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Trotz Missbrauchsvorwürfen
Trump hält an Kavanaugh fest

US-Präsident Donald Trump hat seinem Kandidaten für das Oberste Gericht der USA, Brett Kavanaugh, per Twitter das Vertrauen ausgesprochen. Zuvor hatte dieser bei einer Anhörung im Senat den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung zurückgewiesen. Auch seine Anklägerin Christine Blasey Ford hatte dort ausgesagt.

Von Thilo Kößler |
    Der Kandidat für den Oberstern Gerichtshof der USA, Richter Brett Kavanaugh, bei der Anhörung im Justizausschuss des Senats zu den Vorwürfen der versuchten Vergewaltigung
    Der Kandidat für den Oberstern Gerichtshof der USA, Richter Brett Kavanaugh, bei der Anhörung im Justizausschuss des Senats zu den Vorwürfen der versuchten Vergewaltigung (The Washington Post Consolidated)
    Die Anhörung war gerade einmal einen Wimpernschlag vorbei, da gab der Präsident via Twitter sein Urteil ab: "Kraftvoll, ehrlich, fesselnd", sei die Aussage seines Kandidaten Kavanaugh gewesen, ließ Trump wissen. Kavanaugh habe Amerika gezeigt, weshalb er ihn nominiert nominiert habe. Der Senat solle jetzt über seine Ernennung zum Richter im Supreme Court abstimmen. Der Justizausschuss will schon an diesem Freitag sein Votum für den Senat abgeben.
    Bewegende Erklärung von Christine Blasey Ford
    Vorausgegangen war diesem Plädoyer des Präsidenten ein verzweifelter Kampf um die Glaubwürdigkeit – auf Seiten des Opfers, das bis heute mit dem Trauma einer versuchten Vergewaltigung vor 36 Jahren zu kämpfen hat. Und auf Seiten des angeblichen Täters, der nicht nur um seine Berufung zum Richter im Supreme Court kämpfen musste, sondern auch um seinen Ruf in der Öffentlichkeit, im Bekanntenkreis, in der Familie. Dahinter steckt ein erbitterter politischer Kampf zwischen Republikanern und Demokraten, die den Keil der Spaltung immer tiefer in die politisch zutiefst polarisierte amerikanische Gesellschaft treiben.
    Mit einer bewegenden Erklärung hatte Christine Blasey Ford die Anhörung eröffnet. Die Psychologie-Professorin, heute 51 Jahre alt, ist sichtlich aufgeregt, angespannt, sie wirkt erschöpft. Sie beschuldigt Brett Kavanaugh, auf einer Schülerparty 1982 im betrunkenen Zustand versucht zu haben, sie zu vergewaltigen. Sie sei nicht hier, weil sie das wolle, sondern weil sie es für ihr Bürgerpflicht halte, die Wahrheit zu sagen. Sie habe Angst, sagt sie unter Tränen.
    Christine Blasey Ford kann sich an viele Details nicht mehr erinnern – aber sie schildert, wie sich Kavanaugh über sie geworfen habe und ihr den Mund zuhielt, als sie schreien wollte. Sie habe befürchtet, dass er sie unabsichtlich umbringen werde, sagt sie unter Tränen aus. Ob es sich nicht um eine Verwechslung handeln könne, wird Ford gefragt. Ausgeschlossen, sagt sie: "Absolutely not."
    Das Bild zeigt Christine Blasey Ford vor ihrer Anhörung im US-Senat. Sie hebt die rechte Hand zum Schwur. 
    Christine Blasey Ford vor ihrer Anhörung im US-Senat (dpa-bildfunk / AP / Andrew Harnik)
    Kavanaugh: "Politischer Zirkus"
    Warum sie sich erst jetzt an die Öffentlichkeit wandte, will ein Senator wissen. Weil die Nominierung Kavanaughs sie wie ein Blitzschlag getroffen habe, gibt sie zur Antwort – ein Flashback in ihr Trauma.
    Die Zuhörer im Saal sind berührt – auch republikanische Senatoren attestieren Christine Blasey Ford ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Die Belastung für Brett Kavanaugh muss durch ihre Aussage noch unerträglicher geworden sein. Als er in den Saal geleitet wird, macht Kavanaugh einen angegriffenen Eindruck. Zunächst erleben die Senatoren einen wütenden, einen empörten Kandidaten: Er nennt das Berufungsverfahren einen politischen Zirkus und spricht von einer nationalen Schande.
    Kavanaugh schildert seine Verdienste als Jurist. Seine Rolle als Familienvater. Seine bis dato makellose Biographie. Dann schlägt die Empörung in Verzweiflung um – Kavanaugh kämpft mit den Tränen, mit großen Schlucken aus der Wasserflasche versucht er, sie zu unterdrücken. Schließlich setzt er zum Schwur an: Er wünsche seiner Anklägerin nichts Böses. Aber er sei unschuldig. Er habe sich niemals in seinem Leben eines sexuellen Vergehens schuldig gemacht.
    Zwei verletzte Menschen vor einem Millionenpublikum
    In dieser Anhörung wurden zwei zutiefst verletzte und beschädigte Menschen einem Millionenpublikum ausgesetzt. Und dies vor dem Hintergrund einer erbitterten Auseinandersetzung um die Besetzung des Richterpostens und damit um die künftige Ausrichtung des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten. Dem Republikaner Lindsey Graham platzte der Kragen: Wenn Kavanaugh ein faires Verfahren erwartet hatte, müsse er ihn enttäuschen: "Falsche Stadt. Falscher Zeitpunkt, mein Freund", so Graham wütend: Unmittelbar vor den Zwischenwahlen im November tobt der Wahlkampf in den USA.
    Senator John Cornyn aus Texas – auch er ein Republikaner - fühlte sich an die politischen Deformationen der McCarthy-Zeit erinnert, als Menschen in den frühen 1950er Jahren öffentlich politischen Gewissensprüfungen unterzogen wurden. Wie damals habe man auch heute jeglichen politischen Anstand vermissen lassen.
    FBI-Untersuchung verhindert
    Dieses Verfahren hat jedoch nicht nur bei den unmittelbar Beteiligten Wunden geschlagen. Die Demokraten müssen sich fragen lassen, ob wahltaktische Motive dafür ausschlaggebend waren, die Vorwürfe gegen Brett Kavanaugh so lange zurückzuhalten, bis sie unmittelbar vor der Abstimmung zum politischen Skandal eskalierten.
    Und die Republikaner müssen sich fragen lassen, weshalb sie eine Untersuchung der strafbewehrten Vorwürfe durch das FBI verhinderten – sie hätten damit beiden, Christine Blasey Ford und Brett Kavanaugh, diese peinliche Befragung zu Sexualverhalten oder Alkoholkonsum vor einem Millionenpublikum ersparen können. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die hauchdünne Mehrheit der Republikaner im Senat wirklich geschlossen für Kavanaugh stimmt.