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Trockenheit
Elbe erreicht historischen Tiefstand

Der Wasserstand der Elbe ist wegen des heißen Sommers so niedrig wie seit 1934 nicht mehr. An einigen Stellen war das Flussbett so ausgetrocknet, dass Überreste alter Weltkriegsmunitionen freigelegt wurden. Der Tiefstand hat Auswirkungen auf die Schifffahrt, die Wirtschaft und den Tourismus.

Von Christoph Richter |
    Der Domfelsen in der Elbe in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) ist bei Niedrigwasser (55 cm) und an haltener Trockenheit vom Westufer aus zurzeit betretbar.
    Der Domfelsen in der Elbe in Magdeburg bei Niedrigwasser (imago stock&people / Christian Schroedter)
    Einmal im Jahr kommt der gebürtige Magdeburger Bernd Hinsche aus Frankfurt/Main in seine Heimatstadt. Dieses Jahr staunt er.
    Der Domfelsen, eine große steinige Fläche, ragt wie der Rücken eines großen Walfisches aus der Elbe. Am Rand wachsen wilde Tomaten, Gehölze und diverse Flussgräser. In der Ferne sieht man die Ausflugsdampfer, sie liegen verwaist am Ufer. Denn der Elb-Pegel hat mit 46 Zentimetern seinen historischen Tiefstwert von 1934 unterschritten.
    Weshalb nun eine Debatte über die Zukunft der Elbe entbrannt ist. Und die rankt sich um die Frage, ob man aus der Elbe den Amazonas des Ostens oder doch lieber einen Container-Highway, also einen naturbelassenen Fluss oder eher eine Verkehrsader machen sollte. Die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus.
    "Ich finde, man sollte die Elbe so lassen wie sie ist. Man sollte sie nicht ausbaggern. Weil, dadurch die Fließgeschwindigkeit erhöht wird. Die Elbe hat jetzt fünf bis sechs Stundenkilometer und das reicht. Wenn das jetzt ausgebaggert werden würde, dann ist die Geschwindigkeit höher, sie nimmt mehr Sediment mit. Die Ufer würden richtig abgetragen, die werden richtig weggeschwemmt."
    Baden verboten
    Sohl-Erosion nennt man das, sagt der Magdeburger Jürgen Dullmann. Und die führe zur Austrocknung der einzigartigen Flussauen. In seiner Kindheit in den 50er-Jahren hat Dullmann noch in der Elbe gebadet. Derzeit ist es in Magdeburg aber noch verboten.
    "Aber später dann, als dann die DDR-Industrie in Halle die Chemie-Industrie aufgebaut wurde und die dann ihre Abwässer alle in die Elbe und die Saale, die fließt in die Elbe, gekippt haben, dann war das eine Jauche."
    Das war damals und ist lange vorbei, sagt Dullmann noch. Ernst Paul Dörfler, der Elbe-Experte des BUND, des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland, nickt.
    "Die Zeiten sind heute ganz andere."
    Die Elbe sei wieder ein lebendiges Gewässer. Und eine touristische Attraktion. Ganz anders sieht laut Umweltaktivist Dörfler der Trend bei der Güterbeförderung auf der Elbe aus. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Verkehr um rund sieben Prozent auf 18 Millionen Tonnen zurückgegangen. Innerhalb der letzten zehn Jahre sogar um 87 Prozent. Die Binnenschifffahrt auf der Elbe sei daher "kompletter Unsinn", meint Dörfler. Ein Umdenken müsse her.
    "Die Elbe als Wasserstraße hat ihre besten Zeiten hinter sich. Jetzt geht es darum, was machen wir mit diesem Fluss, dieser Landschaft. Und wenn wir uns anschauen, wie attraktiv der Elbe-Radweg ist, der zum zehnten Mal zum besten Radweg Deutschlands gewählt wurde, dann merkt man: Diese Landschaft hat ein Potenzial wie kein zweiter Fluss in Deutschland. Davon hat die Region etwas, denn jeder Tourist lässt 70 Euro pro Tag hier. Da hat man mehr von, als von einem Ausbau der Wasserstraße. Auf der kein Schiff fahren kann, weil die nötige Wassermenge fehlt."
    Im Einklang mit der Natur eingreifen?
    Im Gesamtkonzept Elbe der Bundesregierung ist eine Fahrrinnen-Tiefe von mindestens 1,40 Meter festgeschrieben.
    "Diese Zahl kommt nicht von ungefähr. Sie ist eine Größe, die die Wirtschaft letztendlich braucht, um einigermaßen wirtschaftlich fahren zu können", sagt Tjark Hildebrandt, der Leiter des Wasserstraßen und Schifffahrtsamtes in Magdeburg.
    "Hildebrandt: Letztendlich sagen die Wasserbauexperten, dass das durch ein moderates Anpassen des Flusses auch erreichbar ist."
    Reporter: "Was heißt moderates Anpassen?"
    Hildebrandt: "Dass man lokal an der Elbe eingreifen muss, aber im Einklang mit der Natur."
    Laut BUND wurde diese 1,40 Meter Fahrrinnen-Tiefe in den letzten 15 Jahren an über 75 Prozent der Tage nicht erreicht. Dennoch will der Bund an der Güterschifffahrt festhalten.
    Normale Binnenschifffahrt ist nach derzeitigem Stand erst wieder Ende Oktober/Anfang November möglich.
    Sorgenvoller Blick in die Zukunft
    Bei Frank Scheurell, dem verkehrspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag graben sich tiefe Sorgenfalten ins Gesicht. Er möchte sowohl den Schifffsverkehr als auch den Tourismus auf und an der Elbe fördern.
    "Wir müssen sowohl den Radtourismus, aber auch den übrigen Tourismus entlang der Elbe unterstützen. Und es gibt ja auch den Tourismus auf dem Fluss, den Wassertourismus."
    Doch auch da schaut man sorgenvoll in die Zukunft. Bei der Weißen Flotte in Magdeburg, der Fahrgastschifffahrt beispielsweise, rechnet man dieses Jahr mit Umsatz-Einbußen von 60 Prozent. Seit Anfang Juli habe es keine einzige Elb-Fahrt mehr gegeben, heißt es.
    "Wir dürfen nicht alles an Tonnagen festmachen. Wir haben Lasten, die über die Straße und Schiene nicht transportabel sind. Da ist die Elbe unverzichtbar."
    Also: Über die Zukunft der Elbe scheint noch lange nicht das letzte Wort gesprochen zu sein. Einig sind sich alle – vom ganzjährig befahrbaren Fluss muss man sich verabschieden. Ein Ausbau der Elbe, er scheint so gut wie vom Tisch. Doch ob man dann den Fluss komplett der Natur zurückgeben soll, darüber scheiden sich allerdings die Geister.