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Trügerische Idylle

In über zwei Jahrzehnten blühte der ehemalige Todesstreifen zum Grünen Band auf – einem Refugium für Tiere und Pflanzen. Doch in etlichen Teilstücken liegen noch Minen verborgen, wie jetzt ein Gutachten des thüringischen Umweltministeriums zeigt.

Von Carolin Hoffrogge |
    "Wir stehen an der Brehme, einem kleinen Flüsschen, das auch durch Duderstadt verläuft, unmittelbar auf dem Kolonnenweg und schauen von hier in den Westen über das Grüne Band. Hier sind es circa 40 Meter Breite."

    Holger Keil schaut über die wunderschöne Auenlandschaft mit Weiden, Birken und Schlehensträuchern. Forstwirt Keil kümmert sich für die Heinz Sielmann Stiftung um 130 Kilometer Grünes Band entlang der südniedersächsischen und nordthüringischen Grenze. Der ehemalige Grenzstreifen ist durchschnittlich 100 Meter breit und zählt bundesweit zu dem bedeutendsten Biotopverbundsystem.

    "Das war übrigens eine Wasseramsel, die da gerade angekommen ist, also ein Aha-Effekt heute. Die traut sich auch nicht unter die Brücke, weil wir hier stehen, ich weiß auch wo sie brütet. Die Wasseramsel ist ja auf sehr klares, sauberes Wasser angewiesen, das ist jetzt ein sehr schönes Zeichen für die Wasserqualität der Brehme. Die muss schon fantastisch sein, damit die Wasseramsel einen Brutversuch unternimmt."

    Spaziergänger, Wanderer, Jogger, Pilzsammler, Radfahrer: sie alle können am Grünen Band Tierarten beobachten, die sonst kaum noch vorkommen.

    "Wir sagen da immer Charakterarten des Grünen Bandes zu. Das ist das Braunkehlchen und das Schwarzkehlchen, was bundesweit eigentlich kaum solche Lebensräume findet. Dann zwei Vogelarten mit makaberen Namen, der Neuntöter und der Raubwürger. Oftmals sind es am Grünen Band sogenannte Ansatzjäger, die die Fläche überblicken und da jagen können."

    So schön wie die Natur hier auch grünt, blüht und gedeiht: Auf dem ehemaligen Grenzstreifen gibt es nach wie vor Minen. Das haben Gutachter des thüringischen Umweltministeriums jetzt herausgefunden. Holger Keil:

    "Weil es 2010 noch mal in Südthüringen einen Minenfund gab, dass heißt Spaziergänger haben da ein kleines rundes schwarzes Kästchen gefunden. Das war tatsächlich eine noch so eine alte Antipersonenmine, auch noch scharf. Wir stehen ja hier in einer Aue, die hin und wieder mal überschwemmt wird. Das war auch zu DDR Zeit genauso, dass heißt also, das größere Schlammmassen über so eine Antipersonenmine drüber gekommen sind, sich tiefer in den Boden verlagert hat oder sogar abgeschwemmt worden ist."

    Zudem stimmen die Protokolle oftmals nicht überein, sagt Holger Keil. Keiner weiß so genau, ob es nun achtzehn Tausend oder sogar dreiunddreißig Tausend Minen sind, die noch im ehemaligen Grenzgebiet, dem Grünen Band liegen , sagt Georg Baumert vom Grenzlandmuseum Eichsfeld in Teistungen. Die Minen, die jetzt an zweiundvierzig Stellen im Grünen Band in Thüringen und Südniedersachsen vermutet werden, beschreibt Baumert so:

    "Es gibt zwei Typen, die überhaupt noch in Frage kommen. Man spricht hier umgangssprachlich von Tellerminen, wenn man so will sehen die aus wie kleine fliegende Untertassen, vielleicht 16 Zentimeter Durchmesser. Oder die aussehen wie Dosen mit so einem Schraubverschluss an der Seite. Wenn man drauf tritt würde sie explodieren."

    Diese Explosionsgefahr hatte Frank Dornieden bisher verdrängt. Der Mittfünfziger kommt joggend den ehemaligen Grenzstreifen entlang. Völlig aus der Puste ist der Polizist selbst verwundert, wie unbedacht er bisher war.
    "Ich bleibe beim Joggen auf den Wegen, anders ist es bei der Jagd, da war man in den letzten Jahren doch relativ unbedarft. Man braucht es ja nur im Ausland sehen, minenfrei ist nie 100 Prozent, hat man es verdrängt und sich jagdlich in diesen Bereichen aufgehalten. Da wo Erosion ist werde ich den Bereich jetzt meiden."

    Sollten Ausflügler entlang des Grünen Bandes doch einmal einen unbekannten Gegenstand finden, könnte es eine Mine sein, so Georg Baumert. Also Finger weg und sofort die Polizei anrufen.
    Führt Forstwirt Baumert Wandergruppen über das Grüne Band zwischen Niedersachsen und Thüringen gibt er ihnen immer einen Tipp:

    "Ganz einfach: immer auf den Wegen bleiben. Der Kolonnenweg ist ja nie vermint worden, wir reden hier des Weiteren von einem Naturschutzgebiet, da ist dann eh das Wegegebot gegeben, da sollte man nicht von den Wegen runter gehen. Wer sich daran hält, der läuft nicht Gefahr, dass da was passiert kann."

    Zur Zeit stellen Holger Keil und seine Kollegen an den zweiundvierzig betroffenen Stellen in Thüringen und Südniedersachsen insgesamt 170 Minen-Warnschilder auf. Zudem prüft das thüringische Umweltministerium, ob eine Nachsuche unternommen wird. Wie viel Erfolg die Minensuche entlang des Grünen Bandes in den anderen Bundesländern hatte, ist zur Zeit noch nicht bekannt.