Jörg Münchenberg: Gestern hat der US-Präsident Donald Trump gleich zum Auftakt des G7-Gipfels im kanadischen Quebec für einen Eklat gesorgt mit der nicht abgesprochenen Forderung nach der Wiederaufnahme Russlands in den exklusiven Club der wichtigsten Industrieländer, was die anderen prompt zurückgewiesen haben. Auch sonst gibt es mehr Trennendes als Gemeinsamkeiten, etwa beim Klimaschutz oder auch auch in der Handelspolitik. Zudem war und ist weiter unklar, ob es angesichts der vielen Meinungsverschiedenheiten überhaupt ein gemeinsames Abschlusskommuniqué geben wird. Jetzt war aber zuletzt wieder von Signalen der Zuversicht die Rede. Und zugehört hat Josef Braml von der Gesellschaft für Auswärtige Politik. Herr Braml, ich grüße Sie!
Josef Braml: Guten Tag, Herr Münchenberg!
Münchenberg: Wie ist denn Ihre Einschätzung, gibt es die G7 noch?
Braml: Ja, ich bin erstaunt ob dieser Gipfel-Folklore, dass es das immer noch gibt. Ich komme aus Bayern, ich mag Traditionen. Aber diese Tradition ist wirklich ein bisschen aus der Welt gefallen. Da geht es nicht um die wichtigsten Industriestaaten. Und auch bei Wertefragen, glaube ich, ist der Club nicht mehr so, ja, wie soll ich sagen, identisch, als man sich gibt.
Keine Auswirkungen auf die reale Welt
Münchenberg: Das heißt, Sie würden sagen, das ist alles gar nicht so schlimm, was da derzeit in Quebec passiert?
Braml: Ja, es hat keine Auswirkungen auf die reale Welt. Da geht es nicht um Politik, da geht es vielleicht um Agendasetting. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Politik von Nationalstaaten gemacht wird und alle Kommuniqués, an die wir uns vielleicht noch erinnern, die sind nicht all zu viel wert, wenn sie eben nicht dann in konkrete Politik von den jeweiligen Parlamenten dann auch in den Ländern umgesetzt werden.
Münchenberg: Trotzdem hat es ja immer geheißen, gerade solche Treffen, auch wenn da wenig beschlossen wird, seien wichtig, dass sich eben hier Politiker, die ja doch ähnliche Richtungen, ähnliche Werte vertreten, austauschen können, miteinander reden, trotzdem den Kontakt pflegen. Ist es trotzdem ein Wert an sich?
Braml: Ja, wenn man so weit geht. Man schießt nicht aufeinander, ich meine jetzt in Handelsfragen, der Handelskrieg ist noch nicht eskaliert. Aber man steht kurz davor und hat auch nichts erreicht, um das zu verhindern.
Spaltung der Europäer
Münchenberg: Würden Sie sagen, das ist das Ziel von Donald Trump, diesen ja doch sehr exklusiven Club faktisch zu zerstören?
Braml: Ja, wir haben es ja im Vorbericht gehört. Der Kollege aus Kanada hat es ja angedeutet, dass die Italiener rausgespalten werden sollten. Donald Trump mag diese Clubs nicht, er mag das lieber eins zu eins. Und er wird sich auch davor hüten, mit der EU als Ganzem zu verhandeln. Er ist der Dealmaker, er will einen nach dem anderen über den Tisch ziehen.
Münchenberg: Das heißt, Sie würden auch wirklich sagen, das ist das erklärte Ziel auch von Donald Trump, er will auch die Spaltung der Europäer, um dann zum Beispiel in der Handelspolitik tatsächlich eben nationale Vorteile für sich herauszuholen.
Bestenfalls noch mit dem Militärpfand erpresst
Braml: Das hat er schon seit einiger Zeit angedroht, wir sollten das ernst nehmen. Das deutlichste Signal war das Interview mit der "Bild"-Zeitung, als er sagte, die EU sei geschaffen worden, um Amerika zu schaden und Deutschland wiederum würde die EU nur zu seinen Interessen instrumentalisieren. Damit hat er bereits angefangen, die EU zu teilen und damit besser beherrschen zu können. Das geht jetzt nicht nur bei Handelsfragen, sondern auch bei Energiefragen, und die Liste wäre lang. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Amerika für uns eine Schutzmacht bleibt. Wir werden bestenfalls noch mit dem Militärpfand erpresst, um in Handelsfragen klein beizugeben.
Münchenberg: Die Frage ist ja trotzdem, die Europäer können ja eigentlich nur bestehen, wenn sie geschlossen sind. Auf der anderen Seite ist die Interessenlage ja durchaus unterschiedlich – für Deutschland als Exportmacht steht sehr viel auf dem Spiel. Viel mehr als für Frankreich zum Beispiel. Ihr Eindruck, wie geschlossen sind die Europäer und werden sie auch diese Linie angesichts des doch ja wachsenden Drucks jetzt durchhalten können?
"Macron hat den Ernst der Lage begriffen"
Braml: Ja, mir kommen zwei Aspekte in den Sinn. Das eine waren die beiden Reisen von Macron und Merkel nach Washington, wo eben Trump es auch geschafft hatte, Macron doch auf seine Seite zu ziehen, als es dann um Handelsüberschüsse ging. Da hat der Macron durchaus Verständnis, hat sich da also durchaus gegen Deutschland gestellt. Andererseits sehe ich positive Signale. Macron hat den Ernst der Lage begriffen, weiß, dass Europa jetzt sich aufstellen muss, aus der Wirtschaftsunion eine politische Union zu machen, eine, ja auch, Verteidigungsunion, die in der NATO wohlgemerkt integriert ist, um hier bestehen zu können in dieser Welt. Ich glaube, da müssen wir handeln. Dieser Gipfel ist interessant, schön, aber ich glaube, die Europäer müssen sich jetzt selbst zusammenraufen und aufpassen, dass sie nicht auseinanderdividiert werden.
Münchenberg: Was ist denn Ihrer Einschätzung nach die richtige Strategie? Dass man doch einen harten Tonfall anschlägt, das hat ja jetzt der französische Präsident Macron gemacht mittlerweile, oder eben doch mehr die Kompromisssuche, das ist ja eher so der Politikstil auch von Angela Merkel.
Braml: Na ja, Trump versteht Macht jetzt nicht im militärischen Bereich, sondern auch im Finanzbereich, wenn wir uns jetzt bei dem bevorstehenden Handelskrieg auf diese Eskalation einlassen, dann würden wir vor allem in Deutschland den Kürzeren ziehen, weil wir davon sehr massiv abhängen. Ich glaube, eine Strategie wäre es, an unseren Hebel zu denken. Wir geben ja das Geld, das wir durch Handel erwirtschaften, wieder dem Land der Freien, damit die Amerikaner wieder über ihre Verhältnisse leben können und unsere Produkte kaufen. Mit diesem Geld können wir Druck machen und sagen, ja, wenn ihr unser Geld nicht mehr haben wollt, dann wollt ihr auch unsere Waren nicht mehr. Wir könnten unsererseits dann dieses Geld nehmen und mehr Nachfrage in Europa generieren, Strukturen aufbauen, die wir dringend benötigen.
Bis zur nächsten Erpressung
Münchenberg: Nun sind ja die wirtschaftlichen Beziehungen das eine, auf der anderen Seite gibt es ja auch die Schutzmacht USA, jetzt für die Europäer also die militärische Zusammenarbeit jetzt speziell über die NATO. Kann sich denn dieser Riss, der sich da inzwischen auch auftut, auf die Zusammenarbeit in der NATO negativ auswirken? Der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, hat das ja kürzlich noch alles dementiert und hat gesagt, nein, nein, es gibt zwar Differenzen, aber wir sind trotzdem in Sachen NATO geschlossen.
Braml: Ja, am Ende des Tages müssen wir gute Miene zum bösen Spiel machen, weil wir einfach schutzlos sind. Wenn wir heute anfangen uns besser zu rüsten, wären wir vielleicht in 15 Jahren nicht mehr schutzlos in Europa, zumal jetzt die Briten auch raus sind. Aber die Verquickung liegt ja auf der Hand, Trump hat es ja deutlich gemacht: Wenn ihr weiterhin Verbündete sein wollt, dann hört auf, uns bei Handelsfragen über den Tisch zu ziehen, dann gebt mehr für euer Militär aus, am besten für amerikanische Rüstungsgüter. Wenn Deutschland und Frankreich sich dazu hinreißen lassen, nicht eigene Kampfjets zu entwickeln, also von der eigenen Industrie zu ordern, sondern bei Lockheed Martin, dem amerikanischen Produzenten, dann, denke ich, könnte Trump wieder ein bisschen zufriedengestellt werden, und die Mienen in der NATO sich wieder ein bisschen aufhellen – bis zur nächsten Erpressung.
Münchenberg: Sagt Josef Braml von der Gesellschaft für auswärtige Politik. Herr Braml, besten Dank für das Gespräch heute Mittag.
Braml: Besten Dank Ihnen!
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