Christiane Kaess: Poltert Trump drauf los, oder schlägt er sanfte Töne an? Die Frage steht noch im Raum, bevor der US-Präsident heute in Davos eine Rede hält. Inhaltlich wird kaum etwas anderes erwartet als das, was Trump schon im Wahlkampf propagierte und auch im Amt stringent verfolgt. "America first" heißt in diesem Fall: Multilaterale Abkommen, die Trump als nachteilig für sein Land empfindet, die lehnt er ab.
Am Telefon ist jetzt Dr. Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Guten Tag, Herr Gern.
Klaus-Jürgen Gern: Schönen guten Tag.
Kaess: Der Wirtschaft in den USA, der geht es bestens. Außerdem hat Trumps Steuerreform dazu geführt, dass zum Beispiel Apple seine Konzernmilliarden wieder mehr in den USA anlegen will. Geht Trumps Wirtschaftsstrategie auf?
Gern: Das wird man sehen. Im vergangenen Jahr hat er ja noch zunächst relativ wenig Konkretes unternommen, aber das hat sich geändert. In den vergangenen Monaten und Wochen ist die Steuerreform endlich durchgegangen und jetzt gibt es auch Zeichen, dass an der anderen Front, an der er aktiv werden wollte, in der Handelspolitik, dass dort jetzt auch Zeichen gesetzt werden. Es wird jetzt wirklich interessant, wie diese Politik wirkt. Die Steuerreform hat schon das Potenzial, zumindest kurzfristig der Wirtschaft einen deutlichen Impuls zu geben.
"Strafzölle werden USA gesamtwirtschaftlich nichts nützen"
Kaess: Das, was er jetzt jüngst gemacht hat, das sind im Prinzip die Strafzölle auf chinesische Solarpaneele, gegen südkoreanische Waschmaschinen oder spanische Oliven. Inwiefern wird das den USA nützen?
Gern: Das wird den USA gesamtwirtschaftlich nicht nützen. Es ist eine Politik, die politische Ziele verfolgt. Die Konjunktur profitiert davon nicht.
Kaess: Das wäre dann eine reine Strafmaßnahme?
Gern: Eine Strafmaßnahme. Es ist vor allen Dingen innenpolitisch gerichtet. Er hat eine Klientel, die er meint, damit bedienen zu können, die glauben, dass diese Politik ihnen nützt, wobei sie sich damit durchaus täuschen könnten.
Kaess: Inwiefern?
Gern: Weil die Wählerschaft von Trump, die sich ja vor allen Dingen bei den unteren und mittleren Einkommen befindet, weil die von den günstigen Preisen, die durch die Importe ermöglicht werden, auch sehr stark profitieren. Wenn jetzt die Produkte in den USA, die Konsumgüter in den USA auf breiter Front teurer werden würden, dann würde das alle Konsumenten treffen und nur wenigen nützen, die solche Produkte dann vielleicht produzieren.
Kaess: Aber das würde auch heißen, Trump als Vertreter der Arbeiter, das Image geht auf oder eher nicht?
Gern: Das ist jetzt etwas, was in der politischen Darstellung möglicherweise erst mal funktioniert. Aber nachher, wenn die ökonomische Rechnung gemacht wird, dann wird sich herausstellen, dass auch seine Klientel nicht gewonnen hat.
"Für die Weltwirtschaft insgesamt ein ungünstiges Szenario"
Kaess: Wenn Trump multilaterale Abkommen ablehnt und auf bilaterale Abkommen setzt, muss das denn immer nachteilig für die beteiligten Staaten sein, so wie seine Kritiker ihm das vorwerfen?
Gern: Es ist zumindest für die Weltwirtschaft insgesamt ein ungünstiges Szenario. Wir haben mit dem Multilateralismus über viele Jahre ein System aufgebaut, das in großem Stil die Weltwirtschaft getrieben hat, das den Wohlstand in einem großen Teil der Welt sehr stark erhöht hat, und wenn jetzt Bilateralismus wieder um sich greift, wenn sogar auch die "jedes Land zuerst"-Politik überall gemacht wird, dann wird dieses Asset, dieses mit großem Aufwand aufgebaute System ernsthaft in Gefahr gebracht, und das könnte das weltwirtschaftliche Wachstum und am Ende auch das US-Wachstum empfindlich schädigen.
Kaess: Aber Trump sagt auf der anderen Seite, die USA sind in diesem multilateralen System unfair behandelt worden. Können Sie diesen Vorwurf nachvollziehen?
Gern: An verschiedenen Stellen gibt es dort begründeten Grund zur Klage, ja.
Die Chinesen sind auch an einem relativ langen Hebel
Kaess: Zum Beispiel? Können Sie ein Beispiel nennen?
gern: Zum Beispiel die Chinesen betreiben an diversen Stellen eine Politik, die diesem System nicht gerecht wird, aber es gibt Mechanismen in diesem multilateralen System, wo man dagegen vorgehen kann, und man sollte erst mal an diesen Stellen versuchen zu drehen. Man sollte versuchen, die Chinesen in dieses System stärker einzubinden, und nicht jetzt auf Konfrontation gehen. Letztlich sind die Chinesen auch an einem relativ langen Hebel, was die Verhandlungsmacht gegenüber den USA angeht.
Kaess: Was wären diese Mechanismen? Können Sie da ein Beispiel für nennen, wie man da den Hebel ansetzen könnte?
Gern: Wir haben ja im Welthandelssystem Schiedsgerichte, die entscheiden, ob unfaire Handelspraktiken vorliegen, und dann sind Strafzölle gerechtfertigt. Das ist auch in der Vergangenheit nicht selten passiert, dass die Amerikaner mit Klagen bei der WTO Erfolg hatten und Zölle auf chinesische Produkte legen konnten. Dann ist das internationale Recht auf der Seite der USA und dies ist jetzt sehr fraglich.
Kaess: Warum glauben Sie denn, dass Donald Trump diesen Weg nicht geht?
Gern: Weil Donald Trump sich als Macher darstellen möchte, weil er glaubt, auf diese Art und Weise seine politischen Ziele insbesondere auch erreichen zu können.
Immer schon eine "America first"-Politik betrieben
Kaess: Jetzt gibt es Kommentatoren, die verweisen in der jetzigen Situation auf Richard Nixon, der 1971 das System der festen Wechselkurse unangekündigt gekippt hat und damals auch Strafzölle eingeführt hat, weil er damals auch fand, dass das System zu große Nachteile für die USA hätte. Kann man sagen, es gab davor schon "America first", aber das wurde einfach damals nicht so offen ausgesprochen?
Gern: Ich glaube, dass die Amerikaner grundsätzlich, was die Wirtschaftspolitik angeht, immer schon eine "America first"-Politik betrieben haben. Sie haben selten Rücksicht auf andere Länder genommen, wenn sie ihre politischen Entscheidungen getroffen haben. Sie haben die Nixon-Episode angesprochen. Dass das damalige, bis dahin eigentlich ganz gut funktionierende Festkurssystem auseinandergebrochen ist, lag ja daran, dass die Amerikaner eine Politik getrieben haben, die mit diesem System nicht kompatibel war.
Sie haben eine inflationäre Politik gemacht, damals, um zum Beispiel den Vietnam-Krieg zu finanzieren, und das hat letztlich dann das System gesprengt. Sie haben damals keine Rücksicht genommen auf die Weltwirtschaftsordnung. Sie haben das in den 30er-Jahren nicht gemacht. Sie haben auch zu Zeiten von Ronald Reagan das nicht gemacht. Letztlich, wenn es darauf ankommt, ist den Amerikanern das Hemd näher als die Jacke. Das liegt letztlich aber in der Natur der Sache, dass Nationen natürlich Entscheidungen treffen, die dann auch ihre Interessen erst mal bedienen.
Kaess: Da muss jetzt auch die EU-Entscheidungen treffen. Wenn Sie die EU beraten würden, was würden Sie ihr raten? Wie sollte Europa reagieren auf das, was Trump ankündigt und durchsetzt?
Gern: Die Europäer müssen sich sehr gut überlegen, wie ihre Institutionen aufgestellt werden müssen, um jetzt dieser neuen Herausforderung, die durch die Politik in den USA auf sie zukommt, …
Kaess: Und weiter auf Freihandel setzen?
Gern: Sie sollten durchaus natürlich auf Freihandel setzen. Die Europäer haben ja nicht die gleichen Ziele, sollten auch nicht die gleichen Mittel verwenden. Der Multilateralismus ist etwas, was die Europäer versuchen sollten beizubehalten, und sie sollten versuchen zu zeigen, dass das der Weg ist, der auch ökonomisch am Ende die größeren Erträge bringt.
Kaess: … sagt Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Danke für das Gespräch heute Mittag.
Gern: Ja, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.