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Trügerische Sicherheit

Der Schaden, den die Jahrhundertflut 2002 angerichtet hat, wird auf rund 8,9 Milliarden Euro geschätzt. Doch welche Konsequenzen wurden daraus gezogen? Seit dem Frühjahr dieses Jahres gibt es immerhin ein neues Gesetz zur Vorbeugung gegen Hochwasserschäden. Dieses schreibt zum Beispiel Flutpolder in gefährdeten Gebieten vor. Doch reichen all diese Maßnahmen aus?

Von Dieter Nürnberger | 09.08.2005
    Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND, zieht eher eine bescheidene Bilanz der Bundesregierung beim Versprechen eines umfangreichen Hochwasserschutzes. Die Lehren aus der Jahrhundertflut 2002 seien nicht konsequent genug gezogen worden, der Hochwasserschutz sei weiterhin unzureichend – so fasst die Umweltschutzorganisation ihr Fazit zusammen.

    Und weiterhin würden somit auch Fehler gemacht, die eigentlich längst bekannt sind - aber ohne ernsthafte Konsequenzen blieben. Und was sei nicht alles versprochen worden, als hochkarätige Politiker vor drei Jahren publikumswirksam Besserung gelobten – nur vieles davon sei heute längst vergessen. Und so kritisiert beispielsweise der Elbeexperte der Umweltorganisation, dass dem damals verkündeten Motto "Mehr Raum für unsere Flüsse" nur selten Taten folgten. Ganz im Gegenteil: Ein technischer Hochwasserschutz gehe weiterhin vor naturnahen Lösungen, sagt Ernst-Paul Dörfler:

    "Es wurden sehr hohe Investitionen getätigt – in die Schadensbeseitigung, in die Reparatur und Befestigung bestehender Deiche. Also in Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes. Und mit diesen Maßnahmen wurden die bestehenden Abwehrstellungen verstärkt. Und damit ein Gefühl der Sicherheit vor Hochwasserkatastrophen vermittelt. Es ist allerdings eine trügerische Sicherheit. Und zwar deshalb, weil ein vergleichbares Niederschlagsereignis wie 2002 heute – nach der erfolgten Deichverstärkung – zu noch höheren Hochwasserständen führen würde. "

    Und deshalb passiere derzeit wieder das, was eigentlich nicht mehr passieren dürfte, sagt der BUND. Nämlich, dass Wasser-, Schifffahrts- und auch Baubehörden weiterhin an vielen Stellen naturnahe Überschwemmungsflächen versiegeln lassen. Oder auch, dass die Flussbetten vertieft oder die Ufer befestigt würden.

    Und die Genehmigungsbehörden würden dabei auch gesetzliche Vorgaben missachten oder zumindest die vorhandenen Ausnahmemöglichkeiten zu stark ausreizen. Es gebe beim Hochwasserschutz zwei Grundkonflikte – das seien einmal die Kommunen, die eben vor Ort Gesetze mit Leben füllen müssten, zum anderen sei aber auch die Landwirtschaft uneinsichtig, wenn es um deren Belange gehe. Mit fatalen Folgen, sagt der Donauexperte des BUND, Sebastian Schönauer:

    "Die Landwirtschaft meint immer noch, dass sie Privilegien, die sie gehabt und teilweise auch noch heute besitzt, weiterhin behalten muss. Konkret, dass sie ungestört mit dem Grundwasser und unseren Böden machen kann, was sie will. Dazu gehört eben auch ihr Einwirken beim Hochwasser. Ackerbauverbot in den Überschwemmungsgebieten, in unseren Auen, ist heute wichtig. Weil dadurch bei Missachtung natürlich sehr viele Schadstoffe eingeschwemmt werden, weil damit die Erosion bester Böden vonstatten geht, und weil dies auch im Hochwasserkatastrophenfall eine negative Sache ist. "

    Ein anderes Negativ-Beispiel aus der Sicht des BUND: Der Ausbau des Saale-Elbe-Kanals zu einer Art Wasserautobahn für Binnenschiffe - auch dies sei gestoppt worden. Ökologische Prinzipien müssten also stärker beachtet werden, so der BUND. Das heißt: Mehr Rückverlegungen von Deichen, mehr Renaturierung von Flüssen und Flussauen und ein Zurückdrängen der Flächenzersiedlung – das sind die Hauptforderungen der Umweltschützer. Man muss allerdings auch dazusagen: Dies waren auch die Forderungen vor drei Jahren, als das Wasser vielen sozusagen bis zum Hals stand.