Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon begrüße ich jetzt Andrew Denison, Politikwissenschaftler aus den USA. Schönen guten Tag!
Andrew Denison: Herr Heckmann, schönen guten Tag!
Heckmann: Herr Denison, 800.000 Bedienstete der US-Bundesbehörden sind vom Shutdown direkt betroffen, aber natürlich auch Millionen amerikanische Bürger, die keine Hilfe von den Behörden erhalten, wenn sie sie brauchen. Wie beliebt beziehungsweise wie unbeliebt ist ein Shutdown in den USA?
Denison: Sehr unbeliebt, und von Tag zu Tag unbeliebter. Es ist ein bisschen wie dieses Gewicht des Schneesturms in den Alpen. Man sieht, es ist nicht nur eine Haushaltssperre, sondern auch eine Wirtschaftssperre und eine Gesellschaftssperre. Die Amerikaner merken, wie existenziell wichtig ihre Regierung ist. Eine funktionierende, repräsentative Bundesregierung braucht Amerika, von daher wird dieser Shutdown sowieso von einer Mehrheit, der großen Mehrheit abgelehnt, von Tag zu Tag unbeliebter und mehr und mehr mit Konsequenzen verbunden.
Heckmann: Die Frage ist ja, wem gelingt es am besten, der anderen Seite die Schuld für die Lage in die Schuhe zu schieben. Wer wird das sein? Die Republikaner oder die Demokraten?
Denison: Das ist in der Tat die Frage. Man könnte sagen, wer bekommt den Schwarzen Peter, oder wer wird als Neinsager dargestellt. Aber wenn Sie auf Amerika schauen und sehen, welcher politische Druck entsteht durch den Ausfall der Regierungsgeschäfte und unter welcher Kritik die Rechtfertigung von Trump steht, dann könnte man denken, dass der Trump sich wirklich in eine Ecke hineinmanövriert hat. Ich meine, in gewissem Sinne hält Donald Trump natürlich diese Beschäftigten und alle, die davon ihr Leben gestalten, dass die Regierung funktioniert, er hält die als Geisel. Aber wir wissen auch, dass Trump in gewissem Sinne Geisel ist. Wenn die 53.000 Mitarbeiter der Sicherheitskontrolle der Flughäfen aufhören zu arbeiten, dann wird Trump ein Problem haben.
Schwierigkeiten, die notwendigen 60 Stimmen zu organisieren
Heckmann: Die Demokraten sind ja nicht prinzipiell gegen Grenzschutz, natürlich nicht, aber gegen die Mauer. Wie berechtigt ist denn deren Widerstand? Sollten die sich nicht auch ein bisschen bewegen?
Denison: Natürlich ist es richtig, dass es in der Politik Bewegung von beiden Seiten gibt. Aber wie ich das sehe, haben die Demokraten Gesetze verabschiedet zur Finanzierung eines Teils der Mauer, also Strukturen bis zu 1,3 Milliarden, nicht die 5,7, die Trump haben will. Sie haben Gesetze verabschiedet, denen die Republikaner vorher zugestimmt haben. Das darf man nicht vergessen. Im so wichtigen Senat, am 18. Dezember, gab es Zustimmung für ein Haushaltsgesetz, wo die Probleme der Mauer vertagt worden sind. Und Trump hat gesagt, ich stimme da zu. Dann bekam er Kritik aus den konservativen Medien und hat einen Rückzieher gemacht. Und jetzt haben die Senatoren natürlich große Schwierigkeiten, die notwendigen 60 Stimmen zu organisieren, um diesen Haushalt durchzubekommen. Und vor allem, wenn Trump nicht bereit ist, das zu unterstützen und dem mit einem Veto begegnet, dann brauchen sie 63 Stimmen im Senat. Es ist ein weiter Weg, aber es ist auch so, dass diese Senatoren, ihr letztes Wort dazu, für Trump sehr wichtig sind, nicht nur in der Frage, ob die Bevölkerung jetzt wütend wird. Sondern wenn es so aussieht, als ob er angeklagt wird von Robert Mueller, entscheiden die Senatoren über seine Zukunft. Hat er ein Verbrechen begangen, wird er entamtet oder nicht? Also da steht er auch in der Bredouille, der gute Trump.
Heckmann: Spielen Sie an auf die Ankündigung von Donald Trump, möglicherweise den nationalen Notstand auszurufen? Hat er ja angekündigt, und jetzt wieder gesagt, nein, erst mal nicht. Wie ist das zu erklären, dieses Hin und Her?
Denison: Ich denke, hier sehen wir wieder typisch Trump. In die Ecke gedrängt, eskaliert er, provoziert er. Er kam da mit diesem kühnen Vorstoß, so dachte er, er wird einen Notstand ausrufen. Aber um so mit der Schach-Metapher zu arbeiten: Er nimmt einen Bauern und verliert einen Turm. Denn wenn er diesen Notstand ausruft – bis Gelder wirklich fließen, um eine Mauer zu bezahlen, das könnte auch schon nach dem nächsten Wahlkampf in Amerika sein. Denn das wird sofort in den Gerichten bestritten. Sie können sich denken, wie kontrovers das ist, wenn der Kongress nichts zu sagen hat. Und auch die Militärs, bis sie das Geld umgegeben haben in den Bau einer Mauer. Deshalb denke ich, manche Republikaner im Senat sagen, Trump, versuch das mal. Dann haben wir nicht das Problem, dass wir ein Gesetz nicht verabschieden können. Dann haben wir es gelöst. Er sagt Notstand, kriegt aber kein Geld letztendlich, aber die Senatoren können sagen, jetzt können wir die Regierungsgeschäfte wieder aufmachen. Also, mit Notstandsgesetz einen Bauern für einen Turm – deshalb zieht er vielleicht sich davon zurück jetzt.
Geordnet oder mit Schüssen in alle Richtungen
Heckmann: Wie könnte ein Ausweg aussehen? Wie wird er aussehen, aus Ihrer Sicht?
Denison: Prognosen sind schwer. Genau wie diese Schneestürme in den Alpen. Es gibt noch ein paar Lawinen. Ich meine, 19 – 19 ist keine Eskalation, weil die Opposition organisiert sich, hat jetzt eine wichtige Machtposition im Repräsentantenhaus. Trump steht unter mehr Druck. Wenn er unter Druck steht – Taten der Verzweiflung, wie diese Eskalation, überhaupt nicht nötig. Und dadurch zieht er aber die Schlinge immer enger, auch weil er manchmal wirklich inkompetent ist. Und wenn er die Senatoren verliert, dann muss er einen Rückzieher machen. Und das ist dann das Ende von seiner Macht, denke ich, bei seiner Basis. Dann geht er von 40 Prozent Unterstützung auf 35 runter.
Heckmann: Das heißt, Sie gehen davon aus, die Mauer wird es nicht geben? Das zentrale Wahlversprechen Trumps.
Denison: Seine Mauer wird es nicht geben. Die meisten Leute sagen, er sagt, ich habe alles getan, ich bin sogar auf dem Schwert gefahren und kriegte die Mauer nicht. Also bitte unterstützt mich 2020.
Heckmann: Und wird ihm das möglicherweise sogar nützen, weil er die Demokraten eben als verantwortungslose Blockierer brandmarken kann?
Denison: Da kommen wir wieder auf diese Frage zurück, wer bekommt jetzt die Schuld, den Schwarzen Peter. Das letzte Mal, als es so lange war, hat der Kongress die Schuld bekommen und Clinton gewann, bei Krankenversicherung oder so etwas. Dieses Mal, wenn wir die Konsequenzen sehen und die Rechtfertigung, die Trump gibt, warum er das überhaupt macht, dann denke ich, die Machtfaktoren, die Interessen und Institutionen in Amerika stehen dafür, dass er sich zurückziehen muss, wie auch immer er das tut. Geordnet oder mit Schüssen in alle Richtungen, das wissen wir noch nicht.
Heckmann: Man darf also weiter gespannt bleiben. Der Shutdown in den USA, wir haben darüber gesprochen mit dem Politikwissenschaftler Andrew Denison. Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit, Herr Denison!
Denison: Mein Vergnügen, Herr Heckmann. Schönen Tag noch!
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