Kein US-amerikanischer Ex-Präsident hatte jemals so weitreichende juristische Probleme wie Donald Trump. Er ist der erste ehemalige Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten, der in einem Strafprozess verurteilt wurde.
Doch ob seine demokratiefeindlichen Machenschaften schmerzhafte Folgen für ihn haben werden, ist derzeit unklar - denn der Supreme Court, das Oberste Gericht der USA, hat entschieden, dass ehemalige Präsidenten für offizielle Handlungen im Amt vor Strafverfolgung geschützt sind.
Außerdem hat Trump viele versierte und teure Anwälte engagiert, die es schaffen, die Prozesse gegen ihren Mandanten immer wieder zu verzögern. Sah es Anfang 2024 noch so aus, als würde das Jahr für Trump zu einem juristischen Spießrutenlauf werden, steht dieser derzeit nur noch bedingt juristisch unter Druck: Die Verkündung von Urteilen wurde immer wieder verschoben.
In welche Verfahren Trump verstrickt ist und wie sie ausgehen könnten - ein Überblick.
Inhalt
- Supreme Court: Trump zum Teil vor Strafverfolgung geschützt
- Anklage in Washington: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten von Amerika
- Georgia: Anklage wegen möglicher Wahlmanipulation
- Mitnahme geheimer Regierungsdokumente: Prozess in Miami eingestellt
- New York: Trump wegen Finanzbetrugs verurteilt
- New York: Schuldspruch im Schweigegeldprozess
- New York: Trump wegen sexuellen Übergriffs verurteilt
- Colorado: Rechtsstreit um die Teilnahme an Vorwahlen
- Welche Folgen eine Verurteilung von Trump haben könnte
- Was das Trump-Lager zu allen Verfahren sagt
Supreme Court: Trump zum Teil vor Strafverfolgung geschützt
Mit einer historischen Entscheidung zum Schutz vor Strafverfolgung ehemaliger US-Präsidenten hat der Supreme Court Donald Trumps Position in seinen zahlreichen Auseinandersetzungen mit der Justiz deutlich gestärkt.
Das Oberste Gericht der USA entschied, dass ehemalige Präsidenten bei offiziellen Handlungen Immunität genießen - definierte diese aber nicht. Damit muss nun eine untere Instanz herausfinden, für welche Handlungen Trump juristisch belangt werden kann und für welche nicht.
Der Beschluss des von rechtskonservativen Richtern dominierten Gerichts wird wesentliche Auswirkungen auf einige der Verfahren gegen Trump und auch immense Bedeutung für künftige Präsidenten haben. Erste Folge war die Verzögerung des Wahlbetrugsprozesses gegen Trump. Auch im sogenannten Schweigegeldprozess wurde die Verhängung des Strafmaßes verschoben.
Anklage in Washington: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten von Amerika
Dies ist wohl die schwerwiegendste Anklage gegen Donald Trump: Der ehemalige US-Präsident muss sich vor einem Bundesgericht wegen Versuchen der Einflussnahme auf das Ergebnis der Wahl 2020 und seine Rolle rund um den Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol verantworten. In der Anklageschrift wird Trump unter anderem Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten vorgeworfen.
Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Davor hatte Trump auf verschiedenen Ebenen versucht, das Ergebnis der Präsidentenwahl von 2020 zu kippen und seine Niederlage gegen Joe Biden umzukehren.
Die Pflichten des Präsidenten
Trumps Anwälte wollten erreichen, dass die Anklage in Washington fallen gelassen wird. Sie argumentierten, dass Trump nicht rechtlich für Taten belangt werden kann, die zu seinen Pflichten als Präsident gehörten. Damit scheiterten sie allerdings vor einem Berufungsgericht.
Zuvor hatte auch die zuständige Richterin in dem Fall das Argument zurückgewiesen. Trumps Anwälte reichten Berufung ein, der Fall landete vor dem Supreme Court. Dieser fällte dann ein historisches Urteil: Ehemalige Präsidenten sind demnach für offizielle Handlungen im Amt vor Strafverfolgung geschützt.
Der Prozess sollte ursprünglich am 4. März 2024 beginnen, doch das Verfahren wurde zwischenzeitlich - bis zum Supreme Court-Urteil - auf Eis gelegt. Danach musste Sonderermittler Jack Smith die Anklageschrift überarbeiten und sich mit den Trump-Anwälten über den weiteren Fahrplan streiten. Die zuständige Richterin kam zuletzt zu dem Schluss, dass es derzeit unmöglich sei, ein baldiges Datum für den Beginn des Prozesses festzulegen.
Georgia: Anklage wegen möglicher Wahlmanipulation
In Georgia muss sich Donald Trump wegen des Vorwurfs der Wahlbeeinflussung vor Gericht verantworten. Bei der Präsidentschaftswahl 2020 sollen Trump und sein Team versucht haben, das Ergebnis in dem Bundesstaat zu manipulieren.
So soll Trump Druck auf republikanische Parteifreunde, den Innenminister und den Wahlleiter von Georgia ausgeübt haben, die Stimmenauszählung zu seinen Gunsten zu verändern.
Das Besondere an diesem Verfahren: Selbst wenn Trump als Präsidentschaftskandidat der Republikaner die Wahl 2024 gewinnen sollte, könnte er sich nach einer Verurteilung in Georgia nicht selbst begnadigen, da es sich um einen Prozess auf Landes- und nicht auf Bundesebene handelt.
Trump musste zu Beginn des Verfahrens im Gefängnis von Atlanta erscheinen, wo ein Polizeifoto von ihm entstand, das berühmt wurde. Doch die Chefanklägerin in Georgia, Fanni Willis, geriet im weiteren Verlauf ins Schleudern, weil sie eine intime Beziehung zu einem der von ihr eingesetzten Ermittler hatte.
Die Trump-Anwälte setzen alles daran, dass sie von dem Fall abgezogen wird - und auch die Immunitäts-Entscheidung des Supreme Courts ragt in dieses Verfahren hinein. Das Ergebnis: Der für den 5. August 2024 geplante Prozessbeginn wurde bis auf Weiteres verschoben.
Georgia gehörte zu jenen Bundesstaaten, die für den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2020 eine Schlüsselrolle spielten. Joe Biden gewann dort nur knapp mit etwa 12.000 Stimmen Vorsprung.
Mitnahme geheimer Regierungsdokumente: Prozess in Miami eingestellt
Dieser Prozess wurde von der zuständigen Richterin Mitte Juli 2024 eingestellt. Aileen Cannon begründete ihre Entscheidung mit Zweifeln an der rechtmäßigen Ernennung des Sonderermittlers in dem Fall. Dieser ging in Berufung, doch eine Wiederaufnahme ist höchst fraglich.
Die Staatsanwaltschaft hatte Donald Trump die gesetzeswidrige Aufbewahrung höchst sensibler Informationen aus seiner Zeit als US-Präsident vorgeworfen. Laut Anklageschrift handelte es sich unter anderem um Dokumente mit Informationen zu nuklearen Waffen und militärischen Notfallplänen.
Insgesamt wurden Trump 37 Straftaten zur Last gelegt. Die Bundespolizei FBI hatte deswegen im August 2022 Trumps Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida durchsucht. Die Richterin Aileen Cannon war einst von Trump ernannt worden. Kritiker hatten ihr vor der Einstellung des Verfahrens vorgeworfen, dieses zu verschleppen und Anträge in Zeitlupe zu bearbeiten.
New York: Trump wegen Finanzbetrugs verurteilt
In einem Zivilprozess wegen Finanzbetrugs ist Donald Trump vor einem New Yorker Gericht zu einer Strafzahlung von mehr als 450 Millionen Dollar verurteilt worden. Laut dem Urteil von Richter Arthur Engoron darf Trump zudem drei Jahre lang kein Unternehmen im US-Bundesstaat New York führen.
In dem Verfahren war Trump und seinen Söhnen Donald Junior und Eric vorgeworfen worden, über Jahre hinweg die Vermögenswerte des Familien-Immobilienimperiums um Milliardenbeträge künstlich aufgebläht zu haben, um so bessere Konditionen für Kredite und Versicherungen zu bekommen.
Die Angeklagten seien nicht in der Lage gewesen, ihre Fehler einzugestehen, erklärte Richter Engoron in seiner Urteilsbegründung. Der "völlige Mangel an Einsicht und Reue" Donald Trumps und seiner beiden Söhne reiche "fast ins Krankhafte".
Da es sich um ein Zivil- und kein Strafverfahren handelte, drohte Trump in diesem Fall keine Haftstrafe. Trump hat gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel eingelegt und musste eine Kaution von 175 Millionen Dollar hinterlegen.
New York: Schuldspruch im Schweigegeldprozess
Als erster ehemaliger US-Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist Donald Trump in einem Strafprozess verurteilt worden. Gut fünf Monate vor der US-Wahl befanden die Geschworenen den 77-Jährigen im historischen Schweigegeldverfahren in allen 34 Anklagepunkten für schuldig.
Die Verkündung des Strafmaßes sollte am 11. Juli erfolgen, wurde aber vom Gericht verschoben. Hintergrund: das Urteil des Obersten Gerichts zur Immunität von Präsidenten.
Dann sollte das Strafmaß eigentlich am 18. September bekannt gegeben werden. Doch Richter Juan Merchan erklärte zuletzt, es sei "im Interesse der Justiz", es erst am 26. November, also drei Wochen nach der Wahl, zu verkünden.
Im Zentrum der Vorwürfe stand die Zahlung von Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels. Sie hatte behauptet, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben, was dieser bestreitet. Die Zahlung selbst war nicht illegal - der Versuch, diese zu vertuschen, dann aber schon.
Die Staatsanwaltschaft hatte Trump die Fälschung von Geschäftsunterlagen zur Last gelegt. Trump habe damit versucht, für ihn schädliche Informationen und rechtswidrige Aktivitäten vor und nach der Präsidentenwahl 2016 zu verbergen, so der Vorwurf. Trumps Anwälte hatten wie bei anderen Prozessen auch lange versucht, das Verfahren abzuwenden oder zu verzögern.
New York: Trump wegen sexuellen Übergriffs verurteilt
Neben strafrechtlichen Verfahren wie in Washington ist Donald Trump auch in zivilrechtliche Streitigkeiten verwickelt. Im Mai 2023 wurde er in einem Zivilverfahren wegen eines sexuellen Übergriffs und Verleumdung zu einer Geldstrafe in Millionenhöhe verurteilt.
Eine New Yorker Geschworenenjury sah es als erwiesen an, dass Trump die Schriftstellerin E. Jean Carroll Mitte der 1990er-Jahre in einem New Yorker Nobelkaufhaus sexuell missbraucht und später verleumdet hatte. Den Vorwurf der Vergewaltigung wiesen die Geschworenen zurück.
Im September 2023 musste der Ex-Präsident in der juristischen Auseinandersetzung mit Carroll dann eine weitere Niederlage hinnehmen. Ein Bundesrichter in New York entschied, dass weitere Kommentare Trumps über die US-Autorin verleumderisch gewesen seien. Über eine zweite Klage von Carroll wurde Ende Januar 2024 entschieden: Das Gericht verurteilte Trump zu einer Zahlung von 76,7 Millionen Dollar.
Colorado: Rechtsstreit um die Teilnahme an Vorwahlen
Juristischen Ärger hatte Trump auch bei den Vorwahlen, mit denen der Präsidentschaftskandidat der Republikaner bestimmt werden soll. Nach Ansicht des Obersten Gerichts von Colorado sollte Trump in dem Bundesstaat von den Primaries ausgeschlossen werden. Trump sei wegen seiner Rolle bei der Kapitol-Erstürmung am 6. Januar 2021 für das Amt des Präsidenten disqualifiziert, heißt es in einem Urteil vom Dezember 2023.
Auch der Bundesstaat Maine wollte Trump von den Vorwahlen ausschließen. In Michigan und Minnesota waren Kläger hingegen mit Versuchen gescheitert, Trumps Namen von den Wahlzetteln zu streichen. Letztlich landete der Streit vor dem Supreme Court. Dieser entschied im Februar 2024 einstimmig, dass Colorado und andere Bundesstaaten keine Befugnis hatten, Trump auszuschließen.
Welche Folgen eine Verurteilung von Trump haben könnte
Dass ein ehemaliger Präsident der USA wegen Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten angeklagt wird, ist beispiellos. Doch selbst wenn er verurteilt werden würde, könnte er erneut zum US-Staatsoberhaupt gewählt werden. Die Verfassung des Landes sieht nach Einschätzung von Juristen keine Beschränkungen für verurteilte Straftäter vor.
Gewinnt Trump die Wahl, könnte er die negativen Folgen für sich minimieren – indem er beispielsweise das Justizministerium anweist, den Verschwörungsprozess einzustellen. Letztlich könnte er sich sogar - außer in Georgia - selbst begnadigen. Dies müsste dann aber wahrscheinlich vom Obersten Gerichtshof geprüft werden.
Egal, wie das Verfahren wegen Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten gegen Trump ausgeht: Die Folgen könnten drastisch sein. Sollte Trump die Anklage unbeschadet überstehen, könnten Radikale das als Freibrief verstehen, ein unliebsames Wahlergebnis nicht zu akzeptieren und einen friedlichen Amtswechsel zu sabotieren.
Gewaltbereit und schwer bewaffnet
Sollte Trump hingegen verurteilt werden, könnte das wiederum enorme gesellschaftliche Verwerfungen in einem ohnehin politisch tief gespaltenen Land auslösen. Der Sturm auf das Kapitol hat gezeigt, dass die Anhänger Trumps nicht vor Gewalt zurückschrecken - und viele Menschen in den USA sind aufgrund der laxen Waffengesetze schwer bewaffnet.
Was das Trump-Lager zu den Verfahren sagt
Trump hat grundsätzlich bisher auf „nicht schuldig“ vor Gericht plädiert. Er bezeichnet die Verfahren gern als „Hexenjagd“, die seine Chancen auf eine weitere Amtszeit im Weißen Haus beschädigen sollen. Außerdem betont er immer wieder, stets das Gesetz befolgt zu haben. Der Ex-Präsident ist bekannt dafür, sich in Interviews und auf seiner Onlineplattform Truth Social ausgiebig zu ihn betreffenden Ermittlungen zu äußern und Beteiligte wie Richter und Staatsanwälte auch auf persönlicher Ebene anzugreifen.
ahe