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Trotz Kulturhauptstadtjahr
Leben wie früher, als Zypern noch ungeteilt war

Die Welt ist aktuell zu Gast in der Hafenstadt Paphos auf Zypern, einer der beiden europäischen Kulturhauptstädte 2017. Doch inmitten des Trubels lebt ein Chefkoch standhaft ein Leben wie vor der Teilung der Insel. Als Christen und Moslems bei ihm noch gemeinsam Schweinefleisch aßen.

Von Marianthi Milona |
    Ein Feuerschlucker bei der Eröffnungsfeier zum Start ins Kulturhauptstadt-Jahr am 28.01.2017 in Paphos (Zypern).
    Im Jahr 2017 nach Christus ist ganz Paphos vom Kulturhauptstadt-Trubel besetzt. Ganz Paphos? Nein. Ein Chefkoch in dem zyprischen Hafenstädtchen lebt unbeirrt sein Leben weiter wie damals, in der guten alten Zeit (dpa/Harald Claessen)
    "Wir sind stolz auf die Initiative der Berliner Philharmoniker und der deutschen Botschaft auf Zypern. Es spielen heute im Jugendorchester griechische und türkische Musiker aus beiden Teilen der Insel. Wir freuen uns sehr, sie gemeinsam zu erleben."
    Der deutsche Botschafter Zyperns Nikolai van Schoepf bei seiner Begrüßungsrede auf dem Vorplatz des bekannten Hafenkastells von Paphos. Das Konzert des Jugendorchesters der Berliner Philharmoniker ist nur ein Programmpunkt von vielen, die der kleine Küstenort Paphos im griechischen Teil Zyperns im Jahr der Kultur geplant hat. Dabei haben die Organisatoren den Fokus auf Wiedervereinigung gelegt. Die Projekte, Aufführungen und Konzerte sollten vorwiegend Gemeinschaftsprojekte sein, zwischen der griechischen und der türkischen Gemeinde auf der geteilten Insel. Die künstlerische Leiterin von Paphos 2017 Georgia Dötzer erklärt, warum das für Paphos so wichtig ist:
    "Weil hier in Paphos es eine sehr große Gegend gibt, die sehr viele Türken-Zyprioten als Einwohner hatte. Es ist eine Gegend, die uns auch philosophisch und soziologisch sehr nahe liegt. Und wir haben versucht in dieser Region sehr viele Aktionen zu entwickeln, um die Leute von beiden Seiten dazu einzuladen, daran teilzunehmen."
    Bis 1975 gab nur ein Hotel, dann kamen die Touristen
    So treffen sich bei einer Gemeinschaftsausstellung ein türkischer und ein griechischer Zyprer, beide sind Bildhauer und präsentieren Werke aus Metall und Stein. An einem anderen Ort kommen für ein psychologisches Seminar Bürger aus dem Ost- und dem Westteil Zyperns zusammen. Sie wollen damit ihre Solidarität zum Ausdruck bringen und Vorurteile abbauen, erklären sie. Doch parallel zu den glanzvollen Projekten des Kulturfestivalprogramms, kämpft auch ein alter Zyprer in Paphos einsam, um den Erhalt der Traditionen:
    "Paphos war ein kleines Nest. Jeder kannte jeden. Hier am Hafen begrüßte man sich gegenseitig. Heute kennst du hier niemanden mehr. Der Ort erlebte Tourismus erst nach 1975, nach der Teilung der Insel also, als die ersten großen Hotels hier gebaut wurden. Vorher hat es hier nur ein einziges Hotel gegeben."
    Das erzählt der 73-jährige Andreas Nikolaou, während er durch das Hafenviertel von Paphos schlendert. Das letzte Mal ist er vor drei Jahren hier unten gewesen. Und das, obwohl der kleine dünne Mann mit grauem Haar und schelmischen Blick der erste Gastronom vom Paphos-Hafen war. 40 Jahre ist das jetzt schon her. Deshalb glaubt er niemand im Hafen mehr zu kennen.
    "Hallo Andreas, mein Lieber! Wie geht es dir?"
    Dann trifft der gestandene Gastronom doch noch zufällig auf einen Bekannten.
    "Ich gebe ein Interview für Deutschland."
    "Ach, wie schön!"
    Der Mann freut sich Andreas Nikolaou nach so langer Zeit wieder zu sehen. Dann wendet er sich zu mir. Andreas ist für Paphos und für die Geschäftswelt hier wie eine Mutter, sagt er. Vor ihm habe es hier nichts gegeben! Andreas Nikolaou strahlt über beide Ohren, als er den alten Freund so sprechen hört.
    "Hier wurden damals zyprische Rosinen exportiert"
    Als er dann am Vorplatz des Hafenkastells ankommt, dort, wo vor einem Tag noch das Jugendorchester der Berliner Philharmoniker zu hören war, verdüstert sich auf einmal der Blick des alten Zyprers.
    "Diesen Platz hier, den gab es früher nicht. Hier stand nur eine Mole, circa fünf Meter lang. Davor war das Meer und hinter der Mole befanden sich die hölzernen Lagerhallen. Hier, wo wir jetzt stehen, wurden damals zyprische Rosinen exportiert."
    Der geschäftstüchtige Andreas Nikolaou kennt alle Geschichten im Hafens von Paphos. Bis 1982 stand dort sein eigenes Restaurant. Und dort gab es immer nur die typisch zyprischen Vorspeisen. Doch nach der Inselteilung, als es ihm, wie er es formuliert, zu bunt wurde und sich nach und nach immer mehr Hotels und Touristen in Paphos etablierten, zog sich der ausgebildete Chefkoch in die Oberstadt von Paphos zurück:
    "Ich sagte mir: Nicht ich folge den Gästen, aber die Gäste folgen mir."
    An einer großen Straße der Oberstadt von Paphos, hinter einer Gartenlaube besuche ich den Gastronom Nikolaou in seiner typisch zyprischen Taverne. Das Lokal besteht aus zwei kleinen Räumen und einer Küche. In einer winzigen verglasten Kammer zum Garten hin, bereitet er den Grill für den Abend vor. Dann geht es weiter in die Küche:
    "Heute mache ich Scheftalia. Das ist eines der traditionellen zyprischen Gerichte. Den Teig habe ich schon fertig. Hier ist die Schweinefetthaut. Das isst du doch oder? - Was? Du magst kein Schweinefleisch? Das musst du aber probieren, das gibt es in Griechenland doch nicht. Scheftalia gehört zu den türkischen Esstraditionen Zyperns und ich möchte dies auch weiterhin im Westteil der Insel anbieten. Mein Teig besteht aus Schweinehackfleisch, Zwiebeln, feingehackter Petersilie, Zimt, ein Schuss Olivenöl und schwarzer Pfeffer. Und das wurde früher von Moslems und Christen gegessen. Der Teig wird in kleinen Einheiten aufgeteilt und dann in die Schweinefetthaut eingewickelt, damit es fest bleibt. Das Fett gibt dem Ganzen beim Grillen einen besonderen Geschmack."
    Puzzle von Erinnerungen, alten Gewohnheiten und Pflichten
    Während der zyprische Chefkoch noch weiter grübelt, warum ich sein Fleischgericht nicht essen mag, werfe ich einen Blick in die Innenräume seiner Taverne. Die Ausstattung erinnert eher an ein traditionelles zyprisches Haus. Alte Küchengeräte und Behälter hängen an der Wand. Dazu schmücken den Innenraum traditionelle gewebte Decken, diverse Wandteppiche und alte Fotografien. Auf einem großen eingerahmten Foto ist sein altes Restaurant zu erkennen, wie es noch ganz einsam im Hafen von Paphos stand. Der fleißige zyprische Koch empfängt bis heute Kunden, die sich an diese Zeit gut zurück erinnern können:
    "Ich habe Stammgäste aus England und Deutschland. Die kommen nur meinetwegen. Ich schätze dabei besonders den deutschen Gast. Er bevorzugt unsere zyprischen Vorspeisen. Und im Gegensatz zu den Briten, weiß er sie zu genießen. Er nimmt sich die Zeit dafür, so wie wir das auch machen. Man muss alles sehr langsam essen. Und das kann er. Er trinkt zwischendurch seinen Schnaps und macht dann weiter. Und das finde ich großartig."
    Im Schatten der Kulturhauptstadt Paphos lebt der erfahrene Gastronom Andreas Nikolaou ein Leben, wie in alten Zeiten weiter fort. Sein Alltag besteht aus einem Puzzle von Erinnerungen, alten Gewohnheiten und Pflichten. Das ergibt ein anderes Bild, als das, was die moderne touristische Paphos-Stadt ihren Gästen heute zu bieten hat.
    Ein Leben wie früher, als Zypern noch ungeteilt war
    Andreas Nikolaou leistet seinen eigenen Beitrag zur Kulturhauptstadt. Ein Leben, ungeschminkt und klassisch, so wie es das in Paphos gab, als die Insel Zypern noch nicht geteilt war. In seiner Taverne scheint die Zeit, wie stehen geblieben. Dort lebt ein Stück altes Zypern weiter fort. Und das will Andreas Nikolaou so lange es geht erhalten:
    "Ich fühle mich heute, wie ein Fremder in meiner Heimat. Weil hier einfach nur noch wenig Zyprisches zu finden ist. Deshalb hoffe ich, dass der Titel der Kulturhauptstadt uns sensibilisiert und uns ermöglicht, das echte Zyprische wieder aufzubauen. Bestehend aus beiden Kulturen, der türkischen und der griechischen. So wie es früher gewesen ist. Meine Taverne soll ein solcher Ort der Begegnung sein. Ich bin ein Lokalpatriot und ein überzeugter Zyprer und ich erkenne, dass ohne beide Seiten die echte zyprische Kultur sehr bald verschwunden sein wird."