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Trocken auf Knopfdruck

Für den Erfolg einer Firmengründung braucht es eine gute Idee, eine ausreichende Finanzierung, ein tragfähiges Konzept zur Umsetzung – und im Fall von "Dry2Go" auch möglichst schlechtes Wetter. Das Unternehmen aus Bochum setzt auf Regenschirme aus dem Automaten.

Von Klaus Deuse |
    "Man kennt es von sich selbst, wenn man sich fragt, regnet es oft in Deutschland, wird man von den meisten Menschen die Antwort bekommen: Es regnet viel zu häufig."

    Das weiß Rebecca Augustin aus Erfahrung. Wenn es nicht regnet, nimmt man den Schirm erst gar nicht mit oder vergisst ihn beim Bummel durch die Stadt im Auto. Doch donnert und gießt es unerwartet, steht man da wie ein begossener Pudel.

    In Singapur kam der 29-jährigen Rebecca Augustin die Idee, wie man mit Regen Geschäfte machen kann. Dort entdeckte die gelernte Bürokauffrau mit der markanten Brille an zahlreichen Straßenecken Automaten, die ihr berufliches Leben verändern sollten. Und zwar: Regenschirmautomaten. Wieder zurück im regenreichen Deutschland gründete sie mit ihrer Freundin Daniela Wallraff ein Start-up-Unternehmen namens "Dry2go", das die Bundesrepublik trocken legen will. Mit Regenschirmen aus Automaten. Das Konzept ihrer Freundin Rebecca überzeugte auch die Absolventin der Volkswirtschaft Daniela Wallraff. Was immer Automaten ausspucken, Regenschirme sind Rüstzeug für Notfälle:

    "Das ist anders als ein Getränkeautomat, wo man sagen kann, da wartet man vielleicht noch mal bis zum nächsten Restaurant oder Café. Sondern es ist dann wirklich so, wenn man durch den Regen laufen muss, dann ist man auch schon nass."

    Von ihrem kleinen Büro in Bochum aus bestücken die Gründerinnen allmählich die Republik mit Automaten. Die ersten hängen oder stehen in Berlin, Bochum, Hamburg, Köln, München und Münster. Automaten, die für vier Euro einen Schirm ausspucken. Vier Euro hält Rebecca Augustin für einen Preis, mit dem man sich auf dem Markt behaupten kann. Die Schirme lassen Rebecca Augustin und Daniela Wallraff übrigens in Fernost herstellen. Im Programm haben die beiden quirligen Jungunternehmerinnen zwei Automaten-Typen. Typ 1, den mechanischen Wandautomaten mit einem Ladevolumen von 45 Regenschützern, beschreibt zur Anschauung Daniela Wallraff.

    "Das Wandgerät hier ist 120 Zentimer lang, 40 Zentimeter breit und auch nur 20 Zentimeter tief. Also sehr platzsparend. Man legt die Münzen hier an der Seite rein. So, zweimal das Ganze. Dann ist es hier wie früher bei einem Kaugummiautomaten. Sehr schön im Retro. Kann man einmal umdrehen und kann trocken bleiben. Weil: Da ist der Schirm!"

    Der trocken halten soll. Typ 2 hat, wie Rebecca Augustin erklärt, noch ein bisschen mehr zu bieten als der Wandautomat.

    "Dieses Standgerät, was wir haben, ist 1,80 Meter hoch, hat ein LED Display, das man bewegte Bilder drüber abspielen kann, Bilder, Filme. Und dieses Gerät hat den besonderen Komfort, dass man mit Geldscheinen und Münzen in jeder beliebigen Stückelung zahlen kann."

    Wichtiger aber dürfte den Kunden sein, dass sie endlich einen Schirm haben, wenn es draußen auf Teufel komm raus regnet.

    Das LED-Display bietet den pfiffigen jungen Unternehmerinnen außerdem die Möglichkeit, durch verkaufte Werbefläche noch ein bisschen mehr umzusetzen. Farblich festgelegt dürfen die Kunden allerdings nicht sein. Der Automat kann per Zufallsprinzip nämlich nur schwarz oder beliebig bunt. Bis hin zu rosa, was am Standort Köln nach Erfahrung der energiegeladenen Rebecca Augustin eine ziemlich beliebte Farbe sein soll. Apropos Standort. Auf den kommt es selbstverständlich entscheidend an, wenn genug Geld in der Kasse klingeln soll. Volkswirtin Daniela Wallraff hat da einiges im Auge.

    "Standorte sind für uns U-Bahn-Stationen und Parkhäuser, Kinos, Museen, Schwimmbäder, Sportstätten. Quasi überall da, wo Durchlauf ist, wo Veranstaltungen stattfinden, wo Leute einkaufen gehen."

    Da manche Menschen, wenn der Himmel die Schleusen öffnet, nicht einmal etwas mit einem Schirm anfangen können, haben Rebecca und Daniela auch an Randgruppen gedacht und einen Alternativschutz im Automatenprogramm:

    "Für den Fahrradfahrer, für den Touristen, für den Menschen, der die Hände freihaben möchte, einen Regenponcho."

    Die Automaten für ihre Schirme bestellen die Unternehmerinnen nicht sozusagen "am Stück", sondern nur die dafür notwendigen Komponenten. Die Montage übernehmen der Ehemann und der Vater von Rebecca Augustin. Im Prinzip sei man, schmunzelt Rebecca, ein kleines Familienunternehmen. Als Start-up-Unternehmerinnen kalkulieren sie im ersten Geschäftsjahr erst einmal vorsichtig an der low-line. Das heißt: Mit dem Absatz und Betrieb von 100 Automaten hätten sie das Minimalziel erreicht. Sollten es mehr werden, umso besser. Sie selbst bestücken nur in ihrer Heimat rund um Bochum die Automaten mit Schirmen. In Berlin, Hamburg oder München setzen die beiden Frauen auf Franchise. Sprich: Hier können Geschäftspartner eine Lizenz zum Betreiben der Automaten erhalten. Aber immer nur für eine Stadt. In dem kleinen Büro in Bochum klingelt jedenfalls häufig das Telefon, wirft das Faxgerät auch Anfragen aus dem Ausland aus. Aus Australien, Belgien, Frankreich, Kanada, den Niederlanden, Rumänien und Tschechien. Ihre Geschäftsidee, sich gegen Regen per Schirm aus dem Automaten zu schützen, beginnt sich auch international auszuzahlen. Ergiebige Regengebiete kennen nun einmal keine Grenzen.

    Die Start-up-Geschäftsfrauen haben übrigens nicht nur den Regen als Umsatztrend entdeckt, sondern auch die Zeichen der Zeit erkannt.

    "Das Gute ist: Wir sind nicht nur offline, wir sind auch online. Über unterschiedliche Apps kann man sich den nächsten Regenschirmautomaten anzeigen lassen."

    Egal, wo in Deutschland der Himmel mal wieder unerwartet die Schleusen öffnet.