Die USA und die EU wollen ihren Handelsstreit beilegen, US-Präsident Donald Trump einträchtig neben EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker - das sollte die Botschaft des Fototermins im Weißen Haus am Mittwochabend sein. Doch CNN-Reporterin Kaitlan Collins wollte die Gelegenheit nutzen, um auch zu sprechen - und zwar über die Schweigegeld-Affäre um ein ehemaliges "Playmate", die Trump aktuell innenpolitisch belastet.
Collins' Arbeitgeber, der TV-Sender CNN, hatte wenige Stunden zuvor ein Tonband veröffentlicht, auf dem der damalige Präsidentschaftskandidat Trump und sein langjähriger Anwalt Michael Cohen über Geldzahlungen an den Chef eines Medienunternehmens sprechen, das über die angebliche Affäre Trumps mit einem "Playboy"-Model berichten wollte.
Auf Twitter hatte sich Trump bereits zu den Aufnahmen geäußert, die Fragen wollte er aber nicht beantworten. Mit ernster Miene bedankte er sich mehrere Male und ging nicht weiter auf Collins ein, wie ein Videomitschnitt zeigt. In einem Interview mit ihrem Sender erklärte die CNN-Reporterin später, dem Weißen Haus hätten die Fragen nicht gefallen, weshalb sie von einer späteren Pressekonferenz von Trump und Juncker im Rosengarten des Weißen Hauses ausgeladen worden sei.
Nicht der erste Angriff auf die Pressefreiheit
Die Korrespondentenvereinigung WHCA verurteilte "diese törichte und unangemessene Entscheidung" als Verstoß gegen die Pressefreiheit. In einer Stellungnahme von CNN hieß es, "nur weil das Weiße Haus eine Frage zu aktuellen Nachrichten nicht gefällt, heißt das nicht, dass diese Frage nicht wichtig ist und nicht gestellt werden sollte". Und sogar Trumps erklärter Favorit unter den von ihm sogenannten "Mainstream-Medien", Fox News, erklärte sich solidarisch mit CNN "für das Recht auf eine freie und uneingeschränkte Presse". Trump-Sprecherin Sarah Sanders begründete die Entscheidung damit, Collins habe ihre Fragen geschrien und sich geweigert, den Termin zu verlassen. Das Weiße Haus unterstütze eine freie Presse.
Von seinem Recht, zum dem auch gehört, Journalisten des Hauses zu verweisen, hat der Sitz des US-Präsidenten aber bereits zuvor Gebrauch gemacht: Im Februar 2017, einen guten Monat nach Trumps Amtsantritt, wurde eine Reihe etablierter Medien wie die New York Times, Politico und CNN von einer Pressekonferenz ausgeschlossen, kleinere konservative und rechte Medien wie Breitbart News dagegen zugelassen.
Eine Entscheidung mit Symbolcharakter: Trump hatte zuvor immer wieder Medien und ihre Vertreter attackiert - und diese Angriffe seitdem fortgesetzt. Zuletzt erst wiederholte er nach einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin auf Twitter seinen Dauervorwurf "korrupter Medien", die "Fake News" verbreiteten; bei einer Pressekonferenz in London weigerte sich Trump, die Frage eines CNN-Journalisten zu beantworten - ebenfalls mit der Begründung, der Sender sei "Fake News".
"Er nennt es Übertreibung, aber er lügt"
Für den US-amerikanischen Journalismusforscher Jay Rosen lautet die Konsequenz auf die aktuellen Vorkommnisse: Journalisten sollten die sonst üblichen Arbeitsbeziehungen zur US-Präsidentschaft aussetzen. Das sei die "größtmögliche Drohung gegenüber einer informierten Öffentlichkeit in den USA in diesen Tagen", schrieb Rosen im Blog "PRESSTHINK", den er als Projekt seines Instituts an der New Yorker Universität betreibt.
Für die Washington Post könne das bedeuten, künftig sogenannte Hintergrundgespräche abzulehnen, schlägt Rosen vor. Für das öffentlich Radio von NPR, "darauf zu verzichten, über falsche Aussagen des Präsidenten zu berichten, bis sie als 'Truth Sandwich' präsentiert werden können." Und für CNN wäre es ein "Anfang, kein Trump-Event mehr live zu übertragen". Entscheidend sei, dass Redaktionen erklärten, was sie tun, um weitere zum Nachdenken zu bringen.
Als Beispiel nannte Rosen die Journalistin Rachel Maddow, die im privaten Nachrichtensender MSNBC eine Sendung moderiert und vor wenigen Wochen entschieden hat, auf das Ausstrahlen von Trump-Reden oder auch nur -Zitaten zu verzichten. Trump habe zugegeben, Dinge zu sagen, die nicht wahr sind, erklärte Maddow. "Er nennt es Übertreibung, aber er lügt." Und ihr Ziel sei es, "dass Sie mir in dieser Sendung vertrauen können, nur wahre Informationen zu erhalten".