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„Diversität stärkt uns“, schrieb der Lebensmittelhändler Aldi Süd noch vor wenigen Wochen auf seiner Webseite für die USA. Aldi betreibt dort weit über 2000 Filialen. Auf einer Karriereseite bekannte sich Aldi bislang ausdrücklich zu „DEI“. Hinter den Buchstaben verbergen sich Maßnahmen für Diversität, Teilhabe und Inklusion (Englisch: Diversity, Equity and Inclusion), die auch die Einstellungs- und Personalpolitik beeinflussen.
Wer die exakte Webseite heute aufruft, findet keinen Hinweis auf „DEI“ mehr. Das Bekenntnis ist verschwunden. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump per Dekret Bundesbehörden angewiesen, ihre „DEI“-Programme einzustellen. Zwar gilt das Dekret nicht direkt für privatwirtschaftliche Unternehmen, diese prüfen jedoch rechtliche Konsequenzen. Auch wenn man an einer anderen Stelle weiterhin auf Diversität verweist, stellt sich die Frage, ob das Unternehmen vor dem Druck aus dem Weißen Haus eingeknickt ist.
Eine Mail-Anfrage des Deutschlandfunks an Aldi Süd blieb bislang unbeantwortet. Gegenüber dem „Spiegel“ schrieb das Unternehmen, man arbeite weiter daran, „ein positives Umfeld für alle Mitarbeiter zu schaffen.“
Meta, Disney und McDonald’s folgen Trump
Zahlreiche US-amerikanische Unternehmen sind weniger zögerlich. Der Facebook-Mutterkonzern Meta, dessen Chef Mark Zuckerberg sich vom Trump-Kritiker zum Trump-Partner gewandelt hat, fährt seine Diversitätsprogramme zurück. Auch der McDonald’s-Konzern, der Trump im Wahlkampf in einer Filiale medienwirksam Pommes servieren ließ, hat Veränderungen vorgenommen. Das gleiche gilt für Konzerne, die besonders betroffen sind, weil sie mit US-Bundesbehörden zusammenarbeiten: etwa Google oder Boeing.
Die Idee hinter „DEI“: Alle Menschen sollen die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, körperlichen Einschränkungen oder der sexuellen Orientierung. Aus Sicht von vielen Unternehmen haben diese Maßnahmen auch einen positiven Einfluss auf die Produktivität. Für den US-Präsidenten steht „DEI“ hingegen für „Verschwendung“ und „Radikalität“.
Nicht alle Unternehmen knicken vor der Trump-Regierung ein: Der Großhändler Costco, vergleichbar mit Metro-Märkten in Europa, hält an seinen Programmen für Diversität, fest. Die Aktionäre von Apple stimmten auf ihrer Hauptversammlung vor kurzem dafür, die „DEI“-Maßnahmen des Konzerns beizubehalten.
Diese Unternehmen riskieren, den Zorn ultralibertärer Trump-Anhänger und der Trump-Regierung selbst auf sich zu ziehen. Denn das Dekret des US-Präsidenten, mit dem die Diversitätsprogramme von Bundesbehörden gestoppt werden sollen, ist aus Sicht von Juristen an vielen Stellen vage. Obwohl das Dekret auf Behörden abzielt, könnte es auch Auswirkungen auf private Unternehmen haben.
„Die Leute drehen durch“, sagte der Anwalt Jon Solorzano, der Unternehmen berät, gegenüber der „New York Times“. In Trumps Dekret ist von „illegalen DEI“-Maßnahmen die Rede. In vielen Führungsetagen von Konzernen fragen sich die Menschen nun: Was genau bedeutet das und was könnten die Konsequenzen auch für privatrechtliche Unternehmen sein? Manche Manager fürchten eine Klagewelle und neue Interpretationen von bestehenden Gesetzen. Alles verursacht durch Trumps Dekret.
Wie standhaft bleiben deutsche Unternehmen?
Auch in deutschen Unternehmen sorgt Trumps „Anti-Woke“-Kurs für Unruhe. Vor allem in jenen Konzernen, die eine starke Präsenz in den USA haben. Seit Wochen prüfen die deutschen Unternehmen mögliche rechtliche Konsequenzen und Auswirkungen auf ihr Geschäft. Darüber sprechen sie aber mit dem Deutschlandfunk nur hinter vorgehaltener Hand.
Bislang geben sich die Unternehmen standhaft, auch wenn schriftliche Statements gegenüber dem Deutschlandfunk auffällig knapp ausfallen, eben weil das Thema so sensibel ist. Mit der neuen US-Regierung wollen die Konzerne nicht auf Konfrontationskurs gehen.
Zehn Konzerne mit starkem US-Geschäft hat der Deutschlandfunk um eine Stellungnahme gebeten. Acht antworteten mit schriftlichen Statements. So schreibt SAP, dass man Inklusion als entscheidend für den Erfolg sehe. Von Adidas heißt es, dass man sich weiterhin für eine integrative Unternehmenskultur einsetze. Die Lufthansa ist beim Thema Diversität besonders exponiert. Sie schickt seit 2022 einen Airbus A320 auf Reisen, den sie „Lovehansa“ nennt. Die Maschine ist teilweise in Regenbogenfarben lackiert und im Innenraum ausgestattet. Das Flugzeug soll ein starkes Bekenntnis des Konzerns gegenüber der LGBTQ+-Gemeinschaft sein.
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In den vergangenen Jahren hatte die Lufthansa ihr Streckennetz in Richtung USA massiv ausgebaut. Immerhin: Weil der Regenbogen-Flieger der Lufthansa ein Mittelstreckenmodell ist, wird er absehbar nicht in die USA fliegen. Schriftlich teilt der Lufthansa-Konzern mit: „Lufthansa steht für Weltoffenheit, Toleranz, Vielfalt und die Verbindung von Menschen. Die Haltung vertreten wir auf der ganzen Welt.“
Was tun bei einer Verschärfung der rechtlichen Lage?
Die Lufthansa fügt noch hinzu, dass man beobachte, ob sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in den USA veränderten. „Das ist aktuell nicht der Fall.“ Auffällig: Neben der Airline betonen auch andere deutsche Konzerne in ihren Statements, das man sich an geltenden Gesetzen orientiere und die Lage ständig prüfe. Der Software-Konzern SAP schreibt, man setze alles daran, „die geltenden Gesetze, Vorschriften und Bestimmungen der US-Regierung einzuhalten.“
Und so wird der impulsive US-Präsident mit seiner „Anti-Woke“-Agenda noch auf absehbare Zeit für viel Unruhe auch in deutschen Unternehmen sorgen. So liest man in Trumps Dekret vom 21. Januar von „angemessenen Maßnahmen“, die geprüft werden sollen, um Unternehmen zu „ermutigen, illegale Diskriminierung, auch DIE“ zu beenden. Und so könnte es kommen, dass die Unternehmen - trotz aller Bekenntnisse für Vielfalt und Weltoffenheit - in den USA ihre Personalpolitik ändern müssen. Die Trump-Regierung lässt jedenfalls keinen Zweifel an Ihrer Entschlossenheit: Scott Turner, Bauminister unter Trump, sagt in einem Instagram-Post des Weißen Hauses: „DEI“ sei unter der Trump-Regierung tot.