Überraschend kommen Trumps Äußerungen über die NATO und ihre kollektive Verteidigung nicht. Erschreckend sind sie nach wie vor. Denn das ist kein bloßes Wahlkampfgetöse.
Dass Trump die globalen Bündnisse der USA nicht für einen Gewinn, sondern für eine überflüssige Bürde hält, hat der Rechtspopulist schon in seiner ersten Amtszeit dargelegt. In den Memoiren seines zeitweiligen Sicherheitsberaters John Bolton kann man nachlesen, wie er Trump nur mit Mühe davon abbringen konnte, die NATO zu verlassen.
Ein wirkungsvolles Instrument der Abschreckung
Der Irrsinn eines solchen Schrittes liegt offen zutage – nicht nur für die Sicherheit der Europäer, sondern auch der USA. 40 Prozent des Welthandels gehen über den Atlantik. Historische Bindungen und gemeinsame Werte sind nicht mit Zahlen zu messen. 75 Jahre lang hat das westliche Bündnis erfolgreich seine Mitgliedsstaaten geschützt. Die Wirkung der Abschreckung ist nicht in Zahlen messbar, aber durch historische Evidenz belegt.
Und jetzt lädt Trump Russland ein, europäische NATO-Staaten zu überfallen. Ob Trump gewählt wird, ist ungewiss, aber es ist durchaus möglich.
Abschreckung besteht nur zu einem Teil aus militärischer Hardware. Genauso wichtig ist ihre politische Glaubwürdigkeit. Allein, dass ein potenzieller Präsidentschaftskandidat der USA die Beistandsverpflichtung infrage stellt, sollte endgültig die Europäer zum Handeln zwingen.
Die Europäer müssen sich wappnen
Selbst wenn Trump nicht gewählt würde, bliebe die Möglichkeit eines zukünftigen Isolationisten im Weißen Haus ein Damoklesschwert über der europäischen Sicherheit.
Doch die Europäer können sich wappnen, sie müssen es nur wollen. Der französische Präsident Macron hat beim heutigen Besuch des polnischen Ministerpräsidenten Tusk in Paris den Vorschlag einer verstärkten Verteidigungszusammenarbeit gemacht.
Deutschland sollte dabei nicht abseits stehen. In den 1970-ern hat die Bundesrepublik 20 Prozent ihres Budgets in Verteidigung investiert. Heute sind es nur zehn Prozent. Die Lasten eines wachsenden Verteidigungshaushaltes müssten auf alle verteilt werden. Dabei dürfen weder Kürzungen des Sozialhaushaltes noch eine Sondersteuer für Besserverdienende oder eine Lockerung der Schuldenbremse Tabu sein.
Keine Zeit mehr für nationale Egoismen
Es gibt auch gute Nachrichten. Polen ist wieder zurück im Kreis der Europäer. Das Weimarer Dreieck, das informelle Gesprächsformat Frankreichs, Polens und Deutschlands, muss dringend als Ausgangspunkt einer gemeinsamen europäischen Abschreckung genutzt werden. Jetzt ist der Zeitpunkt, Rüstungskooperation jenseits nationaler Egoismen auf den Weg zu bringen. Die Zeit dafür verrinnt.
Die Europäer müssen die Verteidigung im Osten der NATO stärken. Auch eine massive Unterstützung der Ukraine ist vonnöten. Kanzler Scholz und die anderen Europäer haben bereits zu viel Zeit durch Zögern vertan. Abschreckung braucht Entschlossenheit.
Jetzt ist die Zeit des Handelns gekommen.