Alle drei Koalitionspartner hätten die Mietpreisbremse in ihren Wahlprogrammen gehabt. "Die SPD ernsthaft und andere weniger ernsthaft", so Pronold. Auch gehe es nicht um Gängelung der Vermieter. Der Gesetzentwurf garantiere weiter hohe Renditen für Immobilienbesitzer.
Im Wahlkampf hatten Union und SPD für eine Bremse gegen drastisch steigende Mieten vor allem in Großstädten geworben. Bei der Umsetzung der Pläne knirscht es zwischen den Koalitionspartnern nun aber offensichtlich. Die Union verlangt Änderungen am Entwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und forderte in den vergangen Tagen eine "praxistaugliche Ausgestaltung" der Regeln.
Das Interview in voller Länge:
Christoph Heinemann: Krankenschwestern, Polizeibeamte, Angestellte der Stadtreinigung, junge Familien: Diese Berufs- oder gesellschaftlichen Gruppen gehen häufig leer aus, wenn sie in bestimmten Städten Wohnungen suchen. Die Mieten sind zu hoch, zu gering das Angebot. Das Problem ist erkannt, ein eigenes Kapitel im Koalitionsvertrag widmet sich der Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land. Ein Element der Steuerung ist eine Bremse für Mieterhöhungen. Für neue Mietverträge heißt das, höchstens zehn Prozent mehr, gemessen an der ortsüblichen Vergleichsmiete. So steht es auch im Gesetzentwurf des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD).
Dieser Entwurf ist den Koalitionspartnern CDU/CSU zu ungenau. Die Bundesländer sollten zunächst nachweisen, wo die Mieten zu stark steigen. Außerdem müssten Vermieter und Mieter wissen, auf welcher Grundlage sie Mieterhöhungen vereinbaren können. Oder anders ausgedrückt: Zehn Prozent mehr, aber wovon? Und die Union fordert mehr Wohnungsbau, denn wenn das Angebot steigt, dann sinken die Preise. Gestern wurde berichtet, CDU und CSU dächten laut darüber nach, dem Entwurf aus dem Hause Maas die Zustimmung zu verweigern.
Am Telefon ist Florian Pronold, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, das auch für den Städtebau zuständig ist, und er ist Vorsitzender der SPD in Bayern. Guten Morgen.
Florian Pronold: Einen wunderschönen guten Morgen.
Heinemann: Herr Pronold, wie kann für bezahlbaren Wohnraum gesorgt werden?
Pronold: Mietpreisbremse bei Neuvermietungen erforderlich
Pronold: Da gibt es mehrere Elemente. Das eine ist, dass man tatsächlich in angespannten Wohnungsmärkten es auch schafft, neue Wohnungen zu bauen, auch zu bezahlbaren Preisen, und das Zweite ist, dass man über das Mietrecht bestimmte Anstiege, die wir zurzeit feststellen, auch dämpft oder verhindert, und einer der größten Anstiege, den wir derzeit in Metropolregionen, in angespannten Wohnungsmärkten feststellen, ist, dass bei Wiedervermietung, ein Mieter zieht aus, es wird gar nichts an der Wohnung gemacht und ein neuer Mieter zieht ein, da kommt es in Metropolregionen in Deutschland derzeit zu Steigerungen von 20 bis 50 Prozent der Miete, und das genau wollen wir verhindern.
Heinemann: Durch die Mietbremse?
Pronold: Jawohl.
Heinemann: Ist Ihnen die Gängelung der Eigentümer wichtig?
"Es geht überhaupt nicht um Gängelung von Eigentümern"
Pronold: Es geht überhaupt nicht um Gängelung von Eigentümern, weil wir gewährleisten, dass sie auf dem Wohnungsmarkt nach wie vor eine ordentliche Rendite erzielen, bessere Renditen, als sie derzeit auf den Finanzmärkten erzielen. Das was wir verhindern wollen ist, dass es zu Exzessen kommt, dass einfach exorbitante Sondergewinne dort erzielt werden können, wo Menschen, die auf Wohnungen unmittelbar angewiesen sind, sich nicht wehren können. Wir wollen mit der Mietpreisbremse nichts anderes machen, als dem sozialen Mietrecht einen weiteren Tatbestand hinzufügen, der bisher noch nicht geregelt ist.
Wir haben bisher schon eine Deckelung der Mietanstiege in bestehenden Mietverhältnissen, aber was noch nicht geregelt ist und was sich dramatisch entwickelt hat in den letzten Jahren ist, was passiert, wenn eine Wohnung wiedervermietet wird.
Heinemann: Herr Pronold, im Koalitionsvertrag steht, diese Preisbremse sollte in Gebieten mit – und jetzt kommt das Zauberwort – "nachgewiesenen angespannten Wohnungsmärkten" greifen. Das heißt, erst mal müssen da Fachleute ran, keine Ideologen. Wird dieser Nachweis gesetzlich geregelt?
Pronold: Wir wollen das ja den Ländern überlassen.
Heinemann: Also nein?
Pronold: Und der Punkt ist ganz einfach, was mich etwas überrascht. Wir haben uns im Koalitionsvertrag – ich habe das ja ausgehandelt – eigentlich darauf geeinigt, dass wir weniger Bürokratie schaffen wollen. Nämlich Schwarz-Gelb hatte ein Jahr zuvor eine Regelung getroffen für die bestehenden Mietverhältnisse, um herauszufinden, wo sind denn angespannte Wohnungsmärkte, genau das, wo wir auch die Mietpreisbremse angehen wollen.
Heinemann: Aber, Herr Pronold!
Pronold: Nein, Entschuldigung! Wir wollten genau dieselbe gesetzliche Regelung, die vorher Schwarz-Gelb dort für die bestehenden Mietverhältnisse angewandt hat, nun übernehmen für die Mietpreisbremse, und das funktioniert doch wunderbar. Und was ich nicht verstehe, warum das nicht funktionieren soll.
Heinemann: Nein, eben nicht! Da sagt zum Beispiel die CDU und das kann man in Brandenburg besichtigen, ein Land mit sehr viel Leerstand, dort gibt es immerhin 30 Kommunen, die trotzdem Kappungsgrenzen für laufende Mietverträge festgeschrieben haben. Das klingt ein bisschen nach Willkür?
Pronold: "Ich verstehe die Aufregung nicht"
Pronold: Ich traue unseren Kommunen und ich traue verantwortlichen Kommunalpolitikern und den Ländern zu, dass sie vernünftige Regelungen treffen können. Und wenn das so wäre, dann stelle ich Ihnen eine Gegenfrage: Glauben Sie denn, dass, wenn ich auf entspannte Wohnungsmärkte gehe, die Mietpreisbremse, selbst wenn sie gilt, überhaupt eine Wirkung hat? Wenn es denn gar nicht zu solchen überhöhten Neuvertragsabschlüssen kommt, dann gibt es auch kein Anwendungsgebiet für die Mietpreisbremse, egal ob sie gilt oder nicht. Also ich verstehe die Aufregung nicht. Wir hätten ja auch eine Mietpreisbremse machen können, die für das Ganze Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt. Die Mietpreisbremse wird nur wirken in zehn Prozent der Wohnungsmärkte, dort wo wir eine angespannte Situation haben. Und wenn ich das mal aus Bayern sagen darf und die CSU loben darf – das kommt ja auch nicht oft vor.
Heinemann: Das stimmt.
Pronold: Dort haben wir die Regelung auch angewendet als Freistaat Bayern und von 1.000 Kommunen haben etwa 98 Kommunen sich dazu entschieden, das zu machen, und ich kann Ihnen sagen, da ist keine einzige dabei, wo es nicht zutrifft.
Heinemann: Um 6:54 Uhr und 30 Sekunden hat Florian Pronold die CSU gelobt. Das müssen wir festhalten. – Wird denn, Herr Pronold, die Mietpreisbremse garantiert auf fünf Jahre begrenzt, und zwar gesetzlich begrenzt?
Pronold: Das ist etwas, was im Koalitionsvertrag drinsteht, dass wir eine Begrenzung machen.
Heinemann: Auch im Gesetzentwurf?
Pronold: Das ist etwas, was wir derzeit mit den Koalitionsfraktionen insgesamt noch bereden, weil es auch aus Sicht der SPD eine Möglichkeit geben soll, dass Länder unter Umständen feststellen, wenn es längeren Bedarf gibt, diese Regelung noch einmal hier entsprechend zu verlängern. Aber das sind alles Punkte, die sind eigentlich gemessen an der Gesamtbedeutung der Mietpreisbremse, die alle Parteien im Übrigen wollten, also scheinbar die SPD ernsthaft und andere weniger ernsthaft, aber sie stand in allen drei Wahlprogrammen und wir reden jetzt, wie in jedem Gesetzgebungsverfahren, über ein paar kleine Regelungen. Da werden wir uns einig werden, auch in der Großen Koalition, und dann wird die Mietpreisbremse kommen und damit ein Stück weit mehr dazu beitragen, dass Mietentwicklungen gedämpft werden in angespannten Wohnungsmärkten. Da bin ich mir sehr sicher.
Heinemann: Die Grünen sagen, es müsse zunächst einmal überhaupt erst mal klar festgelegt werden, wie bundesweit ortsübliche Mieten überhaupt definiert und verlässliche Mietspiegel erstellt werden. Wären das nicht noch schöne Hausaufgaben für Herrn Maas?
"Kein Grund, die Mietpreisbremse auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben"
Pronold: Wir haben auch in dem Koalitionsvertrag zum Beispiel festgelegt, dass wir die Mietpreisspiegel genauer wirken lassen wollen oder schärfer formulieren wollen. Sie haben heute völlig unterschiedliche Qualitäten von Mietpreisspiegeln vor Ort. Das werden Sie aber auf die Kürze der Zeit nicht verändern, sondern wenn Sie das angehen wollen, dann, glaube ich, würde man die Mietpreisbremse auf in drei, vier, fünf Jahren verschieben. Das ist das Ergebnis der Forderung der Grünen.
Ich sehe das nicht so, weil Sie heute nicht nur zur Ermittlung von Vergleichsmieten nach dem bestehenden Recht die Mietpreisspiegel haben - es gibt große Städte, die haben überhaupt keinen Mietpreisspiegel, zum Beispiel Ingolstadt -, sondern es gibt auch die Möglichkeit, ortsübliche Vergleichsmieten dadurch festzustellen, dass man vergleichbare Wohnungen, drei Stück hat. Auch damit kann man das nachweisen. Das ist im bisherigen Recht auch schon möglich. Und das ist jetzt kein Grund, hier die Mietpreisbremse auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben, weil unterschiedliche Qualitäten von Mietpreisspiegeln vor Ort vorliegen.
Heinemann: Also Schnelligkeit vor Gründlichkeit?
"Ich will zum Schluss vergleichbare Mitpreisspiegel haben"
Pronold: Nein! Das eine hat erst einmal nicht unmittelbar mit dem anderen etwas zu tun, sondern Sie haben das ja in vielen Bereichen, dass Sie hier völlig unterschiedliche Auffassungen haben, was zum Beispiel in einem Mietpreisspiegel geregelt werden soll. Sind energetisch sanierte Wohnungen zum Beispiel heute sauber im Mietpreisspiegel abgebildet? Im Regelfall nicht, in manchen Städten schon. Das ist aber auch ein Stück weit kommunale Eigenverantwortung und ich will als Bundesgesetzgeber bei aller Liebe nicht regeln, was alles vor Ort in der Stadt XY im Mietpreisspiegel steht, sondern ich will zum Schluss vergleichbare Mietpreisspiegel haben, und da haben wir, weil wir auch in den Koalitionsverhandlungen gesehen haben, dass das eine komplizierte Materie ist, die hoch umstritten ist, uns mehr Zeit gegeben, diesen Part zu regeln.
Aber das ist nicht eine zwingende Voraussetzung dafür, dass die Mietpreisbremse kommt, weil Sie heute schon im bestehenden Recht eine ganze Menge Regulierungen haben, in bestehenden Mietverhältnissen auf Basis der jetzigen Mietpreisspiegel.
Heinemann: Florian Pronold (SPD), Staatssekretär im Bundesumwelt- und Bauministerium. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Pronold: Ich bedanke mich ebenfalls.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.