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Trump und das Impeachment
"Wir werden noch eine Politshow ersten Ranges sehen"

In der Ukraine-Affäre werden Zeugen erstmals öffentlich befragt. Bereits im Vorfeld davon spiele hohe Emotionalität eine Rolle, die Donald Trump selbst durch Tweets befeuere, erklärte Peter Beyer (CDU) im Dlf. Am Ende könnte der US-Präsident aus dem Amtsenthebungsverfahren als "strahlender Sieger hervorgehen".

Peter Beyer im Gespräch mit Christiane Kaess |
U.S. Präsident Donald Trump spricht am 4. Oktober zu Journalisten vor dem Weißen Haus.
Es bestehe das hohe Risiko, dass die US-Demokraten mit dem veranlassen des Amtenhebungsverfahrens scheitern, erklärte Peter Beyer, Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung (Getty / Chip Somodevilla)
Christiane Kaess: Im Ringen um ein Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten steht Donald Trump ab heute, so finden viele Beobachter, ein wahres Politspektakel bevor. Vor dem Geheimdienst-Ausschuss des Repräsentantenhauses werden erstmals öffentlich Zeugen zur Ukraine-Affäre befragt, ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl.
Die tiefen Gräben zwischen Trumps Republikanern und den oppositionellen Demokraten dürfte das einmal mehr offenlegen - dieses Mal aber live übertragen im Fernsehen.
Peter Beyer gehört der CDU an. Er ist Koordinator für die transatlantischen Beziehungen der Bundesregierung und er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Peter Beyer: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Was können diese öffentlichen Anhörungen bewirken?
Beyer: Das ganze Verfahren soll der Wahrheitsfindung dienen und so ist dies auch ein Baustein, hier mehr zu erfahren. Das sind die ersten öffentlichen Anhörungen, die jetzt heute stattfinden werden. Der eine oder andere Zeuge, die eine oder andere Zeugin, die jetzt in den öffentlichen Anhörungen vorgeladen werden und vielleicht aussagen werden, sind auch schon beispielsweise im September und Oktober vorgeladen worden und haben Aussagen gemacht.
Auf der Werbetafel prangt ein Bild von Trump. Über das Gesicht ist das Wort "Impeach!" geschrieben. Links daneben steht: "Unterschreibe die Petition"
US-Amtsenthebungsverfahren: Erst Clinton, nun Trump?
Weil er Druck auf den ukrainischen Präsidenten ausgeübt haben soll, droht US-Präsident Donald Trump ein Amtsenthebungsverfahren. Die Demokraten sehen das als Amtsmissbrauch und Vertuschung. Trump ist nicht der erste US-Präsident, gegen den ein solches Verfahren angestrengt wird. Ein Rückblick.
Wir haben in den letzten Tagen ja gesehen, dass sukzessive teilweise schriftliche Transkripte von diesen schon getätigten Zeugenaussagen in die Öffentlichkeit gedrungen sind. Das Ganze wird jetzt noch einmal, vielleicht verstärkt nachgehakt, vor laufenden Kameras stattfinden.
Kaess: Sie sagen, das dient der Wahrheitsfindung. Belegt aber auch dieses öffentliche zur Schau stellen für Trumps Anhänger zumindest die These der Hexenjagt?
Beyer: Das sehe ich nicht so. Es ist ein Verfahren, wie wir es ja auch in den USA schon ein paar Mal - Thilo Kößler hat das gerade in seiner Reportage gesagt – gesehen haben. Das ist in den USA nach deren Verfahrensregeln nun einmal so. Nun ist der Zeitplan ja nicht fix, sondern wenn ich das richtig beobachte, möchte man möglichst noch vor Weihnachten jetzt die sogenannten Rules of Impeachment verabschieden. Der Rechtsausschuss muss das dann machen.
Im Moment sind ja mehrere Ausschüsse im Repräsentantenhaus damit beschäftigt. Man hat noch einiges zu tun, aber einen fixen Zeitplan für das Ganze gibt es nicht, kein wirkliches Regiebuch.
Der Bundestagsabgeordnete Peter Beyer (CDU/CSU) spricht während einer  Sitzung des Bundestages in Berlin.
Peter Beyer, Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung (dpa / picture alliance / Gregor Fischer)
Kaess: Herr Beyer, lassen Sie uns kurz noch mal bei den Anhängern von Donald Trump bleiben. Es ist ja klar, dass das illegal ist, was Trump laut Zeugenaussagen getan hat. Aber vermittelt sich das auch seinen Anhängern, oder ist das vielen einfach zu weit weg, dass ein Eingreifen von Trump in der Ukraine in den USA dann wiederum unrechtmäßig ist?
Beyer: Was geschehen ist und ob das dann illegal ist oder nicht, das muss das Verfahren mal zeigen. Wir sehen natürlich schon, dass eine hohe Emotionalität auch jetzt schon im Vorfeld der öffentlichen Anhörung eine Rolle spielt, befeuert natürlich durch den Präsidenten selber, der ständig seine neuen Tweets rausdonnert. Wir werden, glaube ich, erleben, wie er versucht, seine Klientel, seine Anhänger hinter sich zu scharen und ihn zu unterstützen, indem er noch verstärkt auf Twitter aktiv sein wird und alles kommentieren wird.
Im Moment ist er noch nicht vorgeladen, sondern Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiter von ihm. Das macht ihn nervös, das bindet ihn auch zeitlich und auch in seiner Regierungstätigkeit, und ich glaube schon, dass die Unterstützungswerte in seinem eigenen Lager, bei seinen eigenen Anhängern hier keinen Abbruch erfahren werden.
"Trump kann 2020 als strahlender Sieger hervorgehen"
Kaess: Trump macht ja im übertragenen Sinne immer mit Egoismus Wahlkampf. Da passt es ja ins Bild, dass er sich einen Vorteil verschaffen wollte, ohne Rücksicht auf Verluste. Das ist doch genau das, wofür ihn seine Anhänger lieben.
Beyer: Vielleicht auch deswegen. Sein Stil, sein Politikstil, der vorher noch nicht gesehen war. Ich habe ja selber mit vielen auch Trump-Anhängern sprechen können, seitdem Trump im Amt ist, um das einfach mal besser zu verstehen, warum unterstützen die ihn, wie schätzen die ihn ein. Sie kriegen nicht selten die Antwort, wir wissen ja, dass er häufig lügt und die Unwahrheit sagt, aber das ist mal jemand, der redet so, dass man ihn verstehen kann, und er ist authentisch und gehört nicht zu diesem Establishment.
Ein Teil der sogenannten Jackson-Magnolie am Weißen Haus in Washington.
USA: Einblicke in Intrigenspiele rund ums Weiße Haus
Nikki Haley, Ex-US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, kritisiert in einem neuen Buch zwei ehemalige Regierungsmitglieder gegen Präsident Donald Trump gearbeitet zu haben. Ein weiteres Buch, geschrieben von Anonymous, warnt drastisch vor einer zweiten Amtszeit des US-Präsidenten.
Ich glaube, dieses Verfahren – und das ist ja auch das hohe Risiko, was die Demokraten mit sich herumtragen, dass dieses Impeachment-Verfahren, wenn es denn formell eingeleitet werden wird, wovon ich mal ausgehe, am Ende dann doch nicht erfolgreich sein wird, nicht zur wirklichen Amtsenthebung führen wird und Donald Trump dann im nächsten Jahr, wenn Präsidentschaftswahlen sind, in ziemlich genau einem Jahr als strahlender Sieger vielleicht hervorgehen kann.
Das kann so kommen, muss nicht, aber ich glaube, wir werden noch eine Politshow ersten Ranges sehen im nächsten Jahr, was für die wirkliche Politik und die Arbeit und Verantwortung, die man ja nun mal auch hat als Regierungschef, sicherlich nicht förderlich sein wird.
Kaess: Tatsächlich rechnet ja niemand im Moment damit, dass Trump des Amtes enthoben wird. Aber wie sehr erhöht das Ganze denn jetzt den Druck auf die Republikaner? Die haben ja bisher die Strategie zu sagen, die Zeugen sind unglaubwürdig. Können Republikaner, ernst zu nehmende, seriöse Republikaner diese Argumentationslinie aufrecht erhalten, wenn die Fakten bekannt sind? Warum ignorieren so viele Republikaner das dennoch?
Beyer: Verschiedene Anmerkungen dazu. Noch einmal: Die Faktensammlung geschieht ja erst noch. Vielen Republikanern ist unwohl.
Kaess: Aber vieles ist tatsächlich schon bekannt.
Beyer: Ja, in der Tat. Viele, auch diejenigen, die als Zeugen vorgeladen werden, sind auch eher dem republikanischen Lager zuzuordnen, und wir sehen im Moment, dass einige durch diese strafbewährten Vorladungen vor die Ausschüsse und zu den Anhörungen vielleicht erscheinen, manche aber auch erst gar nicht und dann aber zumindest auch nicht aussagen werden. Es ist auch noch ein Gerichtsverfahren anhängig in der Causa Cooperman, wo man versucht, das über die juristische Schiene zu regeln.
"Viele schämen sich für den eigenen republikanischen Präsidenten"
Kaess: Aber meine Frage war, warum machen das Republikaner, obwohl so viel bekannt ist? Warum bleibt man trotzdem stur bei der Linie? Steckt da eine gewisse Angst dahinter?
Beyer: Angst würde ich nicht sagen. Wenn Sie mal ein Jahr zurückgehen: Da hatten wir diese Halbzeitwahlen, Midterm Elections. Da hat man es auch schon sehr gesehen, dass viel Kritik an Trump war, auch in den eigenen Reihen, und viele schämen sich auch für den eigenen republikanischen Präsidenten.
Kaess: Das sagen die auch so.
Beyer: Das habe ich sehr häufig gehört. Das hört man wirklich häufig in Washington, aber auch in anderen Landesteilen in den USA. Sie scharen sich aber hinter ihren republikanischen Präsidenten. Sie können davon ausgehen, dass der amerikanische Präsident die Republikanische Partei zu seiner Partei umgemodelt hat. Das hat weniger mit Angst zu tun, sicherlich auch mit Machtverlustängsten, aber deswegen will man nicht an dem eigenen Stuhl sägen, auf dem man sitzt. Das hängt alles miteinander zusammen.
Sie sehen, es gibt nur ein Zwei-Parteien-System. Sie haben im Grunde genommen nur die Demokraten und die Republikaner und deswegen schart man sich hinter den eigenen Präsidenten, um ihn zu stärken und um sich selbst auch nicht zu schwächen. Ich glaube, das wird auch sehr stark zu beobachten sein, unabhängig jetzt sogar von diesem ganzen Impeachment-Verfahren, was jetzt angestrengt wird, ohnehin im nächsten Jahr, im Wahljahr, aber noch sicherlich noch forciert durch dieses Impeachment-Verfahren, wo man sich schützend vor oder hinter den Präsidenten stellen wird.
Biden spricht in Pittsburgh 
Joe Biden will 2020 für die Demokraten ins Präsidentschaftsrennen gehen (AP)
Kaess: Welches Licht wirft die Ukraine-Affäre denn auf den demokratischen Präsidentschaftsbewerber, auf Joe Biden?
Beyer: Das ist ja auch so eine Sache, wo man jetzt warten muss, welche Fakten herauskommen. Es hat ihm nicht gerade geholfen bislang. Ich wage jetzt noch keine abschließende Prognose, ob er tatsächlich derjenige sein wird, der aus den Vorwahlen letztlich als derjenige hervorgehen wird, der der Wettbewerber von Donald Trump sein wird. Im Moment lässt Joe Biden eher Federn.
Die Umfragewerte gehen deutlich zurück bei ihm. Im Moment schadet es dem demokratischen Lager auch, insbesondere natürlich Joe Biden, und Donald Trump hört ja nicht auf zu tweeten, ladet Joe Biden beziehungsweise seinen Sohn Hunter Biden, um den es ja im Kern auch geht, vor die Ausschüsse. Das ist im Moment noch nicht geplant, wenn ich das richtig sehe. Das würde dann noch mal eine andere Qualität bekommen. Joe Biden schadet es im Moment schon ganz klar.
"Die Unruhe ist seit einiger Zeit klar zu merken, eine gewisse Nervosität"
Kaess: Herr Beyer, merken Sie in Ihrer Zusammenarbeit mit Washington diese Unruhe? Ist da eine Zusammenarbeit überhaupt noch möglich im Moment?
Beyer: Beides ist richtig. Die Unruhe ist seit einiger Zeit klar zu merken, eine gewisse Nervosität, fast wie das Starren des Kaninchens auf die Schlange. Ich sagte ja vorhin schon mal, es wird den gesamten Regierungsapparat, nicht nur das Weiße Haus und das Oval Office jetzt im weiteren Verlauf des Impeachment-Verfahrens mit Mann und Maus, mit Personal, Zeit und Kapital binden, sich dem Verfahren zu stellen.
Aber es gibt natürlich noch Gott sei Dank in diesem riesen Administrationsapparat genügend Kontakte und auch genug Themen, zu denen man sich wenden kann. Wir haben ja gerade gesehen: Mike Pompeo, der US-Außenminister war in Berlin, anlässlich 30 Jahre Mauerfall. Aber auch da haben wir natürlich viele Dinge besprochen, Naher und Mittlerer Osten, Syrien, Wirtschaftsthemen, NATO und so weiter. Die Themen gehen ja nicht weg und es gibt auf der Arbeitsebene schon viele, viele Kontakte und Formate auch, in denen wir regelmäßig diese Dinge weiter bearbeiten.
Ich will vielleicht einen Hinweis noch geben, an uns alle gerichtet, dass wir nicht auch wie das Kaninchen auf die Schlange starren, sondern uns unserer Verantwortung auch bewusst sind, dass es die Sachthemen gibt, die nicht weggehen, die wir einer Lösung zuführen müssen. Im Moment sehe ich das noch nicht, dass das nicht geschehen kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.