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Trump Antrittsrede
"Wie das Populisten gerne tun"

Trumps Antrittsrede hat wenige Antworten gegeben, und dafür viele Fragen aufgeworfen. Der Politikwissenschaftler Karl Kaiser, der an der Harvard University lehrt, wertete dessen Auftritt als Wahlkampfrede. Damit habe er mit der Tradition gebrochen, sagte er im DLF.

Karl Kaiser im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Donald Trump legt den Amtseid als 45. US-Präsident ab. Seine Hand liegt auf der Bibel. Neben ihm steht seine Frau Melania.
    Donald Trump legt den Amtseid als 45. US-Präsident ab. (AFP / Mark Ralston)
    Der Politikwissenschaftler Karl Kaiser wertet die Antrittsrede von US-Präsident Donald Trump als Bruch mit der Tradition. In der Regel werde der Anlass genutzt, um die Wunden des Wahlkampfs zu heilen und zur Einheit aufzurufen, sagte er im Deutschlandfunk. Trumps Rede sei aber eine kämpferische Wahlkampfrede gewesen, "sie zeichnete auch ein sehr dunkles Bild von Amerika". Im Stile eines Populisten habe er im Namen des Volkes Lösungen für alle Probleme versprochen. Einiges davon werde ihm in Zukunft gewiss Schwierigkeiten bereiten, führte der Gastprofessor der amerikanischen Harvard University in Cambridge aus. Als Beispiel nannte er Trumps Ankündigung, den IS-Terrorismus "auszumerzen".
    Kaiser im Gespräch mit Rüttgers beim Gehen.
    Karl Kaiser, Professor an der Havard University, begleitet den früheren NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers über den Universitätscampus in Cambridge. (dpa / Ralph Sondermann )
    Die Betonung des US-Präsidenten, die Interessen seines Landes allem anderen voranzustellen, wertete Kaiser als Rückzug der USA von ihrer klassischen Rolle des Unterstützers einer internationalen Ordnung. Der 82-jährige Kaiser war in früheren Jahren Mitarbeiter beim Politikwissenschaftler und späteren US-Außenminister Henry Kissinger.

    Das Interview in voller Länge:
    Stephanie Rohde: Amerika steht an erster Stelle. Das machte der Mann klar, der seit gestern an der erste Stelle Amerikas steht, Donald Trump, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Und wie wichtig Trump sein Amerika ist, das zeigt möglicherweise auch schon die erste Amtshandlung. Trump hat nämlich angekündigt, ein modernes Raketenabwehrsystem zu entwickeln, um sich vor Staaten wie dem Iran zu schützen, also genau dem Land, mit dem Barack Obama mühsam einen Atomdeal ausgehandelt hat.
    Die Botschaft hier scheint klar: Abschottung statt Abkommen. Worauf müssen sich die Amerikaner noch einstellen unter Präsident Trump? Darüber möchte ich jetzt sprechen mit dem Politikwissenschaftler Karl Kaiser, der gemeinsam mit Henry Kissinger, dem späteren Außenminister der USA, in Harvard Internationale Beziehungen lehrte und lernte. Später war er dann Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, und heute ist er Gastprofessor an der Kennedy School of Government der Harvard University. Wir erreichen ihn am späten Abend in Boston, hallo, Herr Kaiser!
    Karl Kaiser: Ja, guten Tag, Frau Rohde!
    Rohde: Die Rede, die Trump da gestern abgeliefert hat, war die historisch beispiellos?
    Kaiser: Ja, sie bracht mit der Tradition, dass man bei dieser Gelegenheit die Wunden des Wahlkampfs heilt und zur Einheit aufruft und nach vorne schaut. Die Rede war im Grunde genommen eine Wahlkampfrede, wie wir sie öfters gehört haben hier von Trump. Sie war kämpferisch, sie war populistisch, sie zeichnet auch ein sehr dunkles Bild von Amerika und sie versprach die Lösung aller Probleme, wie das Populisten sehr gerne tun. Und dann natürlich im Namen des Volkes, das jetzt endlich mit ihm gehört wird.
    Er macht dabei Versprechungen, die ihm sicher noch Probleme schaffen werden, also zum Beispiel die totale Ausmerzung des ISIS-Terrorismus. Aber ich glaube, der entscheidende Punkt ist, dass er erneut in großer Deutlichkeit einen amerikanischen Nationalismus verkündete als oberste Leitlinie der amerikanischen Innen- und Außenpolitik, America first, die doch insgesamt für die Amerikaner wie auch für die internationale Politik große Probleme stellen wird. Was auch…
    "Es fehlte jeglicher Hinweis auf Werte wie Freiheit oder Demokratie"
    Rohde: Aber was das konkret bedeutet, das weiß man jetzt immer noch nicht nach dieser Rede. Da hatten ja viele Leute Hoffnung.
    Kaiser: Nein. Viele hatten doch Hoffnungen, dass in dieser Rede, vor allem nachdem in den verschiedenen Diskussionen der Kabinettsmitglieder im Senat, die dort gefragt wurden, ganz andere Vorstellungen hochkamen, dass in dieser Rede einige Hinweise kommen würden auf eine internationale Rolle der Vereinigten Staaten. Aber was dann auffiel in dieser Rede: Es fehlte jeglicher Hinweis, der sonst in solchen Reden bei der Amtseinführung immer drin ist, auf universelle Werte wie Menschenrechte, Freiheit oder Demokratie als Maxime amerikanischen Handelns in der Weltpolitik.
    Und deshalb signalisiert diese Rede eigentlich erneut einen Rückzug der USA von ihrer klassischen Rolle als Garant und als Unterstützer einer internationalen Ordnung. Im Grunde signalisiert sie auch Verzicht auf eine Führung, und dies, obwohl die designierten Außenminister und Verteidigungsminister genau das Gegenteil gesagt haben. Denn sie sagten, amerikanische Stärke muss auch in Zukunft ein wesentliches Element der amerikanischen Außenpolitik sein.
    Rohde: Auf das Kabinett würde ich gleich noch mal schauen, noch mal ganz kurz zur Rede: Trump hat gesagt, jetzt blicken wir nur in die Zukunft. Heißt das, dass die vergangene Weltpolitik für ihn einfach nicht mehr zählt?
    Kaiser: Er kann ja nicht daran vorbeigehen, denn die Weltpolitik der Vergangenheit ist die Basis, auf der amerikanische Außenpolitik aufbauen muss. Aber er will es anders machen …
    "Er wird Widerstand finden gegen diese Art von Politik"
    Rohde: Aber er kann sie ja trotzdem bewusst ignorieren.
    Kaiser: Ja, er will es anders machen. Ob ihm das dann gelingt, ist eine völlig andere Frage. Er stellt ja infrage Verbindungen Amerikas mit der Außenwelt, die die Grundlage der amerikanischen Prosperität sind. Er sagt ja wörtlich: Der Protektionismus wird zu großer Prosperität und Stärke führen. Und wir alle wissen aus dem letzten Jahrhundert und aus den Erfahrungen der internationalen Wirtschaft, dass genau das Gegenteil eintreten wird. Und er wird auch in seiner eigenen Partei und in der eigenen Wirtschaft und im eigenen Kabinett Widerstand finden gegen diese Art von Politik.
    Rohde: Das letzte Mal, dass es diesen Protektionismus ja in der Form gab, das war Anfang der 30er-Jahre und das endete dann – die Weltwirtschaft war ohnehin schon angeschlagen – in der Großen Depression. Befürchten Sie, dass sich so was wiederholen könnte, auch von der Dimension?
    Kaiser: Es könnte sich wiederholen, wenn er das umsetzt, was er sagt. Aber es ist zu bezweifeln, dass er das umsetzt, was er sagt, weil dies einen Widerstand in der amerikanischen Wirtschaft erzeugen wird, der sehr stark sein dürfte. Dennoch, es wird sicherlich Schwierigkeiten geben, da ist gar kein Zweifel. Er wird es versuchen und deshalb muss man diese Art der Äußerungen ernst nehmen.
    Rohde: Amerika war ja schon immer hin- und hergerissen zwischen Internationalismus und Isolationismus. Gab es einen Punkt, wenn wir jetzt mal zurückblicken in der Geschichte, an dem die USA vom Isolationismus vielleicht auch profitiert haben?
    Kaiser: Am Ende haben sie nie davon profitiert. Also, wenn wir auf den Isolationismus etwa nach dem Ersten Weltkrieg schauen, am Ende hat dies zur Folge gehabt, dass das internationale System zusammenbrach, die amerikanische Rolle fiel weg und Amerika musste in einen Zweiten Weltkrieg eintreten. Was jetzt aus deutscher und aus europäischer Sicht gefordert ist, sind zwei Dinge meiner Meinung nach: erstens Besonnenheit und zweitens Festigkeit.
    Besonnenheit deshalb, weil sehr viel auf dem Spiel steht. Trump scheint ja praktisch die gesamte Ordnung und die Prinzipien infrage zu stellen, die die Stabilität der Nachkriegszeit und auch den Wohlstand der Nachkriegszeit erzeugt haben. Und da gibt es keine einfachen Lösungen, sondern da wird man nicht in Panik verfallen, sondern in Ruhe sehen müssen, wie man darauf reagiert. Und Festigkeit ist deshalb nötig, weil die Dinge, die ja die Freiheit und den Wohlstand Europas erzeugt haben, also Regeln und Institutionen wie die NATO, wie die Europäische Union, wie die Institution des Welthandels, weil die ja nicht deshalb ungültig werden, weil Trump sie infrage stellt.
    Da muss man fest sein und Europa hat da eigene Interessen und man darf auch nicht vergessen, dass Europa ja Alliierte hat in den USA, in der Republikanischen Partei, sogar im Kabinett. Und das muss man sehen, wenn man jetzt über Politik nachdenkt.
    "Ob Trump bei seinen Auffassungen bleibt, wissen wir nicht"
    Rohde: Sie haben das Kabinett jetzt gerade angesprochen, da gibt es ja zum Beispiel den neuen Verteidigungsminister James Mattis oder es gibt Rex Tillerson, den künftigen Außenminister. Aus Ihrer Erfahrung, Sie beobachten ja schon lange die amerikanische Politik: Kann sich zum Beispiel ein starker Außenminister oder ein starker Verteidigungsminister auch mal durchsetzen gegen den Präsidenten?
    Kaiser: Es gilt dort wie in der deutschen Verfassung, wo das Richtlinienprinzip gilt, natürlich die Regel, dass das letzte Wort der Präsident hat. Aber ein starker Außenminister hat natürlich eine besonders wichtige Rolle im Kabinett. Er kann notfalls sogar mit dem Rückzug drohen und das kann sich kein Präsident eigentlich erlauben in der jetzigen Situation. Ja, ein Außenminister ist sehr stark, er wird sicherlich versuchen, die Politik, die von der Mehrheit der Republikanischen Partei und der überwältigenden Mehrheit der Demokraten gestützt wird, durchzusetzen, und das wird Konflikte mit den jetzigen Auffassungen von Trump hervorholen. Ob Trump bei seinen Auffassungen bleibt, wissen wir nicht.
    Rohde: Es gab ja mal eine ähnliche Situation bei George W. Bush, wo man gehofft hatte, dass verschiedene Minister einwirken können auf ihn. Da hat das ja nicht funktioniert. Was macht Sie da so ein bisschen hoffnungsfroh, dass das bei Trump doch funktionieren könnte?
    Kaiser: Die Interessen der Vereinigten Staaten unterstützen nicht eine Politik, wie sie Trump verkündet, weder die wirtschaftlichen noch die außenpolitischen Interessen. Und die verschiedenen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten sind im Grunde nicht der gleichen Meinung wie Trump. Da ist eine Konstellation, von der ich sagen würde, dass Trump große Probleme haben wird, seine Politik umzusetzen. Deshalb ist die Situation nicht vergleichbar mit der Situation von George W. Bush.
    Rohde: Ich würde gerne Madonna, die Pop-Ikone, einmal hier zitieren. Die hat gesagt, dass Trump den USA eigentlich einen Gefallen getan hat, weil wir den Tiefpunkt jetzt erreicht haben, von hier aus kann es nur aufwärtsgehen. Aus historischer Perspektive, sehen Sie das auch so?
    Kaiser: Nein. Also, erstens hat in der Zeit Obamas immerhin die Wirtschaft, die praktisch am Abgrund stand einer Weltwirtschaftskrise, hat wieder einen großen Aufschwung genommen, die wirtschaftliche Lage der USA ist eigentlich recht gut. Was nicht gut ist, ist die Verteilung, da liegen die eigentlichen Probleme und da wird auch Trump seine größte Herausforderung finden. Er ist ja im Namen sozusagen des kleinen Mannes und der Unterdrückten und der Armen, hat er sich zum Präsidenten gemacht. Er muss etwas anbieten, um dieses Problem zu beheben. Und ob ihm das gelingt, ist natürlich eine zweite Frage. Es ist nicht der Tiefpunkt, denn Obama hat einiges geschafft, hat auch einige internationale Erfolge erzielt, die man nicht übersehen darf. Insofern ist die Äußerung, dass ein Tiefpunkt da ist, nicht ganz richtig.
    "Er ist der erste Präsident, der keine Erfahrung in der Politik hat"
    Rohde: Am Ende möchte ich Ihnen noch eine ein bisschen fiese Frage stellen: Sie haben in Ihrem Büro ja ein Bild von John F. Kennedy hängen. Was hat Donald Trump, was John F. Kennedy nicht hatte?
    Kaiser: Also, Kennedy ist sicherlich kein Business Man. Diese Erfahrung hat Kennedy nicht gehabt, das ist schon wahr. Aber die ist nicht sonderlich wichtig für das Amt eines Präsidenten. Umgekehrt die Erfahrung, die Kennedy hatte, hat natürlich er nicht. Er ist der erste Präsident der Vereinigten Staaten, der keine Erfahrung in der Politik hat. Und das wird ihm noch viel zu schaffen machen.
    Rohde: Sagt der Politikwissenschaftler Karl Kaiser von der Kennedy School of Government der Harvard University. Das Gespräch haben wir vor gut zwei Stunden aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.