Berufsverkehr auf der Limuru Road in Nairobi. Zwischen den Autos und Minibussen wandert eine junge Frau im Business-Outfit auf und ab. Schwarzer Rock, pinke Bluse, schicke Handtasche
Weniger elegant ist das große Plakat in ihrer Hand: Bitte geben Sie mir einen Job, steht in fetten schwarzen Buchstaben darauf. Dazu ein Foto, ihre Handynummer und ihr Universitätsabschluss in Wirtschaftswissenschaften.
Mehr als 500 Bewerbungen hat Rakiel Kaoka verschickt. Alle vergeblich. Die Plakataktion auf der Straße ist der letzte verzweifelte Versuch, einen Arbeitgeber zu finden. "Der erste Tag war schwer. Ich hab gedacht: 'Was werden die Leute über mich sagen?' Und dann das Plakat den ganzen Tag rumschleppen, ohne Essen, ohne Wasser. Aber ich hab’s überstanden", sagt Rakiel Kaoka.
Wirtschafts- und Sozialpolitik muss stimmen
Rund 200 Millionen junge Leute wie Rakiel Kaoka zwischen 15 und 24 Jahren leben auf dem afrikanischen Kontinent. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts werden es fast doppelt so viele sein. Jede Menge junge Arbeitskräfte sind eine Riesenchance, so Roger Nord, der stellvertretende Afrika-Direktor des Internationalen Währungsfonds: "Vorausgesetzt, die Wirtschafts- und Sozialpolitik stimmt, könnte im Jahr 2050 das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Subsahara-Afrika um die Hälfte höher liegen als ohne den Schub durch den demographischen Wandel.
Aber genau an dieser richtigen Wirtschafts- und Sozialpolitik fehlt es oft, klagt Mabutho Mthembu von der südafrikanischen Youth Managers Foundation: "Man würde sich wünschen, dass der demographische Wandel zu einem Gewinn führt. Aber so wie es zur Zeit aussieht, sitzen wir auf einer Zeitbombe. Denn die jungen Leute sind hungrig, ungebildet, und sie sind arbeitslos."
Betriebswirt hackt Holz
David Ng’etich beginnt seinen Arbeitstag um sechs Uhr morgens – mit Holzhacken. Der junge Mann aus Westkenia verdient seinen Lebensunterhalt mit der Herstellung von Holzkohle. Einen Sack kann er für 500 Shilling verkaufen. Das sind knapp fünf Euro
"Ich brauche einen Monat, bevor ich verkaufen kann. Vielleicht werde ich fünf Säcke los, das bringt 2.500 Shilling."
Nicht einmal 25 Euro im Monat. Gerade genug zum Überleben, aber ein mieses Einkommen für einen studierten Betriebswirt. Ein Studium ist teuer in Kenia. Davids Mutter hat das Geld irgendwie aufgebracht. "Meine jüngeren Geschwister leiden darunter, denn sie hat all ihre Mittel für mich aufgebraucht."
Rasanter Wirtschaftswachstum
Kenias Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren konstant um beeindruckende sechs Prozent gewachsen. Das Land ist die stärkste Volkswirtschaft in Ostafrika. Trotzdem hat es die höchste Jugendarbeitslosigkeit in der Region – über 20 Prozent. In ganz Afrika sucht jeder zweite junge Mensch vergeblich einen Job.
"Die jungen Leute kämpfen um die Lebensgrundlagen. Um Essen auf dem Tisch, ein Dach über dem Kopf, Bildung. Die Jugend auf dem Kontinent hat keinen Zugang zu diesen Dingen", so Gandhi Baai von der Sandi Zinnia Stiftung zur Förderung der afrikanischen Kultur und Leistungsfähigkeit. Korruption und Vetternwirtschaft sind ein Problem für den Nachwuchs, Armut und Unsicherheit in vielen Ländern, die schlechte Ausbildung
"Darauf läuft alles hinaus, auf die Bildung. Wir müssen Zentren aufbauen, in denen man Klempner werden kann, Elektriker, Handwerker. Wir müssen die Jugend mit diesen Fähigkeiten ausrüsten, damit sie sich selbst stark machen kann", fordert Rhobi Matiniyi von der Beratungsfirma Dalberg Global Development Advisors. Eine Berufsausbildung ist selten in Afrika, und selbst die Universitäten helfen den Studenten oft nicht weiter. Der kenianische Dozent Andrew Rasungu: "Sie machen vielleicht einen erstklassigen Abschluss, haben exzellente Studiennachweise, aber sie haben trotzdem keine verwendbaren Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt."
"Regierung sollte Jobs schaffen"
Wenn der überhaupt genügend Jobs hergibt. In Kenia drängen jedes Jahr 800.000 neue Bewerber auf den Arbeitsmarkt. Um die jungen Leute alle unterzubringen, müssten die Unternehmen viermal so viele neue Stellen schaffen wie bisher - konstant jedes Jahr. Keine Chance, sagt dieser Kleinunternehmer: "Ich mache die Regierung verantwortlich, die sollte Jobs schaffen. Ich kann das nicht für jeden tun, sondern gerade mal für mich selbst."
Unternehmensgründer und potentielle Investoren brauchen Startkapital, eine sichere Wasser- und Stromversorgung, gute Straßen für den Warentransport, vernünftig ausgebildete Mitarbeiter. Kenia investiert kräftig in diese Bereiche, wie viele andere Länder auf dem Kontinent. "Aber", so Rhobi Matiniyi, "ich glaube nicht, dass die Geschwindigkeit dieser Aktivitäten dem Problem gerecht wird. Jedes Jahr drängen elf Millionen Jugendliche auf dem Kontinent auf den Arbeitsmarkt, aber es gibt nur drei Millionen Stellenangebote. Wir tun etwas, aber wir müssen das Tempo erhöhen."
Wenn die jungen Leute Afrikas rosige Zukunft sein sollen, brauchen sie selbst erst einmal eine Zukunft. Und davon sind viele weit entfernt. Tabitha Wanjiru verdient ein winziges Einkommen als Hausiererin, statt in ihrem Beruf als Soziologin zu arbeiten. "Es war frustrierend, nach Jobs zu suchen. Ich habe total versagt, Geld zu verdienen, und musste zurück zu meinen Eltern, damit die mich unterstützen. Aber ich habe immer noch Hoffnung und bewerbe mich weiter um eine Stelle."