Archiv

Trump und der Iran
"USA wollen den Iran wirtschaftlich in die Kapitulation zwingen"

Die Linie der US-Regierung sei es bislang gewesen, den Druck auf den Iran zu erhöhen, um einen Regimewechsel herbeizuführen, sagte Nahostexperte Michael Lüders im Dlf. Ziel sei es, den Iran wirtschaftlich zur Kapitulation zu zwingen und die religiösen und ethnischen Minderheiten gegen die Regierung aufzuwiegeln.

Michael Lüders im Gespräch mit Christine Heuer |
    Michael Lüders, Autor und Nahost-Experte
    Politik- und Islamwissenschaftler Michael Lüders (picture alliance / Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/ZB)
    Christine Heuer: Donald Trumps Gesprächsangebot an den Iran. Und darüber spreche ich jetzt mit dem Politik- und Islamwissenschaftler Michael Lüders, Autor zahlreicher Bücher über den Nahen Osten. Guten Morgen, Herr Lüders!
    Michael Lüders: Schönen guten Morgen, Frau Heuer, hallo!
    Heuer: Hallo! Waren Sie überrascht, dass Donald Trump dem Iran Gespräche anbietet?
    Lüders: Ja. Überrascht insoweit, als ja diese Aussage völlig im Gegensatz zu stehen scheint zu der bisherigen Politik der USA, und die besteht ganz klar darin, seit dem Amtsantritt von Donald Trump, den Druck auf den Iran zu erhöhen und de facto dort einen Regimewechsel herbeiführen zu wollen. Es gibt Aussagen der amerikanischen Administration, die ganz klar in diese Richtung weisen. Und vor allem auch die Verhängung der Sanktionen, die auch die Europäer betreffen werden mit Blick auf den Iran, ist ein Hinweis darauf, dass die Amerikaner nicht auf Deeskalation setzen, sondern im Grunde genommen dem Iran in wirtschaftlicher Hinsicht jedenfalls den Krieg erklärt haben.
    Heuer: Aber eigentlich, Herr Lüders, folgt Donald Trump ja jetzt dem Strickmuster, das er schon im Fall Nordkorea angewandt hat, erst Drohungen, dann Gespräche ohne Vorbedingungen, und dann klopft man sich gegenseitig auf die Schulter.
    Lüders: Das wird aber in diesem Fall nicht funktionieren, weil die Lage zu komplex ist, denn es steht zu viel auf dem Spiel, wie der Korrespondent ja auch völlig zu Recht darauf hingewiesen hat, ist die Linie der Administration eine ganz andere. Man will den Iran unter Druck setzen, daran besteht gar kein Zweifel. Es ist aber wohl der Psychologie von Donald Trump geschuldet, dass er so widersprüchlich sich verhält. So hat er, ich glaube, es war im Oktober des vorigen Jahres, wenn ich mich recht erinnere, vor den Vereinten Nationen eine wütende Suada gegenüber dem Iran abgelassen und den Iran allerlei Missetaten in der Region beschuldigt, hat aber unmittelbar danach dann versucht, den iranischen Präsidenten Rohani per Telefon noch zu erreichen, der bereits auf dem Weg zum Flughafen war in New York, um mit ihm ein Gespräch zu führen. Dazu kam es dann aber nicht mehr. Möglicherweise folgt er der Linie, den Gegner in eine vermeintliche Schockstarre zu versetzen, ihm so viel Angst zu machen, dass er danach dann freiwillig gewissermaßen die Kapitulationsurkunde oder wie auch immer unterschreibt. Das funktioniert aber im Fall des Irans nicht. Es steht auch zu viel auf dem Spiel.
    "Das kann man sich nur als Supermacht erlauben."
    Heuer: Das heißt auch, Herr Lüders, Sie gehen nicht davon aus, dass der Iran es sich vielleicht doch noch mal überlegt und das Angebot annimmt.
    Lüders: Nicht in dieser Form. Der Iran will keine Konfrontation mit den USA [Versprecher korrigiert durch die Redaktion], der Iran hat, egal, was man von seiner politischen Führung hält oder nicht, dass er festhalten will am Atomabkommen, das die USA am 8. Mai aufgekündigt haben, verbunden mit harten Sanktionen, vor allem auch den sogenannten sekundären Sanktionen. Diese besagen, dass auch in Drittstaaten alle Firmen, die Handel treiben mit dem Iran, in den USA juristisch belangt werden können. Weil aber nun die meisten europäischen großen Unternehmungen sowohl mit den USA wie auch mit dem Iran Geschäfte betreiben und die USA der größere Handelspartner sind, ziehen sich die Europäer aus dem Geschäftsbereich Iran zurück, mit gravierenden Folgen für die iranische Wirtschaft. Diese sekundären Sanktionen sind natürlich völkerrechtswidrig. Ein Land kann nicht einem anderen Land auferlegen, in diesem Fall den Europäern, was sie zu tun und was sie nicht zu tun haben. Das kann man sich nur als Supermacht erlauben. Das machen die USA. Sie wollen die Iraner wirtschaftlich in die Kapitulation zwingen, in der Hoffnung, dann – ja, was? Einen Deal zu machen? Letztendlich will man einen Regime Change, und den versucht man herbeizuführen a) durch diesen wirtschaftlichen Druck und b) indem man die religiösen und ethnischen Minderheiten im Iran, der ja ein Vielvölkerstaat ist, aufwiegelt gegen die Zentralregierung in der Hoffnung, in der Absicht, dadurch eben politische Unruhen auszulösen.
    Heuer: Herr Lüders, aber Sie sprechen ja die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Irans gerade an. Seit Jahresbeginn ist die iranische Währung so eingebrochen, dass sie zwei Drittel ihres Wertes eingebüßt hat. Hätte Teheran da nicht ein lebhaftes Interesse daran, tatsächlich mit den USA ins Gespräch zu kommen?
    Lüders: Ja, auf jeden Fall. Die Iraner sind in diesem Fall ja nicht die Verursacher der Krise, egal, wie erwähnt, was man nun von dem Regime in Teheran hält oder nicht, sondern es sind die USA, die eine international gültige Vereinbarung, an der auch die Europäische Union mit beteiligt war und hier insbesondere Deutschland, einseitig aufgekündigt haben, obwohl die Internationale Atomenergiebehörde in Wien insgesamt elfmal seit Mitte 2015, als das Atomabkommen unterzeichnet wurde, bis zum Mai, als Trump es aufkündigte, bestätigt hat, dass der Iran sich an alle Auflagen hält. Die Schwierigkeit für die Europäer ist und für die anderen auch – China und Russland sind ja ebenfalls Signatarstaaten –, was können sie tun gegen diesen wirtschaftlichen Druck der USA. Im Augenblick sieht es nicht so aus, als könnten sie viel unternehmen. Der Iran steht wirtschaftlich in der Tat, das haben Sie zu Recht umschrieben, mit dem Rücken zum Wand. Die iranische Währung ist im freien Fall. Es ist eine furchtbare Situation. Das ist ja auch genau das, was die USA erreichen wollen. Sie wollen Aufstände in der Bevölkerung herbeiführen. Die wird es aber wahrscheinlich nicht geben, weil die Bevölkerung in dieser Situation sich eher hinter ihre Regierung stellt. Der Grund für diese Druckmaßnahmen der USA ist ganz eindeutig nicht, dass der Iran natürlich eine Politik betreibt, die in vielerlei Hinsicht kritikwürdig ist, das spielt eher eine untergeordnete Rolle. Der entscheidende Grund dafür, dass man den Iran ins Visier nimmt, ist, dass er das einzige Land ist im weiten Raum zwischen Marokko, dem Atlantik im Westen und Indien im Osten, das einer nicht prowestlichen Linie, einer nicht proamerikanischen Linie folgt. Es hat auch eine andere Agenda mit Blick auf Israel, ist sehr kritisch, unterstützt die Hisbollah im Libanon beispielsweise. Man glaubt also, wenn man jetzt hier im Iran einen Regimewechsel herbeiführt, könnte man diese Lage befrieden im Sinne der USA, Israels und auch Saudi-Arabiens. Aber die Gefahr ist, dass es natürlich sehr chaotisch wird.
    "Die Region kann einen weiteren Waffengang nicht vertragen"
    Heuer: Aber wenn das Ziel der USA, wie Sie sagen, der Regime Change ist, wie kann man diesem Ziel näher kommen, indem man spricht miteinander?
    Lüders: Die Frage ist ja, ist dieses Angebot wirklich ernst gemeint? Was will denn Trump? Er hat eine erratische Idee, die er mal per Twitter oder mal wie jetzt in diesem Fall, per Ankündigung in einer Pressekonferenz mitteilt. Was will er denn daraus in konkrete Politik umleiten, wenn man gleichzeitig sich vor Augen führt, dass er allein mit zwei Personalentscheidungen, nämlich der Ernennung von Bolton zum nationalen Sicherheitsberater und von Pompeo zum Außenminister, zwei ausgewiesene antiiranische Hardliner, die ganz klar die Agenda Regimewechsel betreiben und das auch offen bekennen, wie will man dann darüber reden? Ich kann ja nicht jemandem das Messer an die Kehle setzen und dann sagen, lass uns doch Freunde sein und reden über alles, was dich bedrückt. Da muss es eine neue Politik geben, und das bedeutet vor allem, dass die USA und ihre Verbündeten, nämlich Israel, Saudi-Arabien und auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die allesamt einen Regimewechsel anstreben im Iran, dass man die wieder zurückholt und vor allem sich an den Gedanken gewöhnt, dass man mit dem Iran, egal was man von ihm hält und der dortigen politischen Führung sich ins Benehmen setzen muss. Die Region kann einen weiteren Waffengang nicht vertragen.
    Heuer: Ja, und der Iran mag ja wirtschaftlich schwach sein, aber er ist geopolitisch ziemlich stark geworden in der Region. Er ängstigt Israel zum Beispiel durch neue Basen in Syrien. Ist Iran nicht inzwischen ein so starker Player, dass Teheran eigentlich kein Interesse daran haben kann, die Dinge zu deeskalieren mit den USA?
    Lüders: Mein Eindruck ist, dass die iranische Führung die Deeskalation mit den USA und auch mit anderen in der Region will, übrigens auch mit Israel. Es hat in der Vergangenheit immer wieder Avancen gegeben der iranischen Führung.
    "Iran hat verstanden, die Fehler der Gegenseite zu nutzen"
    Heuer: Israel sieht das anders, Herr Lüders.
    Lüders: Das sieht Israel anders, aber das ist ja alles belegbar. Die Quellen sind da, das ist immer wieder seit Chatami Vorschläge gegeben hat der iranischen Führung, mit Israel sogar einen Frieden zu schließen, was man aber in Israel und den USA abgelehnt hat. Der Iran ist stark geworden vor allem durch die Fehler seiner Widersacher. Zum Beispiel ist der Iran sehr einflussreich im Irak, weil man dort eben Saddam Hussein gestürzt hat, der letzte sunnitische Herrscher dieses Landes. Seit 2003 herrschen dort die Schiiten, und die schiitische Führung im Irak versteht sich gut mit der im Iran. Und seither sind die Beziehungen sehr gut. Der Iran hat immer sehr trefflich verstanden, die Fehler der Gegenseite zu nutzen, und davon profitiert der Iran, was, wie ich meine, ein Anlass wäre, doch einmal nachzudenken, ob diese westliche Politik der Konfrontation perspektivisch wirklich zielführend ist.
    Heuer: Herr Lüders, wir haben echt nur noch ganz kurz Zeit. Aber ich wüsste jetzt gern noch, diese Entwicklung, dass der Iran so stark ist, macht das die Region ungefährlicher aus Ihrer Sicht?
    Lüders: Der Iran ist einer von vielen Akteuren in der Region. Natürlich muss man iranische Politik kritisch beäugen, aber das gilt auch für die Aktionen anderer, insbesondere der Politik Saudi-Arabiens, die unter Kronprinz Mohammed bin-Salman massiv die Eskalation in der Region vorantreibt in verschiedenen Ländern dort. Es ist also nicht nur ein Bad Guy dort zu beobachten, sondern viele Akteure, die Anlass hätten, miteinander ins Gespräch zu kommen.
    Heuer: Der Politik- und Islamwissenschaftler Michael Lüders im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Lüders, Danke schön!
    Lüders: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.