Krieg in der Ukraine
Welche Folgen hat der Eklat zwischen Trump und Selenskyj?

Der offene Schlagabtausch zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj sorgt für Unruhe in Europa und der Ukraine. Was steckt hinter dem Eklat? Welche Folgen hätte ein Ende der US-Hilfen für die Ukrainer? Und könnte Europa den Ausfall kompensieren?

    Die Podien für die geplante Pressekonferenz von Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump im East Room des Weißen Hauses bleiben ungenutzt. Am 28. Februar 2025 scheiterte ihr Abkommen über seltene Erden, nachdem ihr Treffen in einem Eklat endete.
    Die leeren Podien im Weißen Haus – ein Sinnbild des Zerwürfnisses zwischen Trump und Selenskyj. Nach dem Eklat wurde ihre Pressekonferenz abgesagt. (picture alliance / Sipa USA)
    Beim Besuch von Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus am 28. Februar 2025 kam es zur Eskalation vor laufenden Kameras: Donald Trump und Vizepräsident J.D. Vance warfen dem ukrainischen Präsidenten Respektlosigkeit und Undankbarkeit vor. Selenskyj forderte Sicherheitsgarantien, doch Trump drohte: Ohne ein Abkommen werde sich die USA nicht weiter engagieren. Der Streit wurde zum diplomatischen Eklat. War das Kalkül? Steht das westliche Bündnis vor dem Bruch? Und was bedeutet das für Europa? Ein Überblick.

    Inhalt

    Was genau ist beim Treffen zwischen Trump und Selenskyj passiert?

    Bei dem Treffen zwischen Trump und Selenskyj sollte eigentlich eine Vereinbarung über Rohstoffe besiegelt werden – aus Trumps Sicht eine Gegenleistung für die US-Militärhilfe. Zunächst wirkte die Begegnung harmonisch. Doch die Situation kippte, als der US-Präsident erklärte, ihm gehe es um einen Deal, nicht um Sicherheitsgarantien für die Ukraine.
    Selenskyj widersprach und sagte, dass ein Ende der Kämpfe ohne Garantien nicht möglich sei. Daraufhin überzog Trump ihn mit Vorwürfen. Der ukrainische Präsident setze das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel, so Trump, Selenskyj riskiere einen Dritten Weltkrieg. Vizepräsident J.D. Vance warf dem Ukrainer mangelnden Respekt vor. Die Gespräche wurden schließlich abrupt abgebrochen, eine geplante Pressekonferenz wurde kurzfristig abgesagt.
    Nach dem Eklat stellte der US-Präsident klar, dass es vorerst keine neuen Gespräche geben werde. Trump sagte bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Treffen mit Blick auf Selenskyj: „Er möchte sofort zurückkommen. Aber das geht für mich nicht.“ Selenskyj dagegen machte gegenüber dem US-Sender Fox News klar, dass er sich nicht bei Trump entschuldigen werde.

    War der Eklat geplant und welches Ziel verfolgt Trump?

    Dass während des Treffens die Kameras weiterliefen, ist äußerst ungewöhnlich. Normalerweise ergreift der Vizepräsident auch nicht als Erster das Wort. Dlf-Korrespondentin Doris Simon glaubt vor diesem Hintergrund an eine gezielte Inszenierung: „Wie das Ganze angelegt war, kam es mir eher vor, als solle der amerikanischen Öffentlichkeit präsentiert werden: Da ist der Präsident der Ukraine, der will nicht aufhören mit dem Kriegführen, der will mit uns ein Abkommen machen, damit er weiter Krieg führen kann.“ Der öffentliche Eklat könne eine bewusste Vorbereitung auf direkte Verhandlungen zwischen Trump und Putin sein, womöglich ohne die Ukraine am Tisch.
    Militärexperte und Politologe Gustav Gressel hält es für wahrscheinlich, dass die USA ihre Hilfen für die Ukraine nun einstellen. Dass am 1. März 2025 der russische Botschafter nach Washington zurückkehrte, wertet er als weiteres Zeichen für eine Annäherung zwischen den USA und Russland. Die "Achse in Washington" drehe sich gerade, meint Gressel. "Selenskyj ist da quasi nur ein unangenehmer Zaungast, der so schnell wie möglich beiseitegeschoben werden soll," so der Politologe. Vance habe den Präsidenten deshalb bei dem Treffen bewusst dazu aufgestachelt, gegenüber Selenskyj kritisch zu sein.

    Welche Folgen hätte ein Ende der US-Unterstützung für den Krieg in der Ukraine?

    Für die Ukraine könnte ein Bruch mit den USA schwerwiegende Folgen haben. Schätzungen gingen bisher davon aus, dass das Land mit den von US-Präsident Joe Biden eingeleiteten Waffenlieferungen noch ein halbes Jahr in der gleichen Intensität weiterkämpfen könne. Eine Reduzierung des Nachschubs aus den USA würde die Möglichkeiten der ukrainischen Armee einschränken. 
    Besonders bei den Raketen für das Flugabwehrsystem Patriot sind die US-Lieferungen nicht zu ersetzen. Das könnte das russische Militär mit Raketen und Marschflugkörpern ausnutzen. Es gäbe kaum Schutz für das angeschlagene Energiesystem oder wichtige Rüstungsfabriken.
    Ein nachlassender Geldstrom aus den USA würde auch bei den Staatsfinanzen eine Lücke reißen, die andere Verbündete nur schwer schließen können. In den drei Jahren Krieg flossen aus den USA umgerechnet über 30 Milliarden Euro direkt zur Unterstützung des ukrainischen Staatshaushaltes. Kiew müsste so stärker die Geldpresse anwerfen und eine noch größere Inflation riskieren, die den Unmut im Land schnell erhöhen würde.
    Nicht zuletzt könnte auch die Position Selenskyjs ins Wanken kommen. Zuletzt hatte sich die Kritik an seinem Verhandlungsstil erhöht; der Wegfall des Hauptverbündeten könnte ihm persönlich angelastet werden. Da Trump weiterhin mit Putin reden will, wächst das Risiko, dass die Atommächte sich zulasten der Ukraine einigen.

    Kann Europa einen Ausfall der US-Unterstützung kompensieren?

    Ein Ende der US-Hilfen hätte „extrem ernste“ Auswirkungen auf die Ukraine im Krieg gegen Russland, glaubt Militärexperte Gustav Gressel. Es hänge aber auch entscheidend davon ab, was die Europäer nun unternehmen würden. Ein großes Problem sei die Beschaffung bestimmter Munitionsarten, die man sonst fast nur in den USA bekomme. Gressel nennt unter anderem Patriot-Fliegerabwehrraketen und Munition für das Raketenwerfer-System HIMARS. Die kriege man entweder aus den USA oder nur mit amerikanischer Genehmigung, so Gressel. Das werde extrem schwierig.
    Zwar gebe es bestehende Vorverträge, etwa für Starlink-Terminals, doch bei Vertragsbrüchen könnten die Europäer nur mit finanziellen Konsequenzen drohen. Der eigentliche Fehler sei aber, dass Europa es versäumt habe, langfristige Lieferverträge mit den USA abzuschließen. Die Diskussion, ob man nicht langfristige Lieferverträge mit den USA abschließe, um die Hilfe unter Trump sicherzumachen, "wurde von den Europäern immer beiseite gewischt", so Gressel.
    Eine mögliche Strategie wäre, die Unterstützung umzustrukturieren. Man könne der Ukraine auch gebrauchte Eurofighter liefern, "damit sie nicht so viel bodengestützte Fliegerabwehr verbraucht und dann versuchen irgendwie mit europäischen Systemen durchzukommen."
    Zusätzlich wachse das Risiko, dass sich die USA nicht nur aus der Ukraine-Hilfe zurückziehen. Ein Problem könnte sein, dass die Amerikaner ihre Sanktionen gegen Russland aufheben. "Dann müssten die Europäer auch sehr schnell exterritoriale Sanktionen gegen Firmen, die Rüstungslieferungen nach Russland tätigen, beschließen, um amerikanische Firmen davon abzuhalten, an Russland zu liefern. Das steht jetzt leider auch im Raum, und auf das haben wir uns auch nicht vorbereitet", sagt Gressel.

    Ist die von Trump angekündigte Waffenruhe absehbar möglich?

    Laut Militärexperte Gressel ist die von Donald Trump angedeutete Waffenruhe wenig realistisch. „Das wollte ja Trump, dass er (Selenskyj) aufgibt. Und interessanterweise hat er zwar nur vage angedeutet, dass Putin auch irgendwelche Kompromisse machen müsse, aber Russland hat weder Kompromisse angekündigt, noch seine Bereitschaft erklärt, irgendwelche zu machen. Das heißt, diese ganze Kompromissgeschichte schaut eher nach einer Ausrede und einem Feigenblatt aus“, sagt Gressel.
    "Trumps Herumgetue, es als Friedensbemühungen zu adeln oder zu titulieren, wäre eine falsche Adelssprechung. Das ist nichts anderes als Selbstbeweihräucherung für die Innenpolitik, was da in Washington passiert. Und das wird keine Substanz haben. Russland wird den Krieg jetzt zu besseren und günstigeren Bedingungen fortsetzen können.“

    Wie reagieren die Ukraine, Europa und Russland?

    Die Stimmung in der Ukraine ist angespannt. Viele Menschen stehen hinter ihrem Präsidenten und empfinden den Eklat im Weißen Haus als Angriff auf das gesamte ukrainische Volk.
    Zwar kamen aus Europa schnelle Solidaritätsbekundungen, etwa von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, doch viele Ukrainer fragen sich, ob das überhaupt noch ein Trost ist. „Die Ukraine erwartet mehr als warme Worte“, sagt Dlf-Korrespondentin Rebecca Barth. Die Menschen seien sich bewusst, dass die aktuellen Entwicklungen nicht nur ihr Land, sondern ganz Europa betreffen.
    Gleichzeitig ist die Ukraine weiter auf die USA angewiesen. „Die Menschen hier sagen häufig: Wir müssen der Realität ins Auge blicken. Auch wenn die USA uns fallen lassen, werden wir nicht aufgeben“, so Barth. Die Ukraine habe eine lange Tradition des Widerstands und kämpfe um ihr Überleben.

    Reaktionen aus Russland

    Für Russland ist der Eklat in Washington ein geopolitischer Vorteil. Wladimir Putin sieht die Chance, mit Trump ins Gespräch zu kommen, bleibt jedoch in Bezug auf die Ukraine hart. Der Kreml beansprucht weiterhin die besetzten Regionen des Landes für sich.
    Dmitri Medwedew, Vizechef des nationalen Sicherheitsrats, lobte Trump für seine Standpauke und sprach von einer „eiskalten Klatsche“ für Selenskyj. Gleichzeitig forderte er, dass die Militärhilfe für die Ukraine komplett eingestellt werden müsse.

    Reaktionen aus Europa

    Die Reaktionen aus Europa folgten prompt nach dem Eklat. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf X an Selenskyj: „Ihre Würde ehrt den Mut des ukrainischen Volkes. Seien Sie stark, seien Sie mutig, seien Sie furchtlos. Sie sind nie allein, lieber Präsident.“ Auch Polens Ministerpräsident Donald Tusk betonte: „Liebe ukrainische Freunde, ihr seid nicht allein.“ Auch weitere Länder wie Spanien, Schweden und Norwegen sicherten Kiew ebenfalls ihre Solidarität zu.
    Gleichzeitig wächst die Sorge, dass Trump und Putin über die Zukunft der Ukraine verhandeln könnten, ohne dass Europa oder Kiew ein Mitspracherecht haben. Europa steht unter Druck, die Ukraine schnellstmöglich stärker zu unterstützen, um ihre Verhandlungsposition zu stärken.
    Die europäischen Staats- und Regierungschefs beraten sich am Wochenende bei einem Sondergipfel in Großbritannien über eine engere Abstimmung der Hilfe für Kiew. Auch beim EU-Sondergipfel am 6. März in Brüssel stehen weitere Ukraine-Hilfen auf der Agenda. Eine Einigung könnte jedoch schwierig werden, da weitreichende Beschlüsse Einstimmigkeit erfordern. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, ein enger Trump-Verbündeter, hat bereits mehrfach EU-Hilfen für die Ukraine blockiert.

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