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Trump und das Iran-Atomabkommen
Röttgen: "Für uns gilt Vertragstreue"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, hat vor massiven Folgen gewarnt, sollten die USA das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigen. Dadurch werde die gesamte Region des Mittleren Ostens destabilisiert und ein Keil zwischen die transatlantischen Beziehungen getrieben, sagte er im Dlf.

Norbert Röttgen im Gespräch mit Christine Heuer |
     Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen bei der Talkshow Anne Will
    Donald Trump gehe es auch in außenpolitischen Fragen immer um Innenpolitik, um damit gegenüber seinen Wählern gut dazustehen, kritisierte Norbert Röttgen (CDU) im Dlf. (dpa / picture alliance / Karlheinz Schindler)
    Christine Heuer: Der schlechteste Deal aller Zeiten – so oder ähnlich schimpft Donald Trump immer wieder über das Atomabkommen mit dem Iran. Von Beginn seiner Amtszeit an wird deshalb darüber spekuliert, ob die USA das Abkommen aufkündigen werden, das Trumps Vorgänger Obama, China, Russland, Frankreich und Deutschland sehr mühsam mit Teheran ausgehandelt haben. Diese Woche bietet sich eine öffentlichkeitswirksame Gelegenheit, für Trump zu handeln. Er hat angekündigt, seine Iran-Strategie erläutern zu wollen, und er muss dem Kongress mitteilen, ob er findet, dass der Iran gegen das Abkommen verstößt – eine wichtige Zäsur möglicherweise in der Weltpolitik.
    Donald Trump und das Iran-Abkommen – unser Thema jetzt auch im Interview mit Norbert Röttgen, dem Christdemokraten, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Guten Morgen, Herr Röttgen.
    Norbert Röttgen: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Spielt Donald Trump mit dem Feuer?
    Röttgen: Man müsste die Frage einfach nur mit einem Ja beantworten.
    Heuer: Dann müssten wir aufhören, das wäre schade.
    Röttgen: Ja! Es ist ja auch eben im Bericht gesagt worden, das Nuklearabkommen mit dem Iran ist die Verhandlungs- und diplomatische Methode, dafür zu sorgen, dass jedenfalls für lange Zeit der Iran keine Atomwaffe bekommt. Wenn das aufgekündigt würde, dann wäre diese Frage wieder offen, die gesamte Region des Mittleren Ostens destabilisiert, ein Keil in die transatlantischen Beziehungen getrieben, und zwar ein großer Keil tief getrieben, und die Nordkorea-Frage noch mal erschwert, weil die USA durch diesen Kurs der Selbstisolierung auch an internationaler Glaubwürdigkeit verlieren würde. Und ich finde, das ist ziemlich viel Schaden auf einmal.
    Heuer: Warum, Herr Röttgen, glauben Sie, riskiert Donald Trump so viel in der Außenpolitik? Liegt das daran, wie wir es auch im Beitrag gehört haben, dass er möglicherweise von innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken will?
    Röttgen: Ich würde es etwas anders sagen, weil es ihm bislang auch in der Außenpolitik immer um Innenpolitik gegangen ist und geht. Praktisch alle seine außenpolitischen Reden, inklusive die letzte vor der UN-Generalversammlung war im Grunde immer an das innenpolitische Publikum adressiert.
    Heuer: Also an die Wähler?
    Röttgen: Genau, an die amerikanischen Wähler und den Machtkampf, den er ja führt, weiterführt, seitdem er im Amt ist. Ich glaube, es sind diese beiden Gesichtspunkte. Erstens: Es ist das außenpolitische Glanzstück der Obama-Administration. Das, glaube ich, möchte er zerstören. Zweitens: Es ist seine eigene Rhetorik. Er hat immer dagegen gewettert und gesprochen, also insofern auch eine Frage seiner Glaubwürdigkeit. Und drittens ist es weit und breit auch die einzige Frage, wo er sogar im Kongress von beiden Parteien mit Rückhalt rechnen kann, also einen innenpolitischen Erfolg möglicherweise jedenfalls erzielen kann, der sonst nirgendwo sichtbar ist.
    Heuer: Das finde ich interessant, dass Sie das sagen, Herr Röttgen, dass er damit Erfolg im Kongress haben könnte. Alles was ich bisher so lese ist, dass die Republikaner ihm kaum folgen werden.
    Röttgen: Jedenfalls bislang war in beiden Parteien erhebliche Kritik, bei den Republikanern und auch bei den Demokraten, sowohl am Abkommen als auch gegenüber Iran als auch in der Frage weiterer möglicher Sanktionen, die eher positiv gesehen werden.
    Es mag sein, dass Trump, die Person Trump jetzt dazu führt, dass er keine Mehrheit bekommt, wegen Trump, wegen der Innenpolitik, aber prinzipiell ist die Iran-Frage eine der Fragen, wo auch die Position Trumps von beiden Parteien Unterstützung immer bekommen hat und er durchaus die Möglichkeit hat, für eine veränderte Politik auch eine Mehrheit zu bekommen. Das ist nicht sicher, aber so aussichtsreich wie in kaum einer anderen Frage, die zurzeit in Washington innen- oder außenpolitisch diskutiert wird.
    "Dann sind die USA draußen"
    Heuer: Was passiert, wenn die USA das Iran-Abkommen aufkündigen? Gilt es dann nicht mehr, oder heißt das erst mal nur, die USA steigen aus?
    Röttgen: Dann sind die USA draußen. Wahrscheinlich werden sie es aber auch gar nicht so, sage ich mal, platt aufkündigen, sondern es wird dann um neue Sanktionen gehen. Vielleicht werden die neuen Sanktionen sich auch gar nicht auf das Iran-Abkommen und seine Erfüllung durch Iran beziehen, sondern begründet werden mit der übrigen Rolle des Iran in der Region. Es mag ein durchaus auch komplizierterer Fall auftreten. Aber am Ende, wenn die Amerikaner sich im Ergebnis ihrerseits nicht vertragstreu verhalten, ob buchstäblich oder auch gegen den Geist dieses Abkommens verstoßen, dann haben wir das Problem. Die anderen, alle anderen Staaten werden sich vertragstreu verhalten, ganz sicher auch die Europäer.
    "Die Bundesregierung wird und muss einspringen für das Prinzip internationaler Vertragstreue"
    Heuer: Und was erwarten Sie in diesem Fall von der Bundesregierung, von der deutschen Kanzlerin? Denn die USA sind bisher der Führer dieser Koalition, die sich da geschlossen hat und mit dem Iran zusammen das Abkommen ausgehandelt haben. Muss Angela Merkel dann einspringen für Donald Trump?
    Röttgen: Die Bundesregierung wird und muss einspringen für das Prinzip internationaler Vertragstreue. Sie haben recht, die USA sind der entscheidende Vertragspartner, nicht rechtlich, aber politisch und wirtschaftlich, weil es dem Iran ja um die Aufhebung der Sanktionen geradezu geht. Das war und ist das Motiv des Iran, dieses Abkommen zu schließen. Also sind die USA die Wichtigsten in diesem Spiel. Das ändert aber zunächst mal rechtlich und politisch nichts daran, dass die Bundesregierung wie alle Europäer, wie ich es übrigens auch von China und Russland dann erwarte, sagen werden, für uns gilt Vertragstreue, pacta sunt servanda.
    Wenn wir dieses Prinzip selber gefährden und infrage stellen, dann stellen wir sehr viel und Grundsätzliches in der internationalen Diplomatie infrage, und das machen wir nicht.
    Heuer: Nachverhandlung des Atomabkommens, da sind Sie strikt dagegen? Das wird Deutschland auch nicht machen?
    Röttgen: Nein, weil es ist ausgehandelt. Es gilt pacta sunt servanda. Der Vertrag ist da und darum ist er zu beachten.
    Heuer: Dann nehmen wir den komplizierteren Fall, den Sie schon kurz skizziert haben, Herr Röttgen. Muss man über Trumps Sorgen, was das Raketenprogramm angeht, die Unterstützung Irans von Hisbollah und Hamas, oder die Rolle, die der Iran zum Beispiel im Syrien-Krieg spielt, muss man über all das neu verhandeln mit Iran?
    Röttgen: Darüber – und das ist wichtig zu sehen -, darüber ist ja nicht verhandelt worden. Das Nuklearabkommen ist ein Abkommen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen. Das ist kein regionales Friedensabkommen oder sonst was.
    "Wir haben noch weitere Probleme in dieser Region"
    Heuer: Nein, ist richtig! Aber, Herr Röttgen, die Frage ist ja: Muss man den Katalog erweitern, wie die USA das ja offenbar möchten? Zumindest bewegen die sich ja ein bisschen in die Richtung. Geht Europa da mit? Geht Deutschland da mit?
    Röttgen: Ja, die Themen sind richtig, aber man muss klarmachen, das kann man nicht mit dem Nuklearabkommen vermischen, sondern das ist ein weiteres Problem. Wir haben weitere Probleme in dieser Region. Da spielt auch der Iran eine hoch problematische Rolle, keine Frage. Aber die Vermischung dieser Fragen mit der Frage des Nuklearabkommens, das macht die Lage, die gesamte Lage in der Region nur noch viel komplizierter. Also man muss mit den Akteuren über Syrien und so weiter reden, und einer der Akteure ist Iran, der nicht sehr redebereit ist – übrigens auch ein eigener Machtkampf ja im Iran zwischen Hardlinern und den Modernisierern ist zu viel gesagt, aber eher zu Reformen bereiten Kräften. Aber man muss die beiden Fragen voneinander trennen, aber sich auch den anderen regionalen Fragen entschieden zuwenden als Europäer und Amerikaner.
    "Das ist ja ein Trauerkapitel seit Jahren"
    Heuer: Ja, Herr Röttgen. In welcher Form denn? Ich meine, wenn jetzt die Europäer zum Beispiel sagen würden, wir setzen das auf die Tagesordnung nicht nur in informellen Gesprächen, sondern wir machen daraus eine richtige Verhandlung, wie wir das mit dem Atomabkommen auch gemacht haben, dann kämen sie Donald Trump ja entgegen.
    Röttgen: Es ist ja nicht so, als würde über diese Frage mit Syrien nicht diskutiert, oder dem Irak. Das ist ja ein Trauerkapitel seit Jahren. Die Lage hat sich eher verschlechtert. Und die Verhandlungspositionen der Amerikaner sind schlechter geworden. Das hat auch leider etwas im Negativen mit der Politik von Barack Obama und natürlich auch mit der von George W. Bush zu tun. Aber die amerikanische Politik hat jetzt im Ergebnis der beiden vergangenen Präsidenten Obama und Bush die Amerikaner so geschwächt, in dieser Region so an die Seitenlinie gebracht, die Russen so reingebracht, wie das seit Jahrzehnten vorher nicht war.
    Also so einfach ist das nicht. Es finden ja die Syrien-Gespräche statt, unterschiedliche Formate. Aber Sie haben recht: Gerade das europäische Interesse ist es, dass wir hier viel aktiver werden.
    Heuer: Sie würden da schon ein bisschen nachlegen wollen?
    Röttgen: Unbedingt müssen wir uns diesem Thema gerade als Europäer viel mehr widmen, weil wir die Hauptbetroffenen dieser Konflikte sind.
    "Es gibt keine militärische Lösung, sondern nur eine politisch-diplomatische"
    Heuer: Aha.
    Der Iran ist ein Thema. Nordkorea schwingt da immer so ein bisschen mit, wenn wir über Donald Trumps Außenpolitik in diesen Tagen sprechen. Ist ein Weltkrieg wahrscheinlicher geworden mit diesem US-Präsidenten?
    Röttgen: Ich meine, bei allem, was man dort sieht, muss man auch diese Frage klar beantworten, kann man sie klar beantworten mit nein. In Nordkorea ist so offensichtlich, dass es keine militärische Lösung gibt. Das sagen auch alle bis auf Trump, das stimmt, aber auch alle amerikanischen verantwortlichen Politiker dieser Administration, weil Nordkorea bei irgendeiner militärischen Aktion der USA – so sagen die Experten, auch die amerikanischen – immer eine mindestens verheerende konventionelle Zweitschlag-Fähigkeit gegenüber Südkorea und Seoul hätte, mit hunderttausenden von Toten.
    Es gibt keine militärische Lösung, sondern nur eine politisch-diplomatische, und die besteht vor allem aus zwei Akteuren: USA erneut und China. Die Glaubwürdigkeit und die Verlässlichkeit der USA sind natürlich auch in diesem Konflikt absolut entscheidend, gerade auch aus chinesischer Sicht.
    Heuer: Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Röttgen, haben Sie Dank fürs Gespräch und einen guten Tag.
    Röttgen: Ich danke Ihnen sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.