerke starten und dann rollen wir los zum Start. Jetzt muss es alles ein bisschen schneller gehen. Ich klettere jetzt in den Falcon rein, der macht schon eine Menge Radau, das ist aber nur die APU, das Hilfsaggregat, die Triebwerke laufen noch nicht, die lassen wir jetzt möglichst schnell an, damit wir innen Klimaanlage haben.
Hinterwaldner: So weit, ist die Kabine auch abflugbereit?
Bitterle:
Kabine ist klar!
Hinterwaldner: Dankeschön.
Vor drei Minuten sind wir abgehoben, um ziemlich genau 1400 Ortszeit zu einem Messflug, haben jetzt 5000 Fuß erreicht, 1500 Meter, etwas höher und fangen hier schon mit den Messungen an.
Fix: Ich bin Andreas Fix, ich betreibe das Lidar hier an Bord. Ein Lidar ist ähnlich wie ein Radar ein Gerät, das die Atmosphäre sondiert, aber wir arbeiten nicht mit Radiowellen, sondern mit Lichtwellen, deswegen ein Laser. LIDAR steht übrigens für Light Detecting and Ranging und die Besonderheit unseres Systems ist, dass die Wellenlängen so abgestimmt, dass man Wasserdampf damit messen kann und auch Aerosole.
Wir steigen jetzt auf Flight Level 100.
Bitterle: Der Kapitän hat gerade gesagt, wir fliegen auf Flugfläche 100, das sind etwa 3000 Meter, durchstoßen jetzt die Hauptwolkenuntergrenze. Wenn man zum Fenster rausguckt, kann man sehr schön die Überentwicklung der Quellwolken sehen, Kumuluswolken, die hier zu tropischen Cumulonimbuswolken werden.
Wir sind jetzt etwa gleich hoch wie die meisten der Quellwolken, nur einige schießen weiter rauf in die Luft und werden dann eine Höhe annehmen von später, wenn sie entwickelt sind, von etwa 12 Kilometern. Jetzt ist es hier in Südbrasilien schon Herbst geworden, das heißt die innertropische Konvergenz, die Gewitter nach Fahrplan liefert im Prinzip, die hört jetzt allmählich auf und es ist ein Glücksfall, dass wir heute noch solche Wolkenformationen antreffen.
Bitterle: Ich bin jetzt vorne im Cockpit. Vorne ist eigentlich ein relativer Begriff, weil das Flugzeug ja gar nicht so furchtbar groß ist. Das heißt, es ist nur vier, fünf Meter weg von meinem Platz. Vorne sitzen Dirk Günter und Martin Hinterwaldner, - ja was sehn wir denn da eigentlich, haben wir CBs dabei, durch die wir durchfliegen mit dem Amboss heute oder ist da eher nichts los?
Hinterwaldner: Hier im Norden sieht man schöne CBs, wie sie sich aufgebaut haben, aber sie sind nicht so hoch wie die nächsten Tage und wir werden nachher im Anflug sicherlich den einen oder anderen streifen und dran vorbeifliegen und den Amboss dann auch vermessen.
Bitterle: Jetzt muss ich mal zu Dir kommen, Anke. Du sitzt hier schön am Fenster, ganz hinten. Vor Dir auch ein Computerschirm und vor Dir und rechts sind die Module, die Du überwachen und steuern musst,
Anke Roider: Wir haben hier drei Racks, für die ich quasi zuständig bin. Das ist einmal das Aerosolrack mit dem Bildschirm hier, sieht man die Anzahl der Partikel mit den verschiedenen Größenbereichen und man sieht, es tut sich im Moment nicht viel. Wir sind in sehr sauberer Luft. Hier an dem Bildschirm rechts sind die Spurengase. Auch hier sieht man alles ganz ruhig.
Bitterle: Jetzt schmeißt der Dirk Günter die Maschine in eine Rechtskurve, die dürfte ziemlich steil sein, ich kann es nicht genau beurteilen, weil ich nur einen Teil aus dem Fenster sehe, aber ich tippe mal, so 45 Grad Neigung werden wir schon haben. Fliegen die anders als normale Verkehrspiloten, die beiden vorne, der Martin Hinterwaldner und Dirk Günter?
Roider: Ja, ich habe zumindest mehr Vertrauen, sage ich mal. Man kann das überhaupt nicht vergleichen. In so einer kleinen Maschine, da rumpelt es automatisch einfach viel schneller. Ob sie anders fliegen? Ich glaube, sie fliegen viel mehr von Hand als so ein Linienpilot und meiner Meinung nach mit Sicherheit auch besser.
Hinterwaldner: So und bitte noch mal anschnallen, es könnte gleich noch mal ein bisschen rumpeln, wir durchfliegen jetzt gleich noch mal cumuli
Bitterle: Martin Hinterwaldner, 20 nach sechs, vor etwa 10 Minuten sind Sie mit dem Falcon gelandet nach fast vier Stunden Gewitterfliegerei.
Hinterwaldner: Ja, wir waren 3:45 in der Luft. Die Gewitter waren nicht so wie erwartet und wie von unseren Meteorologen vorhergesagt. Sie sind zwar überall hochgesprossen wie Champignons. Sie sahen aus wie bei uns zu Hause, aber so richtig schön mit einer Fahne oben mit einem ausgeprägten Amboss haben wir sie nicht vorgefunden. Wir haben versucht, in einigermaßen Outflow zu fliegen und dort die Teilchen und den Outflow zu messen.
das Platzgewitter hier in Gaviao sieht man auch südlich des Platzes und es zieht allerdings hier am Platz vorbei und wir haben nur einige Winde, Scherwinde mit am Platz. Aber ansonsten war es von unserer Seite erfolgreich. Wir haben was messen können. Was die Wissenschaft jetzt draus macht, das werden wir jetzt gleich im Briefing sehen. Das ist der Ordner, den kannste runterkopieren, alle Bilder im Flug mit drauf,
Bitterle: Heute ist vermutlich der letzte große Flug mit einer Wetterlage, bei denen Sie signifikante Daten erheben können. Wie viele Samples haben Sie denn jetzt etwa?
Schlager: Wir haben jetzt insgesamt schon sieben Messflüge durchgeführt. Heute kommen noch zwei dazu. Das heißt, insgesamt werden wir dann zehn Messflüge haben und das ist typisch für eine große Kampagne, wo man ja auch repräsentative Daten erheben will, verschiedene Gewitter, aber auch Situationen, wo keine Gewitter sind, als Kontrast. Das ist so die übliche Anzahl von Messflügen, die wir pro Kampagne durchführen.
Bitterle: Da haben Sie ja eine Fülle von Daten. Das dauert sicher einen Moment, die auszuwerten.
Schlager: erste Analysen werden hier schon gemacht. Also wir haben die Möglichkeit, zu einer Art Quicklook-Darstellung, also ne Schnelldarstellung der Messdaten, die wir im Flug gewonnen haben. Das ist auch wichtig, weil wir ja die Planung für die nächsten Flüge eigentlich gründen auf den Ergebnissen der ersten Flüge und später natürlich werden dann entsprechende Modellierungen, werden die Radardaten zusammen mit den Blitzdaten, die wir erhalten werden, auch von bodengestützten Blitzmesssystemen, Satellitenblitzmesssystemen dann zusammenführen mit den Messdaten und die Gewitter analysieren.
Das Forschungsobjekt Gewitter birgt immer noch eine Fülle von Herausforderungen, sei es die Vorhersagegenauigkeit seiner Entstehung, sei es das Verständnis der Dynamik im Innern oder die Erforschung der elektrischen Phänomene wie etwa der Einfluss der Blitze auf den Stickoxidhaushalt der Atmosphäre.
Jüngste Messungen haben gezeigt, dass Blitze nicht nur eine elektrische Entladung erzeugen, sondern auch ein Röntgenfeld hervorrufen, das bis zu einer Stunde nach dem Ende des Gewitters anhalten kann.
Bitterle: Jetzt sind wir wieder in einem Container: Aerosol and Trace Gas, also Aerosole und Spurengase und die werden hier ausgewertet. Kleine Baracke, klimatisiert, deswegen rumpelt es hier auch so, sechs, sieben Computer und Schreibtische, die bis oben hin voll sind. Anke Roider, Du bist auch hier als Ingenieurin und arbeitest beim Institut für die Physik der Atmosphäre und bist bei dem Flug dabei gewesen an Bord,
Roider: Genau, wir hatten also zwei Flüge, einen am Vormittag, einen am Nachmittag und ich war bei beiden an Bord und jetzt sind wir gerade am Auswerten der beiden Flüge.
Bitterle: Dann zeig mir doch mal was! Also man sieht eine Graphik, da sind eine grüne Linie, eine Hüllkurve, die bildet die Flughöhe des Flugzeuges ab über der Zeitachse und ebenfalls abgetragen sind mit schwarz ein zackiger Graph und mit rot. NO steht für Stickoxid, das messt Ihr, darum geht es ja bei TROCCINOX.
Roider: Wir messen Stickoxide, die in Gewittern produziert werden, das ist hier eben die rote Kurve und dann haben wir noch die NOy-Komponente, das sind alle oxidierten Stickstoffverbindungen, die vor allem in gealterten Luftmassen entstehen, wenn die Luft länger unterwegs war.
Bitterle:
Also Luft ist nicht gleich Luft, sondern es gibt wirklich verschieden alte Luft und das kann man auch messen.
Roider:
Genau und das sieht man vielleicht hier jetzt nicht eindeutig, aber das NO rauscht um einiges mehr hoch in den Gewitterwolken, weil das frisch produziert ist. Hingegen bei gealterten Luftmassen werden die anderen oxidierten Stickstoffverbindungen immer höher im Vergleich zum frisch gebildeten NO. In diesem Verhältnis von NO zu NOy, das habe ich hier...
Schlager: Wir haben sehr schöne Ergebnisse erhalten. Wir hatten ja gerade vor drei Tagen eine Periode, wo wir hier sehr tropische Luftmassen hatten in tropischen Gewittern und haben die vermessen praktisch, die Luftmassen vor der Entstehung der Gewitter, während die Gewitter hier aktiv waren und dann auch einen Tag später, als die Luftmassen dann schon etwas auf die Küste, auf den Atlantik hinaus transportiert wurden.
Bitterle: Können Sie denn jetzt schon was zu den Ergebnissen sagen? Sie sind ja mit ein paar Modellen angereist, die Sie validieren, die Sie überprüfen wollen.
Schlager: Also wir haben schon allererste Vergleiche gemacht. Dabei zeigt sich: Wir haben insgesamt vier Modelle hier vor Ort, bei denen wir auch Vorhersagen durchführen können. Dass manche Modelle die Stickoxidproduktion durch tropische Gewitter überschätzen, andere jedoch unterschätzen. Genau können wir das jedoch erst nach unseren Analysen sagen, die noch einige Monate dauern werden.
Bitterle: Gibt es einen praktischen Nutzen, der aus diesem Projekt raus fließen kann, zum Beispiel in Vorhersagen oder was die Produktion von Schwebestoffen, Schadstoffen und dergleichen und ihre Zusammenhänge angeht auf die Zusammensetzung der Atmosphäre?
Schlager: Ein wichtiger Anwendungspunkt ist dadurch gegeben, dass es ja Blitze, das ist eine natürliche Stickoxidquelle. Es gibt natürlich auch vom Menschen verursachte Quellen wie zum Beispiel der Luftverkehr, der auch in den Höhen, in denen auch die Stickoxide durch Blitze freigesetzt werden, ihre Emissionen freisetzen und die Wirkung dieser antropogenen Stickoxide hängt natürlich auch ab vom Zusammenspiel mit den natürlichen Stickoxiden. Zum Beispiel wichtige Wirkung ist ja die Bildung von Ozon und Ozon ist ein Treibhausgas. Das ist die Wirkungskette, die wir dann auch untersuchen.
Ende Januar machte sich ein etwa 20köpfiges DLR-Team aus Forschern und Technikern unter Leitung des Institutsleiter Professor Ulrich Schumann auf den Weg nach Brasilien. Gewitter geben der Wissenschaft nach wie vor viele Rätsel auf. Ein Gewitter entsteht dann, wenn feuchtwarme Luft rasch aufsteigt und dann eine schnelle Abkühlung erfährt. Das Ergebnis: Starke Niederschläge, Winde und elektrische Entladung durch Blitze. In dieser Sekunde gibt es weltweit etwa 1800 Gewitter, 100 Blitze schlagen gerade irgendwo auf der Erde in die Oberfläche.
Damit ein Gewitter entstehen kann, müssen drei Voraussetzungen gegeben sein: eine labil geschichtete Luftmasse, hohe Feuchtigkeit und Hebung. Wird ein Luftpaket in einer stabil geschichteten Luftmasse erwärmt, steigt es auf, kühlt ab und sinkt an seinen Ausgangspunkt zurück, wo es wieder seine Ausgangstemperatur annimmt. In einer labilen Luftmasse schießt das Luftpaket jedoch weiter in die Höhe und gibt dort seine Energie an die Umgebung ab. Es entsteht ein mächtiger Gewitterturm, eine Cumulonimbuswolke. In deren innern zirkuliert die Luft, man spricht von Konvektion.
Gewitter gibt es als so genannte Frontgewitter und Luftmassengewitter. Frontgewitter treten meist an Kaltfronten auf, wo sich die kalte Luft wie ein Keil unter die warme Luft schiebt und so die Luftzirkulation in Gang bringt. Solche Gewitter können häufig über Stunden anhalten. Luftmassengewitter hingegen sind lokal begrenzt und dauern oft nur eine knappe halbe Stunde. In unseren Breiten treten sie im Sommer als Wärmegewitter auf, in den Tropen gehören sie zur Innertropischen Konvergenz. Südbrasilien ist als Standort zur Gewitterforschung deshalb so gut geeignet, weil in dieser Klimazone beide Gewitterformen auftreten können. Gaviao Peixoto zählt zu den Gebieten auf der Welt mit dem höchsten Gewitteraufkommen. Hier auf der spätsommerlichen Südhalbkugel kommen die konvergenten Luftmassengewitter genauso vor wie Gewitter eines Frontensystems, das gerade von Nordargentinien nach Brasilien zieht.
Bitterle: Wir sind jetzt in einem Hangar von Embraer, darin stehen kleine Bürocontainer, klimatisiert Gott sei Dank. Draußen sind es 30 Grad, es ist sehr schwül. Über dem Platz steht gerade ein Gewitter und Christoph Gatzen ist Meteorologe, der schreibt jetzt aber gerade eine E-Mail und hat auf dem anderen Schirm eine sehr bunte Karte drauf. Das wird ein Radarbild sein, was sehen wir denn da?
Gatzen: Ja, es ist ein Radarbild hier aus dem Bereich Sao Paulo und das zeigt hier einen Ausschnitt, der bei uns am Flugplatz in Araraquara beginnt und dann nach Süden hinausläuft und dort haben sich jetzt eine ganze Menge tropischer Gewitter gebildet. Die zu zählen ist schon kaum noch möglich, etwa 20 einzelne Zellen und diese Zellen reichen bis auf über 16 Kilometer Höhe im Augenblick.
Bitterle: Diese tropischen Gewitter hier treten ja halbwegs regelmäßig auf, aber jetzt ist die Saison auch bald zu Ende, oder?
Gatzen: Richtig, wir haben jetzt etwa eine Woche auf diesen Tag hier gewartet. Die Prognosen haben es sehr gut schon viele Tage im Voraus gezeigt und wir sind froh, dass diese Prognosen dann auch eingetroffen sind. Wir hatten zum Teil auch schon Regen und relativ kalte Temperaturen und heute hat es dann noch mal geklappt mit tropischem Wetter.
Bitterle: Der Falcon, ein umgebauter Geschäftsjet mit dem Rufzeichen D-CMET steht draußen abflugbereit oder startbereit vor der Halle und wird sich jetzt gleich mit seinen ganzen Sensoren und Messinstrumenten an diese Gewitter annähern. Was wir denn da gemessen?
Gatzen: Nun, an Bord der Falcon sind mehrere Messinstrumente, die verschiedene Spurenstoffe und Aerosole messen können. Primär geht es uns im Augenblick um Stickoxide, die durch Blitze erzeugt werden, die in den Gewittern selbst stattfinden und im oberen Niveau dieser Gewitter, da beobachtet man einen Ausfluss von Wasserdampf und allem möglichen, was im Gewitter entsteht und dort wird versucht, diese Stickoxide zu messen.
Bitterle: Das ganze passiert im Rahmen der Kampagne TROCCINOX. Dr. Hans Schlager vom Institut für die Physik der Atmosphäre bei DLR in Oberpfaffenhofen, was ist TROCCINOX?
Schlager: TROCCINOX ist ein europäisches Projekt, wo wir im internationalen Stil die Freisetzung von Stickoxiden durch Gewitter untersuchen und am Ende letztendlich die globale Freisetzung von Stickoxiden aus Gewittern erfassen wollen.
Bitterle: Also kann an sich da so vorstellen, dass Sie auch raus finden wollen, was hier passiert, hier jetzt lokal in Brasilien, welchen Einfluss das hat auf die globalen atmosphärischen Bedingungen wie zum Beispiel den Ozonhaushalt und Stickoxidhaushalt?
Schlager: Wir nutzen ja globale Modelle, um unsere Flüge zu planen, auch die Messungen zu machen, zum Beispiel auch der Flug heute morgen war ja sehr erfolgreich schon. Ich sehe hier gerade die ersten Ergebnisse. Wir haben also Stickoxide sehr großräumig gemessen mit Konzentrationen bis zu 2,5 ppb. Das sind Konzentrationen, wie sie auch von einigen der globalen Modelle vorhergesagt werden und durch Validieren dieser Modelle werden wir das auch auf die globale Skala skalieren.
Bitterle: Validierung von Modellen heißt: Sie haben sich vorher schon vereinfacht ausgedrückt Gedanken gemacht, was da passiert, welchen Einfluss eben Gewitter auf den Stickoxidausstoß haben können und jetzt können Sie mit dem Falcon unter anderem als einer Methode diese Modelle überprüfen?
Schlager: Das ist richtig. Das Endziel ist letztendlich, die verschiedenen Quellen, die zum Stickoxidhaushalt der Atmosphäre beitragen, zu quantifizieren. Das kann man schon sehr gut für die anthropogenen Quellen wie der bodengebundene Verkehr oder der Flugverkehr, aber es gibt sehr große Wissenslücken noch bei den natürlichen Quellen wie Gewittern. Und TROCCINOX trägt dazu bei, dass wir auch diese natürlichen Quellen richtig quantifizieren können.
Die Vorhersagegenauigkeit von Gewittern ist auch heute in der Zeit numerischer Simulationsmodelle immer noch ungenau. Das hat verschiedene Gründe:
Zunächst ist der Ort, sehr schwer zu bestimmen, wo die initiale Hebung stattfindet, diejenige Hebung also, die die feuchte Luftmasse anhebt und den Entstehungsprozess eines Gewitters auslöst. Wenn das Gewitter einmal entstanden ist, ändern sich dadurch die klimatischen Verhältnisse am Boden und es können daraus weitere Gewitter entstehen. Schließlich findet das Gewittergeschehen in einem Zeitbereich von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden statt. Das ist der so genannte Nowcastingbereich, ein Vorhersagebereich, der sich lediglich auf wenige Minuten erstreckt und den die gängigen Vorhersagemodelle kaum berücksichtigen können.
Globale Vorhersagemodelle, wie sie in den klassischen Wettervorhersagen verwendet werden, gehen von einem Anfangswettergeschehen aus und verfolgen die Entwicklung über eine große räumliche Ausdehnung und den Verlauf bis zu zwei Wochen. Die Entstehung von Gewittern können sie allenfalls als Trend ausdrücken.
Dazu kommen Modelle mit einer mittleren räumlichen und zeitlichen Auflösung, so genannte mesoskalige Modelle. Sie decken eine Region von 20 bis 1000 Kilometer ab und berücksichtigen einen Zeitraum von einer bis zu 12 Stunden. Mesoskalige Modelle erlauben wegen ihrer höheren Auflösung bereits eine genauere Vorhersage, wie sie etwa in lokalen Wettervorhersagen berücksichtigt werden. Dank der immer größer werdenden Dichte von lokalen Wetterstationen und Bodenwetterradarstationen, deren Messungen über das Internet miteinander vernetzt werden können, werden natürlich auch die Vorhersagen immer präziser. Zu den Bodenmessungen kommen eine Fülle von Daten aus Wetterballonen oder Satellitenaufnahmen.
Das Wetterforschungsprojekt TROCCINOX in Brasilien vernetzt die Datenquellen und kann darüber hinaus noch auf zwei flugzeuggestützte Plattformen zurückgreifen: Das russische Stratosphärenflugzeug Geophysica, das in einer Höhe von 20 Kilometern und damit über der Tropopause operieren kann. Die Mjassitschew M 55 Geophysica ist eine zivile Weiterentwicklung des sowjetischen Spionageflugzeugs mit dem Codenamen "Mystic". Bei TROCCINOX wird sie allerdings erst in der nächste Phase Ende dieses Jahres eingesetzt. Die andere Plattform ist ein modifizierter französischer Geschäftsjet, den das DLR in den 70er Jahren angeschafft hat:
Bitterle: Der Falcon ist ein zweistrahliges, umgebautes Geschäftsflugzeug, da können normalerweise so etwa zehn Passagiere mitfliegen. Spannweite schätze ich mal, knapp unter 15 Metern und dieses Flugzeug ist ausgerüstet mit ganz vielen Messinstrumenten. Unter den Tragflächen sind Sensoren angebracht. Auf dem Dach eine ganze Batterie von Antennen und Pitotrohren, das alles dient dazu, um aus der Luft während des Fluges Messungen vornehmen zu können. Am Flugzeug vorne ist ein Mast, der ist rot-weiß-geringelt, das ist das deutlichste Merkmal, dass es sich hier nicht um ein normales Flugzeug der allgemeinen Luftfahrt handelt, sondern um ein besonderes Flugzeug. Es ist im Prinzip weltweit im Einsatz. Auf den Seychellen genauso wie in den Südlichen Staaten der Vereinigten Staaten von Amerika oder jetzt eben in Gaviao Peixoto in Brasilien.
Bitterle: Mission Control von TROCCINOX, der Falcon ist jetzt eine gute halbe Stunde in der Luft, Christoph Gatzen ist ganz begeistert vor seinem Radarschirm ist falsch, aber vor seinen Radargraphiken. Da ist sehr viel rot jetzt im Bild und nur noch wenig grün, Das ist das Wetterradar von Baurú im Zentrum
Gatzen: Der Radius ist jetzt 240 km um Baurú herum. Araraquara liegt jetzt im Nordosten des Radarbildes und gezeigt ist hier die oberste Region, in der das Radar noch Radarreflektivität empfangen kann. In diesem Fall erreichen alle Zellen eine Höhe von mehr als 13 km und wenn wir auf das hoch aufgelöste Bild schauen, dann sieht man, dass die Gewitter im Schnitt 16 km hoch sind heute.
Bitterle: Also wenn wir jetzt hier den Hangar verlassen würden und wir könnten durch die Wolken durchgucken, es ist auch ein bisschen diesig und wir hätten wirklich unbegrenzte Sicht, dann würden wir sehr hohe und viele Gewittertürme hier um uns rumsehen oder um Baurú vielmehr.
Gatzen: Ja richtig und zwar befindet sich Araraquara, also unser Flughafen im Augenblick mehr oder weniger umzingelt von Gewittern, sowohl, wenn man jetzt nach Osten schaut, haben wir eine Gewitterwand, die sich gebildet hat, als auch nach Süden und die Falcon, die fliegt ja jetzt mitten in diesem Gebiet, umringt von Gewittern und wir versuchen sie jetzt durch die nächste Gewitterwand durchzulotsen, damit sei auf die andere Seite kommen kann.
Bitterle: Wie habt Ihr Kontakt jetzt mit der Maschine?
Gatzen: Wir haben Kontakt zu dieser Maschine mit einem Satellitentelefon, das hat sich als die stabilste und einfachste Art erwiesen, um mit den Piloten zu kommunizieren.
Telefonat mit dem Falcon
Gatzen: Sie bekommen im Augenblick Gesellschaft von sehr vielen Gewitterzellen, die dort heraufreichen bis auf 16 Kilometer, ja also da bildet sich jetzt einiges und Sie werden schon keine Probleme haben, gute Messsysteme, also gute Messwerte zu bekommen, sondern eher Probleme haben mit Ihrer Flugplanung.
Schlager: Deswegen sind die jetzt auch beschäftigt. Also wollen wir sie nicht stören. Aber das ist ja umso wichtiger, den Piloten Hilfestellung zu geben, wenn es nur wenige Gewitter gibt. In dem Fall haben wir genug Gewitter, die können sich das beste Gewitter aussuchen. Selber aussuchen.
Bitterle: Der Falcon hat ja eine Fülle von Sensoren, Messsystemen an Bord. Womit erhebt der denn die Daten, auf die Sie so scharf sind jetzt hier, Hans Schlager?
Schlager: Ja, das sind zum Teil In-situ-Messverfahren, zum Teil Fernerkundungsverfahren. Wir haben ein Lidar an Bord, das misst die Wasserdampfkonzentration von der Flugzeughöhe bis in eine Höhe von 17, 18 km.
Bitterle: Lidar, das ist eine Abkürzung, wofür steht die?
Schlager: Das ist Light Detecting by Ranging, so was wie ein Radar, aber mit Lichtwellenlänge. Und dann haben wir In-situ-Verfahren, die Stickoxide zum Beispiel messen wir mit der so genannten Chemiluminiszenz-Technik.
Bitterle: Und In-situ heißt, das machen Sie da, wo das Flugzeug ist an dem Punkt.
Schlager: Richtig, die Luft, die rohe Luft wird ins Flugzeug transportiert und dort mit verschiedenen Verfahren dann analysiert.
Bitterle: Tropische Konvektion ist das, wonach man vereinfacht gesagt die Uhr stellen kann, was jeden Tag passiert hier in der Äquatorgegend, also es kommt zu einer Überentwicklung sagen die Meteorologen, Quellwolken schießen in den Himmel, haben sehr, sehr viel Energie, die lösen dann irgendwann aus und das kriegen wir hier mit als Gewitter ganz einfach. Und das andere, das sind Frontensysteme, wie wir sie in Europa kennen oder ist das zu einfach dargestellt?
Gatzen: Das ist schon genau richtig gesagt: Die tropische Konvektion, die bildet sich hauptsächlich im Laufe des Nachmittags aufgrund von Überheizungen der unteren Luftschichten und der Anfangszeitpunkt dieser Konvektion, der ist meistens 14 bis 15 Uhr lokale Zeit. Und genauso haben wir es heute auch gehabt. Um 1400 gab es hier das erste Gewitter und jetzt kocht die Atmosphäre so richtig.
Bitterle: Wie lange kann man das hier noch beobachten? Die Gewitterzellen selbst sind sehr kurzlebig. Das ist auch ein Charakteristikum für tropische Gewitter, dass die einmal herauf schießen, 16, 17 km Höhe erreichen und dann bereist wieder zusammenfallen. Das ist also anders als zum Beispiel viele Gewitter in Mitteleuropa, die zum Teil über Stunden hin- und hergewittern können und dabei auch große Strecken zurücklegen. Und sobald die Sonne jetzt im Laufe der nächsten vier, fünf Stunden herunter sinkt, hört diese tropische Konvektion eigentlich auf, weil von unten der Nachschub fehlt. Andererseits erwarten wir heute Abend eine Kaltfront, die von Argentinien her reinzieht und an dieser kann es weiter schwere Gewitter geben, so dass wir heute noch einiges vor uns haben.
Etwa zehn Flüge mit einer Dauer von jeweils vier Stunden unternimmt der Falcon. Von jedem Flug bringen die Wissenschaftler eine Fülle von Daten mit, die anschließend am Boden erst einmal von den Wechseldatenträgern im Flugzeug auf stationäre Computer kopiert werden müssen.
Christian Hinz, Flugingenieur.
Bitterle: Jetzt stehen wir hier vor dem Falcon. Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, D-CMET, passt ja auch ganz gut, ein meteorologisches Forschungsflugzeug mit einer Fülle von Sensoren und Messgeräten. Dann gehen wir mal rein. So, hier ist es jetzt ganz, ganz, ganz eng und ein paar Leute arbeiten auch schon hier. Dicker Schlauch wird nach hinten geführt, der führt klimatisierte Luft hier rein, weil die Instrumente sehr viel Wärme erzeugen. Jetzt klemmen wir uns, das ist gar nicht so leicht hier durchzugehen, denn da wo in einem normalen Flugzeug der Gang ist, da ist hier ein dickes Rack eingebaut, ein Regal aus Leichtmetall und da sind Messgeräte draufmontiert, so, jetzt bin ich hier quasi da, wo die Economyklasse anfangen würde, Christian hat sich vor mir auf einen Sitz gesetzt, einen der wenigen Sitze, die hier drin sind und ich komme jetzt noch weiter, drei gibt es insgesamt, ich komme jetzt noch weiter durch,
Bitterle: Kannst Du Dich an einen spektakulären Gewitterflug erinnern?
Hinz: Wir hatten mal einen spektakulären mit einem Blitzeinschlag, da war ich aber nicht mit an Bord. Da ist ein Kollege geflogen. Da hatten wir dann auch einige Beschädigungen. Da ist uns das hintere Navigationslicht bis runter in das rear compartment hat uns der Blitz alles rausgebrannt. Die Lampe war komplett weg, das Kabel und das Steuergerät war auf dem bracket verschweißt.
Bitterle: Wie stufst Du denn die Mission hier ein, gab es da auch mal Situationen, wo Du gedacht hast: Donnerwetter, Respekt!
Hinz: Bis auf Turbulenzen eigentlich nicht, also Blitze selber haben wir nur ein einziges Mal gesehen, aber nee, bis auf Turbulenz sehe ich das hier unkritisch.
Gewitterforschung betreibt man sinnvollerweise dort, wo Gewitter in hohem Maße auftreten. Während in der Äquatorialregion Gewitter an bis zu 200 Tagen im Jahr auftreten können, nimmt die Häufigkeit mit flacher werdendem Einstrahlwinkel der Sonne ab. In Norddeutschland gibt es durchschnittlich nur noch 15 bis 20 Gewittertage pro Jahr. Im Alpengebiet liegt die Häufigkeit bei 30 Tagen. In den Polarregionen der Arktis und Antarktis gibt es praktische keine Gewitter.
Hier in Südbrasilien liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gewitter auftritt, bei 120 Tagen im Jahr. Besonders hoch ist sie in der Zeit des Sommers, der auf der Südhalbkugel im März zu Ende geht.
Hinterwaldner: Unser Flieger steht hier vorne auf dem Taxiway, wir haben vor der Halle betankt, unsere APU, unser Zusatzaggregat läuft bereits und liefert Strom für das Messequipment, das jetzt momentan hochgefahren wird. Jetzt müssen wir bloß noch die Triebwerke starten und dann rollen wir los zum Start. Jetzt muss es alles ein bisschen schneller gehen. Ich klettere jetzt in den Falcon rein, der macht schon eine Menge Radau, das ist aber nur die APU, das Hilfsaggregat, die Triebwerke laufen noch nicht, die lassen wir jetzt möglichst schnell an, damit wir innen Klimaanlage haben.
Hinterwaldner: So weit, ist die Kabine auch abflugbereit?
Bitterle:
Kabine ist klar!
Hinterwaldner: Dankeschön.
Vor drei Minuten sind wir abgehoben, um ziemlich genau 1400 Ortszeit zu einem Messflug, haben jetzt 5000 Fuß erreicht, 1500 Meter, etwas höher und fangen hier schon mit den Messungen an.
Fix: Ich bin Andreas Fix, ich betreibe das Lidar hier an Bord. Ein Lidar ist ähnlich wie ein Radar ein Gerät, das die Atmosphäre sondiert, aber wir arbeiten nicht mit Radiowellen, sondern mit Lichtwellen, deswegen ein Laser. LIDAR steht übrigens für Light Detecting and Ranging und die Besonderheit unseres Systems ist, dass die Wellenlängen so abgestimmt, dass man Wasserdampf damit messen kann und auch Aerosole.
Wir steigen jetzt auf Flight Level 100.
Bitterle: Der Kapitän hat gerade gesagt, wir fliegen auf Flugfläche 100, das sind etwa 3000 Meter, durchstoßen jetzt die Hauptwolkenuntergrenze. Wenn man zum Fenster rausguckt, kann man sehr schön die Überentwicklung der Quellwolken sehen, Kumuluswolken, die hier zu tropischen Cumulonimbuswolken werden.
Wir sind jetzt etwa gleich hoch wie die meisten der Quellwolken, nur einige schießen weiter rauf in die Luft und werden dann eine Höhe annehmen von später, wenn sie entwickelt sind, von etwa 12 Kilometern. Jetzt ist es hier in Südbrasilien schon Herbst geworden, das heißt die innertropische Konvergenz, die Gewitter nach Fahrplan liefert im Prinzip, die hört jetzt allmählich auf und es ist ein Glücksfall, dass wir heute noch solche Wolkenformationen antreffen.
Bitterle: Ich bin jetzt vorne im Cockpit. Vorne ist eigentlich ein relativer Begriff, weil das Flugzeug ja gar nicht so furchtbar groß ist. Das heißt, es ist nur vier, fünf Meter weg von meinem Platz. Vorne sitzen Dirk Günter und Martin Hinterwaldner, - ja was sehn wir denn da eigentlich, haben wir CBs dabei, durch die wir durchfliegen mit dem Amboss heute oder ist da eher nichts los?
Hinterwaldner: Hier im Norden sieht man schöne CBs, wie sie sich aufgebaut haben, aber sie sind nicht so hoch wie die nächsten Tage und wir werden nachher im Anflug sicherlich den einen oder anderen streifen und dran vorbeifliegen und den Amboss dann auch vermessen.
Bitterle: Jetzt muss ich mal zu Dir kommen, Anke. Du sitzt hier schön am Fenster, ganz hinten. Vor Dir auch ein Computerschirm und vor Dir und rechts sind die Module, die Du überwachen und steuern musst,
Anke Roider: Wir haben hier drei Racks, für die ich quasi zuständig bin. Das ist einmal das Aerosolrack mit dem Bildschirm hier, sieht man die Anzahl der Partikel mit den verschiedenen Größenbereichen und man sieht, es tut sich im Moment nicht viel. Wir sind in sehr sauberer Luft. Hier an dem Bildschirm rechts sind die Spurengase. Auch hier sieht man alles ganz ruhig.
Bitterle: Jetzt schmeißt der Dirk Günter die Maschine in eine Rechtskurve, die dürfte ziemlich steil sein, ich kann es nicht genau beurteilen, weil ich nur einen Teil aus dem Fenster sehe, aber ich tippe mal, so 45 Grad Neigung werden wir schon haben. Fliegen die anders als normale Verkehrspiloten, die beiden vorne, der Martin Hinterwaldner und Dirk Günter?
Roider: Ja, ich habe zumindest mehr Vertrauen, sage ich mal. Man kann das überhaupt nicht vergleichen. In so einer kleinen Maschine, da rumpelt es automatisch einfach viel schneller. Ob sie anders fliegen? Ich glaube, sie fliegen viel mehr von Hand als so ein Linienpilot und meiner Meinung nach mit Sicherheit auch besser.
Hinterwaldner: So und bitte noch mal anschnallen, es könnte gleich noch mal ein bisschen rumpeln, wir durchfliegen jetzt gleich noch mal cumuli
Bitterle: Martin Hinterwaldner, 20 nach sechs, vor etwa 10 Minuten sind Sie mit dem Falcon gelandet nach fast vier Stunden Gewitterfliegerei.
Hinterwaldner: Ja, wir waren 3:45 in der Luft. Die Gewitter waren nicht so wie erwartet und wie von unseren Meteorologen vorhergesagt. Sie sind zwar überall hochgesprossen wie Champignons. Sie sahen aus wie bei uns zu Hause, aber so richtig schön mit einer Fahne oben mit einem ausgeprägten Amboss haben wir sie nicht vorgefunden. Wir haben versucht, in einigermaßen Outflow zu fliegen und dort die Teilchen und den Outflow zu messen.
das Platzgewitter hier in Gaviao sieht man auch südlich des Platzes und es zieht allerdings hier am Platz vorbei und wir haben nur einige Winde, Scherwinde mit am Platz. Aber ansonsten war es von unserer Seite erfolgreich. Wir haben was messen können. Was die Wissenschaft jetzt draus macht, das werden wir jetzt gleich im Briefing sehen. Das ist der Ordner, den kannste runterkopieren, alle Bilder im Flug mit drauf,
Bitterle: Heute ist vermutlich der letzte große Flug mit einer Wetterlage, bei denen Sie signifikante Daten erheben können. Wie viele Samples haben Sie denn jetzt etwa?
Schlager: Wir haben jetzt insgesamt schon sieben Messflüge durchgeführt. Heute kommen noch zwei dazu. Das heißt, insgesamt werden wir dann zehn Messflüge haben und das ist typisch für eine große Kampagne, wo man ja auch repräsentative Daten erheben will, verschiedene Gewitter, aber auch Situationen, wo keine Gewitter sind, als Kontrast. Das ist so die übliche Anzahl von Messflügen, die wir pro Kampagne durchführen.
Bitterle: Da haben Sie ja eine Fülle von Daten. Das dauert sicher einen Moment, die auszuwerten.
Schlager: erste Analysen werden hier schon gemacht. Also wir haben die Möglichkeit, zu einer Art Quicklook-Darstellung, also ne Schnelldarstellung der Messdaten, die wir im Flug gewonnen haben. Das ist auch wichtig, weil wir ja die Planung für die nächsten Flüge eigentlich gründen auf den Ergebnissen der ersten Flüge und später natürlich werden dann entsprechende Modellierungen, werden die Radardaten zusammen mit den Blitzdaten, die wir erhalten werden, auch von bodengestützten Blitzmesssystemen, Satellitenblitzmesssystemen dann zusammenführen mit den Messdaten und die Gewitter analysieren.
Das Forschungsobjekt Gewitter birgt immer noch eine Fülle von Herausforderungen, sei es die Vorhersagegenauigkeit seiner Entstehung, sei es das Verständnis der Dynamik im Innern oder die Erforschung der elektrischen Phänomene wie etwa der Einfluss der Blitze auf den Stickoxidhaushalt der Atmosphäre.
Jüngste Messungen haben gezeigt, dass Blitze nicht nur eine elektrische Entladung erzeugen, sondern auch ein Röntgenfeld hervorrufen, das bis zu einer Stunde nach dem Ende des Gewitters anhalten kann.
Bitterle: Jetzt sind wir wieder in einem Container: Aerosol and Trace Gas, also Aerosole und Spurengase und die werden hier ausgewertet. Kleine Baracke, klimatisiert, deswegen rumpelt es hier auch so, sechs, sieben Computer und Schreibtische, die bis oben hin voll sind. Anke Roider, Du bist auch hier als Ingenieurin und arbeitest beim Institut für die Physik der Atmosphäre und bist bei dem Flug dabei gewesen an Bord,
Roider: Genau, wir hatten also zwei Flüge, einen am Vormittag, einen am Nachmittag und ich war bei beiden an Bord und jetzt sind wir gerade am Auswerten der beiden Flüge.
Bitterle: Dann zeig mir doch mal was! Also man sieht eine Graphik, da sind eine grüne Linie, eine Hüllkurve, die bildet die Flughöhe des Flugzeuges ab über der Zeitachse und ebenfalls abgetragen sind mit schwarz ein zackiger Graph und mit rot. NO steht für Stickoxid, das messt Ihr, darum geht es ja bei TROCCINOX.
Roider: Wir messen Stickoxide, die in Gewittern produziert werden, das ist hier eben die rote Kurve und dann haben wir noch die NOy-Komponente, das sind alle oxidierten Stickstoffverbindungen, die vor allem in gealterten Luftmassen entstehen, wenn die Luft länger unterwegs war.
Bitterle:
Also Luft ist nicht gleich Luft, sondern es gibt wirklich verschieden alte Luft und das kann man auch messen.
Roider:
Genau und das sieht man vielleicht hier jetzt nicht eindeutig, aber das NO rauscht um einiges mehr hoch in den Gewitterwolken, weil das frisch produziert ist. Hingegen bei gealterten Luftmassen werden die anderen oxidierten Stickstoffverbindungen immer höher im Vergleich zum frisch gebildeten NO. In diesem Verhältnis von NO zu NOy, das habe ich hier...
Schlager: Wir haben sehr schöne Ergebnisse erhalten. Wir hatten ja gerade vor drei Tagen eine Periode, wo wir hier sehr tropische Luftmassen hatten in tropischen Gewittern und haben die vermessen praktisch, die Luftmassen vor der Entstehung der Gewitter, während die Gewitter hier aktiv waren und dann auch einen Tag später, als die Luftmassen dann schon etwas auf die Küste, auf den Atlantik hinaus transportiert wurden.
Bitterle: Können Sie denn jetzt schon was zu den Ergebnissen sagen? Sie sind ja mit ein paar Modellen angereist, die Sie validieren, die Sie überprüfen wollen.
Schlager: Also wir haben schon allererste Vergleiche gemacht. Dabei zeigt sich: Wir haben insgesamt vier Modelle hier vor Ort, bei denen wir auch Vorhersagen durchführen können. Dass manche Modelle die Stickoxidproduktion durch tropische Gewitter überschätzen, andere jedoch unterschätzen. Genau können wir das jedoch erst nach unseren Analysen sagen, die noch einige Monate dauern werden.
Bitterle: Gibt es einen praktischen Nutzen, der aus diesem Projekt raus fließen kann, zum Beispiel in Vorhersagen oder was die Produktion von Schwebestoffen, Schadstoffen und dergleichen und ihre Zusammenhänge angeht auf die Zusammensetzung der Atmosphäre?
Schlager: Ein wichtiger Anwendungspunkt ist dadurch gegeben, dass es ja Blitze, das ist eine natürliche Stickoxidquelle. Es gibt natürlich auch vom Menschen verursachte Quellen wie zum Beispiel der Luftverkehr, der auch in den Höhen, in denen auch die Stickoxide durch Blitze freigesetzt werden, ihre Emissionen freisetzen und die Wirkung dieser antropogenen Stickoxide hängt natürlich auch ab vom Zusammenspiel mit den natürlichen Stickoxiden. Zum Beispiel wichtige Wirkung ist ja die Bildung von Ozon und Ozon ist ein Treibhausgas. Das ist die Wirkungskette, die wir dann auch untersuchen.