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Trotz demografischem Wandel: Mehr Geld für Bildung!

Laut Nationalem Bildungsbericht 2010 wächst die Kluft zwischen Gebildeten und Ungebildeten. Erstmals wurde auch untersucht, welche Auswirkungen der demografische Wandel auf das Bildungssystem haben wird.

Jacqueline Boysen im Gespräch mit Elif Senel |
    Elif Senel: Er ist einer der größten Bestandsaufnahmen in der deutschen Bildungslandschaft: der nationale Bildungsbericht. Alle zwei Jahre erscheint er, seit 2006, im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesbildungsministeriums. Heute Mittag wurde in Berlin der dritte Bericht offiziell vorgestellt mit dem Titel: "Bildung in Deutschland 2010". Vorab wurde schon bekannt, dass die Zahl der jungen Leute ohne einen Berufsabschluss einen neuen Höchststand erreicht hat. Jacqueline Boysen ist unsere Korrespondentin in Berlin. Was sind denn die weiteren zentralen Ergebnisse des Bildungsberichts?

    Jacqueline Boysen: Erstmals hat er untersucht, welche Auswirkungen der demografische Wandel auf das Bildungssystem haben wird und was es leisten muss bei sinkenden Geburtenzahlen, einem Zuwachs bei Migranten, insbesondere in den Stadtstaaten und in Ballungszentren, während die Entwicklung auf dem Lande eben in die genau entgegengesetzte Richtung läuft. Es ist ganz erschreckend: Fast jedes dritte Kind wächst, so der Bericht, in sozialen oder finanziellen Risikosituationen auf, bei den Migrantenkindern sind es sogar 42 Prozent. Und unter den Kindern der Alleinerziehenden ist fast jedes zweite Kind von Armut bedroht. Und ebenso erschreckend ist, dass die Kluft zwischen Gebildeten und unzureichend oder Ungebildeten größer wird, bei den Ungelernten gibt es kaum Verbesserungen, obwohl die Bevölkerung insgesamt mehr Bildungsangebote nutzt. Angesichts all dessen tritt der Präsident der Kultusministerkonferenz, der bayrische Minister Ludwig Spaenle von der CSU, auch gleich dem Verdacht entgegen, die Bildungsbudgets könnten jetzt bei sinkenden Kinderzahlen dann auch schrumpfen:

    Ludwig Spaenle: "Es ist dringend notwendig, obwohl die Zahl derer, die in das Bildungssystem eintreten, in Zukunft deutlich zurückgehen wird, die Ausgaben für Bildung und Erziehung mindestens auf der Höhe zu halten, die unter Einschluss der demografischen Rendite, das heißt also der rechnerisch frei werdenden Personal- und materiellen Kapazitäten, heute für Bildung aufgewendet wird, eher mehr. Weil wir zusätzliche Stützung, Brücken finanzieren und gestalten müssen, um die Ressource menschlicher Geist bei insgesamt zurückgehenden Bevölkerungszahlen zur Verfügung zu haben."

    Boysen: Und schon jetzt stellt er einen Anstieg der Bildungsausgaben fest. Übrigens sagt der Bericht, dass das besonders in den östlichen Ländern so sei.

    Senel: Das ist eben. Die Bildungslandschaft in Deutschland unterscheidet sich stark. Worin unterscheiden sich genau die Regionen?

    Boysen: Ja, also wenn wir den Osten nehmen, da gibt es einen hohen Anteil von Schülern, überwiegend Jungs, die in Förderschulen sind, insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in anderen östlichen Ländern, in denen es keine Hauptschule gibt. Und dort landen dann Kinder mit Lernschwächen oder Lernbehinderungen auf den Förderschulen, die ihrem Namen aber gar nicht gerecht werden, denn Förderung müsste ja eigentlich heißen, dass die Schüler dann so viel Hilfe erhalten, dass sie dann in die Mittelschulen überspringen können. Das passiert aber nicht oder zu selten. Und das ist letztendlich natürlich auch eine Folge der Abwanderung der besser Ausgebildeten.

    Senel: Es hat zwei Jahre gedauert, bis der neue Bericht rausgekommen ist, alle zwei Jahre erscheint er. Gibt es denn irgendwas, was sich zum Positiven in dieser Zeit entwickelt hat?

    Boysen: Ja, sogar eine ganze Reihe von Punkten. Es gibt viel mehr Krippenplätze in Deutschland, es gibt weniger Schulabbrecher und mehr Hochschulabsolventen, aber dann stellt der Bericht eben auch fest, dass die Migrantenkinder außerhalb der Schulzeit zum Beispiel weniger Lernangebote wahrnehmen. Das heißt, sie gehen nicht zum Musikunterricht oder sie machen nicht nach der Schule Sport oder sie zeigen kein freiwilliges Engagement in irgendwelchen Sozialeinrichtungen und dass beispielsweise auch – ein weiterer Punkt, den der Bericht festgestellt hat –, dass mehr Lernende ihren Wissensdurst in privaten Bildungseinrichtungen und nicht mehr in staatlichen stillen.

    Senel: Wie ist das in der Hochschullandschaft, was sagt der Bericht darüber?

    Boysen: Die Studienanfängerquote ist gestiegen, und hier gibt es eine Steigerung auf inzwischen 43,3 Prozent. Die politisch gewünschten 40 Prozent sind also überschritten, womit aber der finanzielle Ausbau der Hochschulen nicht einhergegangen ist. Hier fehlen, wie wir wissen und wie der Bericht bestätigt, insbesondere Hochschullehrer.

    Senel: Diese Ergebnisse haben wir jetzt vorliegen, ein dicker Ordner mit vielen Zahlen und Fakten, was passiert jetzt damit?

    Boysen: Ja, sie sind eigentlich gedacht zur Orientierung und als Handlungsanweisung für die Bildungspolitik. Der Bildungsbericht gibt ja Hinweise auf den Ausbau der Kleinkinderförderung oder auch den Ganztagsunterricht, und die rheinland-pfälzische Kultusministerin Doris Ahnen von der SPD hat auch gleich ein Signal aus dem Bericht aufgenommen:

    Doris Ahnen: "Man muss einfach sehen, dass an dieser Stelle Sozialpolitik und Bildungspolitik auch im Verständnis meines Erachtens viel enger verzahnt sein müssen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Aber am Ende richtig erfolgreich, davon bin ich fest überzeugt, werden wir nur sein, wenn die unterschiedlichen Politikbereiche an der Stelle wirklich ineinandergreifen."

    Boysen: Der Bericht richtet sich übrigens auch an den Bürger selbst, denn er stellt auch fest, dass die Erwachsenenfort- und -weiterbildung in Deutschland im Argen liegt, und insofern sollten wir uns alle an die eigene Nase fassen.

    Senel: Also die Bildung im Rundumschlag sozusagen. Heute wurde in Berlin der aktuelle Bildungsbericht vorgestellt im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesbildungsministeriums. Informationen waren das dazu von Jacqueline Boysen. Herzlichen Dank!

    Infos:
    Der 3. Bildungsbericht (2010)