Eine innerhalb Syriens geflüchtete Frau berichtet in einem kurzen Filmbeitrag über ihre verzweifelte Situation. Das Video kann man sehen auf der Seite von "TRT Deutsch". Die Website ist seit Mitte Januar online und ist noch im Aufbau. Die Redaktion soll von Berlin-Mitte aus - im Haus der Bundespressekonferenz – Nachrichten über Deutschland und die Welt aufbereiten.
Chefredakteur ist Kaan Elbir, ein Deutsch-Türke, der bislang für die regierungsnahe internationale Zeitung "Daily Sabah" geschrieben hat. Ihm und seiner Redaktion gehe es vor allem um deutsche und europäische Themen, über die seiner Ansicht nach in anderen Medien nur unzureichend berichtet werde: "Dabei positioniert sich 'TRT Deutsch' ganz klar gegen Islamfeindlichkeit und gegen jede Art von Rassismus. (….) Wir wollen dadurch ein Sprachrohr für die Probleme von Minderheiten und sozial Benachteiligten sein. Kulturelle Vielfalt und Meinungsdiversität betrachten wir dabei als Bereicherung."
Elbir spricht von den "Helden des Alltags", die er porträtieren will, gesellschaftliche Themen, die über den Tellerrand der Medien hierzulande hinausreichen. Als Beispiel nennt Elbir die Geschichte eines syrischen Falafel-Verkäufers in Istanbul: "Er kam als Flüchtling in die Türkei, konnte sich später eine Imbissbude aufbauen und verteilt nun jeden Tag Essen an Bedürftige und Straßentiere. Manche kaufen bei ihm eine Falafel, bezahlen aber dafür zwei, drei oder fünf. Und mit derartigen Geschichten kann man zum Beispiel Flüchtlinge aus einer ganz anderen Perspektive zeigen."
Keine Verfälschungen wahrgenommen
Doch die Frage bleibt: Sind derartig harmlose Geschichten alles, was TRT zeigen will? Bislang sind die allermeisten Texte von der Deutschen Presseagentur, türkische Themen fast immer von Anadolu, der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur. Für welche Inhalte, welches Selbstverständnis steht "TRT Deutsch" nun? Nachfrage bei Erkan Arikan, dem Leiter der türkischen Redaktion der Deutschen Welle. Krasse Fälle von Verfälschungen, wie beim russischen Propagandakanal Russia Today habe er nicht wahrgenommen, sagt Arikan.
"Also das, was ich bis dato von 'TRT Deutsch' gelesen habe, kann ich nicht bestätigen, dass solche Fake News gemacht werden und das traue ich - ehrlich gesagt - auch TRT in dem Sinne nicht zu. Dafür sind die Kollegen zu sehr angespannt, weil sie wissen, dass andere enorm den Fokus auf sie hätten oder sich die Nachrichten von denen ganz besonders anschauen, also so was wird mit Sicherheit nicht der Fall sein, aber was die Schärfe oder die sprichwörtliche Unschärfe angeht, das ist im Auge des Betrachters."
Von Rechtsradikalismus bis zur Kopftuchdebatte
Wobei selbst bei aktuellen Themen, wie dem Syrien-Einsatz der türkischen Armee oder der Flüchtlingsfrage, bisher noch kein allzu scharfer Ton zu lesen war. Wichtiger scheinen der Redaktion Themen wie "Islamophobie" und dessen Gegenteil – etwa wenn sich eine IKEA-Filiale in der Schweiz schützend vor eine muslimische Mitarbeiterin stellt, ist das "TRT Deutsch" einen kurzen Film und einen Bericht wert. Das sei plausibel, meint Erkan Arikan, das Thema "Islamophobie" sei Lesern sowohl in der Türkei als auch in Deutschland wichtig:
"Solange TRT das in einer moderaten Art und Weise, wie es im Journalismus üblich ist, auch macht und nichts verfälscht, ist das Thema ein ganz normales Thema, wie jedes andere Thema auch."
"TRT Deutsch" will ganz offensichtlich Diskurse aufgreifen und weiterführen, etwa wenn es um Rechtsradikalismus oder die Kopftuchdebatte geht. Heikle Themen, wie etwa die Unterdrückung von Kritikern und Oppositionellen in der Türkei, werden klein gehalten oder gar nicht erwähnt. Das könnte sich bei nächster Gelegenheit vielleicht ändern – und dann wird klarer sein, welche Position "TRT Deutsch" bezieht, und inwieweit Erdogan-freundliche Positionen verteidigt werden.
Stimme aus dem Erdogan-freundlichen Lager
Fest steht, dass beispielsweise im Meinungsressort eine Reihe von AKP-nahen Autoren schreiben. Chefredakteur Kaan Elbir betont: "Wir werden aber auch über Ereignisse in der Türkei dann berichten, sofern diese von Relevanz sind. Dass wir aber mit derartigen Vorwürfen konfrontiert werden, war uns schon im Vorfeld klar. Aber da reicht ein kurzer Blick auf unsere Website, dass wir weder ein Propagandablatt oder ein Sprachrohr der türkischen Regierung sind."
Deutsche-Welle-Journalist Erkan Arikan stellt fest, dass es im Hinblick auf die Berichterstattung über die Türkei bei vielen Nutzern ein starkes Bedürfnis nach alternativen Sichtweisen und Beiträgen gebe, die nicht in den türkischen Medien vorkommen. Beispielsweise, wenn es um Künstler, Oppositionelle oder Angehörige LGBT-Community gehe. Der vor einem Jahr gestartete türkische YouTube-Kanal "+90" der Deutschen Welle, der sich an jüngere Zuschauer richtet, hat jedenfalls satte Steigerungsraten, einzelne Videos werden über eine Million mal abgerufen.
"TRT Deutsch" ist, so sieht es bisher aus, in jedem Fall eine neue mediale Stimme aus dem Erdogan-freundlichen Lager im Kampf um die Deutungshoheit.