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Trump und die Hochschulen
"Kritische Stimmen werden aus der Wissenschaft kommen müssen"

Was eine Präsidentschaft Trumps für die US-amerikanische Hochschullandschaft bedeutet, sei derzeit nur schwer abzuschätzen, sagte der in den USA lehrende Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann im DLF. An den Hochschulen werde es vielleicht zu einer Gegenbewegung kommen. Kritische Stimmen müssten jetzt aus den Medien und der Wissenschaft kommen.

Rüdiger Bachmann im Gespräch mit Markus Dichmann |
    South Bend, Indiana, U.S.A., Blick auf den Campus der Universität Notre Dame
    Blick auf den Campus der Universität Notre Dame in Indiana. Wie geht es an den US-Unis nach dem Erfolg Trumps weiter? (imago)
    Markus Dichmann: Heute Morgen, kurz nachdem bekannt wurde, dass Donald J. Trump der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird, haben wir hier im Deutschlandfunk mit der Politologin Joyce Mushaben gesprochen, die an der University of Missouri forscht und arbeitet. Und am Ende des Interviews sagte sie Folgendes:
    O-Ton Joyce Mushaben: Ja, und Sie schicken mir jetzt bitte die Flugkarten!
    O-Ton Moderator: Das Flugticket, genau, wenn Sie auswandern wollen.
    O-Ton Mushaben: Ja.
    O-Ton Moderator: Das machen wir sofort!
    O-Ton Mushaben: Gut!
    O-Ton Moderator: Danke, tschüs!
    O-Ton Mushaben: Bedanke mich!
    "Ich bleibe erst mal in den USA"
    Dichmann: Frau Mushaben hätte also gerne direkt das Flugticket, um das Trump’sche Amerika zu verlassen und nach Deutschland zu kommen. Und wir fragen jetzt mal Rüdiger Bachmann, ob ihm das genauso geht! Wirtschaftsprofessor an der University of Notre Dame in Indiana, ich grüße Sie, Herr Bachmann!
    Rüdiger Bachmann: Ich grüße Sie auch!
    Dichmann: Und, Flugtickets schon gebucht?
    Bachmann: Nee, noch nicht! Also, ich habe schon zwar Flugtickets für Deutschland, aber nicht deswegen.
    Dichmann: Okay, gut, das heißt, Sie bleiben erst mal in den USA?
    Bachmann: Ich bleibe erst mal in den USA, ja.
    Dichmann: Sie leben und arbeiten dort natürlich in einem streng akademischen Umfeld, arbeiten und forschen an einer Universität. Wenn man den Beobachtungen bisher Glauben schenken durfte, dann hieß es ja immer, dass gerade da, an den Hochschulen, dass gerade da das demokratische Lager sitzt. Und tatsächlich scheint es heute Nacht auch schon Proteste an Unis in New York und Los Angeles gegeben zu haben, also, wie sah es denn an Ihrem Campus aus?
    "An den Hochschulen hat Regierung wenig mitzureden"
    Bachmann: Also, ich habe noch keine Proteste gesehen, aber das ist natürlich so. Klar, die Hochschulen, die meisten Universitätsstudenten werden schon demokratisch gewählt haben, aber es ist auch klar, dass, wenn man mit Studenten gesprochen hat, dass Hillary Clinton einfach nicht populär war. Das muss man … Und das hat vielleicht am Ende dann auch letztlich gefehlt. Sie hat ja jedenfalls in den entscheidenden Staaten, was man heute Morgen sieht, hat sie ja die Mehrzahl der Stimmen überall in den USA gewonnen, aber es hat eben nicht gereicht, der Abstand war nicht groß genug. Und einer, ich vermute, einer der Gründe wird sein, dass sie genau diese Generation nicht so erreicht hat, wie zum Beispiel Barack Obama oder Bernie Sanders das vielleicht getan hätte.
    Dichmann: Jetzt haben wir das Ergebnis, müssen damit natürlich auch leben. Können Sie sich ausmalen, was eine Präsidentschaft Trumps für die US-amerikanische Hochschullandschaft bedeuten kann?
    Bachmann: Ach, da bin ich jetzt erst mal relativ gelassen, weil natürlich, wie in Deutschland – das haben die Deutschen von den Amerikanern sich abgeguckt – die Hochschulen natürlich … Also, einerseits gibt es viel mehr private Hochschulen, ich bin ja auch an einer privaten Hochschule, da hat die US-amerikanische Regierung, jedenfalls die Bundesregierung wenig mitzureden, und die anderen, auch die staatlichen Hochschulen sind ja eben sozusagen von den Staaten … also, sind sozusagen Staatspolitik, also Bundesstaatspolitik. Und insofern wird das nicht jetzt unmittelbare Auswirkung haben. Es kann natürlich in der Tat … Die große Frage wird sein Forschungsgelder, werden die weiterhin so fließen unter einer vielleicht etwas antielitären, Antiwissenschaftsadministration Trump, wird man weiterhin so gut Zugang – jetzt für mich als Sozialwissenschaftler oder Wirtschaftswissenschaftler –, Zugang zu Daten haben? Da kann es durchaus sein, dass die Republikaner da eher Einschränkungen vornehmen werden. Und die Frage ist: Was wird passieren mit diesem ganzen sozusagen Political-Correctness-Klima, wird da der Kampf eher noch schärfer geführt werden an den US-amerikanischen Hochschulen, sozusagen als Gegenschlag gegen die Präsidentschaft Trump? Das wird abzuwarten sein. Aber wir müssen es nehmen, wie es kommt.
    Dichmann: Jetzt haben Sie aber auch gerade schon erwähnt, dass Donald Trump so eine gewisse Skepsis gegenüber Wissenschaft und gegenüber der Intellektualität pflegt. Da kann man ja nur an seine Position so im Bereich Global Warming denken oder auch Ihren Fachbereich, an seine ökonomischen Luftschlösser. Wird es die Wissenschaft da zumindest so im öffentlichen Diskurs auch schwerer haben in den nächsten Jahren?
    "Man muss einfach mal abwarten"
    Bachmann: Ach, das kann ja genau umgekehrt sein. Also, dass jetzt die Wissenschaft da sozusagen … Es gibt ja keine Opposition mehr, ja, keine vernünftige mehr auf Bundesebene. Wie wir wissen, ist ja sowohl das Repräsentantenhaus als auch der Senat jetzt in republikanischer Hand, er kann also durchregieren. Das heißt, es wird natürlich – da, glaube ich, kann man sich schon auf das amerikanische System weiterhin verlassen –, es wird natürlich jetzt die einzige Opposition oder die einzigen kritischen Stimmen, Fragezeichen, werden aus den Medien kommen müssen oder aus der Wissenschaft. Das kann eigentlich auch eine ganz andere … in eine ganz andere Richtung gehen. Man muss auch erst mal abwarten, wie die Administration da tatsächlich regieren wird. Trump … Man muss ihm ja nicht alles glauben, was er gesagt hat. Und ob er dann wirklich so antiwissenschaftlich sein wird, das muss man dann tatsächlich einfach mal abwarten. Ich bin da weder pessimistisch noch optimistisch, das muss man einfach abwarten. Das kann ja einfach sein, dass er … Er ist ja bekannt dafür, dass er jetzt kein Freund von Details ist, dass er also vieles einfach auch Experten übergibt. Und dann kann die Wissenschaft vielleicht sogar eine größere Rolle spielen, als das viele gedacht hätten. Also, da muss man mal abwarten, wie sich die Administration tatsächlich aufstellt.
    Dichmann: Okay, trotz abwarten möchte ich jetzt hier noch einen gewagten Vergleich anstellen: Wir haben nämlich hier in Deutschland jetzt zum Beispiel erlebt, dass die sächsische Wissenschaftsministerin Sorgen hat, dass Gruppen wie Pegida oder auch andere Rechtspopulisten den Ruf der Stadt in Dresden für internationale Forscher schwer beschädigen könnten. Und auch der Rektor der TU Dresden sprach davon, dass die Internationalität seiner Uni darunter leiden könnte. Könnte jetzt also gleichsam eine etwas nach rechts gerückte USA unter Trump ihre Attraktivität verlieren?
    "Der Wissenschaftsstandort USA ist nach wie vor zu attraktiv"
    Bachmann: Auch das will ich nicht … Ich will das nicht völlig ausschließen, also, das kann ja sozusagen weitergehen, diese rechtspopulistische Bewegung. Das würde ich jetzt einen Tag nach der Wahl als zu früh erachten, dazu ist der Wissenschaftsstandort USA nach wie vor einfach zu attraktiv. Wie gesagt, dazu wäre auch der Einfluss einer Trump-Administration und eines republikanisch geführten Kongresses viel zu gering auf die Hochschulen. Ob das sich sozusagen … Typischerweise noch hinzu kommt ja noch mal, dass die Hochschulen typischerweise sowieso sich in einem Umfeld bewegen, also in Regionen des Landes oft sind, die viel europäischer sind, die international sind, die international aufgeschlossen sind, international attrahieren. Und es ist ja nicht … Das gibt es eben in Amerika, diese Pegida-Bewegung gibt es halt in Amerika auch nicht. Es gibt ja niemanden, der … Es gibt zwar diese Trump-Rallys, wo man diese Leute sieht, aber es ist ja nicht so, dass die jetzt sozusagen durch eine Stadt laufen und "Amerika den Amerikanern" rufen. Also, da sind auch sozusagen die … Manche dieser rechtspopulistischen Bewegungen sind da in Deutschland auch noch mal ein bisschen extrem oder, sagen wir mal, geschmackloser als in Amerika. Also, dass … Diese offenen Anfeindungen gibt es in Amerika einfach nicht. Also, das habe ich noch nie gehört, dass Leute jetzt durch New York ziehen würden und "Ausländer raus" rufen würden, zum Beispiel.
    Dichmann: Okay.
    Bachmann: Das wird in Amerika nicht kommen. Das glaube ich nicht. Und das ist natürlich … Da, das ist natürlich so dieser Alltagsrassismus, den man oftmals in Deutschland hat, den gibt es in Amerika nicht, dazu ist es eben zu sehr immer noch ein Einwanderungsland. Aber das ist ja, was sozusagen einem im Alltag belasten würde als sozusagen jemand, der nicht Amerikaner ist. Da bin ich doch gelassen.
    Dichmann: Dann bleiben wir im Gespräch, Herr Bachmann, wie sich die USA weiterentwickeln werden. Wirtschaftsprofessor an der University of Notre Dame in Indiana war das, Rüdiger Bachmann, danke Ihnen für das Gespräch!
    Bachmann: Herzlichen Dank, Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.