Christoph Heinemann: Der geplante dauerhafte Eurorettungsschirm ESM kann trotz einer Einigung der Bundesregierung mit SPD und Grünen nicht wie geplant am 1. Juli starten. Hintergrund sind angekündigte Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht gegen den ESM sowie gegen den Fiskalpakt. Die Richter mahnten zur Prüfung ausreichend Zeit an und baten Bundespräsident Joachim Gauck, die Gesetze vorerst nicht zu unterzeichnen.Das Präsidialamt kündigte an, Gauck wolle dieser Bitte nachkommen.Nach der für den 29. Juni geplanten Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat wäre den Verfassungsorganen für die Prüfung nur ein Tag Zeit geblieben, um ein pünktliches in Kraft treten sicherzustellen. Über den Fiskalpakt hat meine Kollegin Sandra Schulz mit Axel Troost gesprochen, dem finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion "Die Linke", die klagen wird. Eine Folge der angekündigten Klage beziehungsweise der Verzögerung: Der Kurs des Euro geriet unter Druck. Frage an Axel Troost: War das ein Ziel der Linken?
Axel Troost: Nein, das war es natürlich nicht. Aber die Einschnitte, die unendlich lang durch diesen Fiskalpakt europaweit zu befürchten sind, sind aus unserer Sicht so groß, dass wir uns entschlossen haben, eben vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen.
Sandra Schulz: Aber welches Signal geht denn davon aus, wenn jetzt Deutschland, der wichtigste Geldgeber, die Umsetzung des ESM offenbar nicht pünktlich schafft?
Troost: Es geht ja gar nicht in erster Linie um den ESM, sondern es geht um den Fiskalpakt, und dieser Fiskalpakt hat eben eine Ewigkeitsklausel, die bedeutet, wenn es einmal beschlossen ist, kann man auch als künftiges Parlament Deutschlands auch mit Zweidrittelmehrheit dieses nicht mehr verändern. Das widerspricht aus unserer Sicht dem Grundgesetz, wo nur die Artikel eins bis 20 einen Ewigkeitscharakter haben, und deswegen sind wir der Ansicht, muss das Bundesverfassungsgericht kurzfristig die Unterzeichnung durch Herrn Gauck noch untersagen.
Schulz: Warum war das jetzt so wichtig, dass Bundespräsident Gauck nicht unterzeichnet, dass er nicht sofort unterschreibt? Sie hätten sich ja auch gegen das sozusagen fertige Gesetz wehren können?
Troost: Ja! Aber wenn sozusagen in der deutschen Politik gesagt wird, wir wollen ESM nur in Verbindung mit diesem Fiskalpakt und deswegen muss das alles so schnell unterzeichnet werden, dann sagen wir, wir halten das nicht für verfassungskonform, und deswegen muss so eine Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes her.
Schulz: Jetzt ist der Streit ja auf offener Bühne zwischen zwei Verfassungsorganen. Welchen Schaden nimmt die Demokratie denn dadurch?
Troost: Nein, das ist ja kein Schaden. Das ist sozusagen: Die Gewaltenteilung ist so aufgeteilt, dass Bundestag und Bundesrat entscheiden können, aber dass man gegen diese Entscheidungen dann beim Bundesverfassungsgericht eben auch angehen kann, und insofern ist es sehr vernünftig, dass das Bundesverfassungsgericht gezwungen wird, kurzfristig zu entscheiden, ob dieser Beschluss grundgesetzkonform ist oder nicht.
Schulz: Sie haben es gerade schon angesprochen: Es geht Ihnen eigentlich oder in erster Linie um den Fiskalpakt. Sie wehren sich aber auch gegen den Rettungsmechanismus ESM. Mit Solidarität gegenüber den schwachen Ländern, Spanien, Griechenland, hat es die Linke nicht so?
Troost: Nein, genau im Gegenteil. Ich bin Ökonom, nicht Jurist, und habe in allen letzten Jahren gegen diese sogenannten Rettungsschirme gestimmt - nicht, weil ich nicht solidarisch mit diesen Ländern bin, sondern weil diese Rettungsschirme jeweils verbunden sind für die Länder mit Auflagen, die völlig unsinnig sind und die genau das Gegenteil bewirken, nämlich eine ganz kurzfristig rigorose Sparpolitik, die nicht zu einer Entschuldung, sondern zu einer Verschärfung der Verschuldungssituation in diesen Ländern führt, die nicht zu einer wirtschaftlichen Stärkung, sondern zu einem wirtschaftlichen Abschwung, zum Anstieg von Arbeitslosigkeit führen, und das gilt es aus unserer Sicht zu verhindern.
Schulz: Aber wie sollen die Länder dann runter vom Schuldenberg, wenn nicht, indem sie Schulden abbauen?
Troost: Erstens geht es weniger um Schulden abbauen, sondern es geht ja immer darum, die Neuverschuldung einzugrenzen. Das ist ja immer Ziel Nummer eins. Und alle volkswirtschaftlichen Erfahrungen, man kann schon fast sagen, der letzten 100 Jahre zeigen, dass dies nicht geht durch kurzfristige Austeritäts-, also Kürzungspolitik, sondern nur geht, indem man insgesamt eine verbesserte wirtschaftliche Situation und Wachstum schafft und dann aus der Verschuldung herauswächst. Also insofern müssen sicherlich auch an der einen oder anderen Stelle Sparanstrengungen gemacht werden, es muss insbesondere auf der Einnahmenseite deutliche Steuererhöhungen für Besserverdienende und wirklich Reiche geben, aber es muss auch ein längerfristiger Prozess in Gang gesetzt werden, das geht nicht kurzfristig.
Schulz: Also die Schulden sollen dadurch bekämpft werden, dass man noch mehr Schulden macht?
Troost: ... , dass man in der Tat aus Verschuldung wieder herauswächst, und die gleichen Politikerinnen und Politiker, die in Deutschland 2009 folgende völlig richtig erkannt haben, dass man mit Konjunktur stabilisierenden Maßnahmen, mit Konjunkturpaketen dann wieder Wachstum schafft, das dann wieder zu sprudelnden Steuereinnahmen führt. Die gleichen Politiker und Politikerinnen sagen jetzt gegenüber Griechenland, Spanien, Portugal, möglicherweise künftig Italien, ihr müsst ganz anders euch verhalten. Das ist völlig unlogisch.
Schulz: Aber umgekehrt muss das Geld, mit dem das Wachstum generiert werden soll, ja erst mal da sein. Wo wollen Sie das hernehmen?
Troost: Na im Prinzip ist es überhaupt kein Problem, Geld zu bekommen. Auf den internationalen Kapitalmärkten sprudelt das Geld nur so. Nur es ist eben inzwischen Verunsicherung eingetreten, auch verursacht mit durch die Ratingagenturen, ob sozusagen Europa insgesamt zueinandersteht oder nicht.
Schulz: Jetzt hat sich die Koalition ja darauf geeinigt - Sie haben die Finanzmärkte gerade schon angesprochen -, zusammen mit SPD und Grünen, die Finanzmärkte sollen jetzt auch zur Kasse gebeten werden, die Finanztransaktionssteuer soll kommen. Das heißt, insofern ist heute auch ein guter Tag?
Troost: Also ich sage erst mal, die Linke ist die Partei, die am aller Längsten - und ihre Vorgängerorganisation, ich auch persönlich als Mitglied von Attac - für eine solche Finanztransaktionssteuer beziehungsweise früher für die Tobin-Steuer gekämpft hat. Insofern ist es gut, dass es jetzt ein solches gemeinsames Bekenntnis gibt. Ob es letztlich dann wirklich auch zu einer Umsetzung kommt, oder die FDP dann doch wieder der CDU in den Arm fällt und man eben doch nicht zur Umsetzung kommt, man wird es abwarten müssen. Aber insgesamt, glaube ich, was die Einführung dieser Steuer angeht, ist dieser Beschluss sicherlich ein Fortschritt.
Heinemann: Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion "Die Linke", die Fragen stellte meine Kollegin Sandra Schulz.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Axel Troost: Nein, das war es natürlich nicht. Aber die Einschnitte, die unendlich lang durch diesen Fiskalpakt europaweit zu befürchten sind, sind aus unserer Sicht so groß, dass wir uns entschlossen haben, eben vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen.
Sandra Schulz: Aber welches Signal geht denn davon aus, wenn jetzt Deutschland, der wichtigste Geldgeber, die Umsetzung des ESM offenbar nicht pünktlich schafft?
Troost: Es geht ja gar nicht in erster Linie um den ESM, sondern es geht um den Fiskalpakt, und dieser Fiskalpakt hat eben eine Ewigkeitsklausel, die bedeutet, wenn es einmal beschlossen ist, kann man auch als künftiges Parlament Deutschlands auch mit Zweidrittelmehrheit dieses nicht mehr verändern. Das widerspricht aus unserer Sicht dem Grundgesetz, wo nur die Artikel eins bis 20 einen Ewigkeitscharakter haben, und deswegen sind wir der Ansicht, muss das Bundesverfassungsgericht kurzfristig die Unterzeichnung durch Herrn Gauck noch untersagen.
Schulz: Warum war das jetzt so wichtig, dass Bundespräsident Gauck nicht unterzeichnet, dass er nicht sofort unterschreibt? Sie hätten sich ja auch gegen das sozusagen fertige Gesetz wehren können?
Troost: Ja! Aber wenn sozusagen in der deutschen Politik gesagt wird, wir wollen ESM nur in Verbindung mit diesem Fiskalpakt und deswegen muss das alles so schnell unterzeichnet werden, dann sagen wir, wir halten das nicht für verfassungskonform, und deswegen muss so eine Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes her.
Schulz: Jetzt ist der Streit ja auf offener Bühne zwischen zwei Verfassungsorganen. Welchen Schaden nimmt die Demokratie denn dadurch?
Troost: Nein, das ist ja kein Schaden. Das ist sozusagen: Die Gewaltenteilung ist so aufgeteilt, dass Bundestag und Bundesrat entscheiden können, aber dass man gegen diese Entscheidungen dann beim Bundesverfassungsgericht eben auch angehen kann, und insofern ist es sehr vernünftig, dass das Bundesverfassungsgericht gezwungen wird, kurzfristig zu entscheiden, ob dieser Beschluss grundgesetzkonform ist oder nicht.
Schulz: Sie haben es gerade schon angesprochen: Es geht Ihnen eigentlich oder in erster Linie um den Fiskalpakt. Sie wehren sich aber auch gegen den Rettungsmechanismus ESM. Mit Solidarität gegenüber den schwachen Ländern, Spanien, Griechenland, hat es die Linke nicht so?
Troost: Nein, genau im Gegenteil. Ich bin Ökonom, nicht Jurist, und habe in allen letzten Jahren gegen diese sogenannten Rettungsschirme gestimmt - nicht, weil ich nicht solidarisch mit diesen Ländern bin, sondern weil diese Rettungsschirme jeweils verbunden sind für die Länder mit Auflagen, die völlig unsinnig sind und die genau das Gegenteil bewirken, nämlich eine ganz kurzfristig rigorose Sparpolitik, die nicht zu einer Entschuldung, sondern zu einer Verschärfung der Verschuldungssituation in diesen Ländern führt, die nicht zu einer wirtschaftlichen Stärkung, sondern zu einem wirtschaftlichen Abschwung, zum Anstieg von Arbeitslosigkeit führen, und das gilt es aus unserer Sicht zu verhindern.
Schulz: Aber wie sollen die Länder dann runter vom Schuldenberg, wenn nicht, indem sie Schulden abbauen?
Troost: Erstens geht es weniger um Schulden abbauen, sondern es geht ja immer darum, die Neuverschuldung einzugrenzen. Das ist ja immer Ziel Nummer eins. Und alle volkswirtschaftlichen Erfahrungen, man kann schon fast sagen, der letzten 100 Jahre zeigen, dass dies nicht geht durch kurzfristige Austeritäts-, also Kürzungspolitik, sondern nur geht, indem man insgesamt eine verbesserte wirtschaftliche Situation und Wachstum schafft und dann aus der Verschuldung herauswächst. Also insofern müssen sicherlich auch an der einen oder anderen Stelle Sparanstrengungen gemacht werden, es muss insbesondere auf der Einnahmenseite deutliche Steuererhöhungen für Besserverdienende und wirklich Reiche geben, aber es muss auch ein längerfristiger Prozess in Gang gesetzt werden, das geht nicht kurzfristig.
Schulz: Also die Schulden sollen dadurch bekämpft werden, dass man noch mehr Schulden macht?
Troost: ... , dass man in der Tat aus Verschuldung wieder herauswächst, und die gleichen Politikerinnen und Politiker, die in Deutschland 2009 folgende völlig richtig erkannt haben, dass man mit Konjunktur stabilisierenden Maßnahmen, mit Konjunkturpaketen dann wieder Wachstum schafft, das dann wieder zu sprudelnden Steuereinnahmen führt. Die gleichen Politiker und Politikerinnen sagen jetzt gegenüber Griechenland, Spanien, Portugal, möglicherweise künftig Italien, ihr müsst ganz anders euch verhalten. Das ist völlig unlogisch.
Schulz: Aber umgekehrt muss das Geld, mit dem das Wachstum generiert werden soll, ja erst mal da sein. Wo wollen Sie das hernehmen?
Troost: Na im Prinzip ist es überhaupt kein Problem, Geld zu bekommen. Auf den internationalen Kapitalmärkten sprudelt das Geld nur so. Nur es ist eben inzwischen Verunsicherung eingetreten, auch verursacht mit durch die Ratingagenturen, ob sozusagen Europa insgesamt zueinandersteht oder nicht.
Schulz: Jetzt hat sich die Koalition ja darauf geeinigt - Sie haben die Finanzmärkte gerade schon angesprochen -, zusammen mit SPD und Grünen, die Finanzmärkte sollen jetzt auch zur Kasse gebeten werden, die Finanztransaktionssteuer soll kommen. Das heißt, insofern ist heute auch ein guter Tag?
Troost: Also ich sage erst mal, die Linke ist die Partei, die am aller Längsten - und ihre Vorgängerorganisation, ich auch persönlich als Mitglied von Attac - für eine solche Finanztransaktionssteuer beziehungsweise früher für die Tobin-Steuer gekämpft hat. Insofern ist es gut, dass es jetzt ein solches gemeinsames Bekenntnis gibt. Ob es letztlich dann wirklich auch zu einer Umsetzung kommt, oder die FDP dann doch wieder der CDU in den Arm fällt und man eben doch nicht zur Umsetzung kommt, man wird es abwarten müssen. Aber insgesamt, glaube ich, was die Einführung dieser Steuer angeht, ist dieser Beschluss sicherlich ein Fortschritt.
Heinemann: Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion "Die Linke", die Fragen stellte meine Kollegin Sandra Schulz.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.