US-Wahlkampf
Trump und Harris werfen sich in TV-Duell gegenseitig Lügen und Unfähigkeit vor

Es ging um Wirtschaft, Abtreibung und die Außenpolitik: In den USA haben sich die Präsidentschaftskandidaten Harris und Trump ihr bisher einziges Fernsehduell geliefert. Knapp zwei Monate vor der Wahl im November trafen die Demokratin und der Republikaner erstmals persönlich aufeinander - und attackierten sich von Beginn an scharf.

    Kamala Harris und Donald Trump stehen jeweils hinter ihren Redepulten auf der Bühne und sprechen gestikulierend miteinander.
    Die TV-Debatte mit dem ersten Zusammentreffen überhaupt zwischen dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und der demokratischen Bewerberin Kamala Harris. (AFP / SAUL LOEB)
    Zu Beginn der Debatte stand die Wirtschaft im Mittelpunkt. Harris und Trump machten sich gegenseitig Vorwürfe. Harris erklärte, sie sei die einzige auf der Bühne, die einen Plan habe, um die Mittelklasse zu stärken. Sie versprach Steuererleichterungen für junge Familien und kleine Unternehmen. Trump dagegen werde das tun, was er in seiner ersten Amtszeit getan habe, nämlich die Steuern für große Konzerne und Milliardäre kürzen.

    Harris: "Wir mussten Trumps Schlamassel aufräumen"

    Sie und US-Präsident Biden hätten bei ihrer Amtsübernahme den "Schlamassel" aufräumen müssen, den der Republikaner hinterlassen habe. Er habe "die schlimmste Gesundheitsepidemie seit einem Jahrhundert und den schlimmsten Angriff auf unsere Demokratie seit dem Bürgerkrieg" zu verantworten. Damit spielte Harris offensichtlich auf die Attacke auf das US-Kapitol nach Trumps Niederlage bei der Wahl vor vier Jahren an.

    Trump: "Jeder weiß, dass Harris eine Marxistin ist"

    Trump wiederum warf Harris erneut vor, eine "Marxistin" zu sein. Die Vize-Präsident habe gemeinsam mit US-Präsident Biden für die wahrscheinlich höchste Inflation in der Geschichte des Landes gesorgt. Zudem hätten beide Millionen Menschen aus Gefängnissen und Psychiatrien ins Land gelassen, die insbesondere Hispanics und Afroamerikanern die Arbeitsplätze wegnähmen. Er hingegen werde neue Jobs schaffen und für eine "großartige Wirtschaft" sorgen, wie er es bereits in seiner ersten Amtszeit getan habe, meinte Trump. Er habe einen brillanten und großartigen Plan.

    Harris: Trump darf nicht über Körper von Frauen entscheiden

    Anschließend ging es um das Abtreibungsrecht. Trump sprach den Richtern des Supreme Court Anerkennung für die Entscheidung aus, die bundesweite Regelung zu kippen und sie den Bundesstaaten zu überlassen. Harris kritisierte dagegen, die Regierung und ganz sicher Donald Trump sollten Frauen nicht vorschreiben, was sie mit ihrem Körper zu machen hätten. Sie versprach, sie werde das Recht auf Abtreibung per Gesetz festschreiben, wenn sie nach der Wahl am 5. November ins Weiße Haus einziehe. Dafür bräuchte Harris aber eine entsprechende Mehrheit im Kongress.

    Disput über die Größe von Wahlkampfveranstaltungen

    Harris und Trump warfen sich mehrfach gegenseitig Lügen vor. Harris rief die Amerikaner dazu auf, einen Wahlkampfauftritt ihres Kontrahenten zu besuchen um festzustellen, welch absurde Behauptungen Trump dort verbreite - und auch, um zu merken, dass die Leute seine Veranstaltungen aus Langeweile frühzeitig verließen. Trump entgegnete dagegen, Menschen gingen gar nicht erst zu Harris Wahlkampfauftritten, während er die größten Veranstaltungen in der Geschichte der Politik stattfinden ließe.

    Trump weist Verantwortung für Attacke vom 6. Januar zurück

    Harris warnte entschieden vor einer zweiten Amtszeit Trumps. Es gebe dieses Mal niemand, der ihn stoppen könne - der Supreme Court sei dazu nicht mehr in der Lage, und sein Vizekandidat Vance werde es sicher nicht tun. "Lasst uns nicht dahin zurückgehen", betonte sie mit Blick auf die Attacke von Trumps Anhängern auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Trump wies jede Verantwortung zurück. Er habe nichts mit dem Übergriff zu tun gehabt, abgesehen davon, dass die Beteiligten ihn gefragt hätten, eine Rede zu halten. Der Republikaner betonte, er sei friedliebend und ein Patriot.

    Gegenseitige Beschuldigungen zu Israel und der Ukraine

    Beim Thema Außenpolitik ging es zunächst um den Gaza-Krieg. Trump warf Harris vor, Israel zu hassen. Wenn sie gewählt würde, werde Israel in zwei Jahren nicht mehr existieren. Harris wies diese Behauptung entschieden zurück. Sie betonte, der Krieg müsse sofort beendet werden, und zwar mit einem Waffenstillstandsabkommen und damit, dass man die verbliebenen Geiseln aus Gaza zurückhole.
    Harris bezeichnete Trump als das "Gespött internationaler Staats- und Regierungschefs". Er lasse sich bekanntermaßen von Diktatoren manipulieren. Trump entgegnete, der ungarische Ministerpräsident Orban habe gesagt, er sei die am stärksten respektierte und gefürchtetste Person der Welt. Beim Thema Ukraine warnte Trump, man spiele mit dem dritten Weltkrieg. Man müsse schleunigst einen Deal aushandeln, um den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden. Harris entgegnete, wenn Trump sage, dass er den Krieg schnell beenden werde, dann nur, weil er die Ukraine aufgeben werde. "Wenn Donald Trump Präsident wäre, säße Putin jetzt in Kiew."

    Schlussstatements: Harris verspricht Präsidentschaft für alle, Trump erneuert Vorwürfe

    In ihrem Schlussstatement erklärte Harris, es gebe in diesem Wahlkampf eine Vision, die in die Vergangenheit und eine, die in die Zukunft gerichtet sei. Sie betonte, sie werde sich für eine "Chancenwirtschaft" einsetzen und wolle eine Präsidentin sein, die die Grundrechte der Menschen verteidige, inklusive des Rechts von Frauen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden. Man brauche in der aktuellen Zeit eine Präsidentin, die die Interessen der Menschen sehe und vertrete. "Ich will eine Präsidentin für alle Amerikaner sein", unterstrich Harris.
    Trump wies in seinen Abschlussworten darauf hin, dass Harris seit dreieinhalb Jahren Teil der amtierenden Regierung sei. Die Demokratin behaupte, sie wolle "all diese wunderbaren Dinge" tun. Er frage sich, warum sie das als Vizepräsidentin nicht längst getan habe, meinte Trump. Er betonte erneut, die USA seien eine scheiternde Nation, über die man überall auf der Welt lache. Biden und Harris seien der schlechteste Präsident und die schlechteste Vize-Präsidentin in der Geschichte des Landes.

    Mikrofone wurden nach zwei Minuten ausgestellt

    Die 90-minütige Debatte wurde vom Sender ABC in Philadelphia ausgerichtet. Die Fragen stellten die beiden Moderatoren David Muir und Linsey Davis, ein Publikum gab es nicht. Die beiden Bewerber hatten jeweils zwei Minuten, um zu antworten. Danach wurden die Mikrofone stummgeschaltet. Trotzdem versuchten sie mehrfach, sich ins Wort zu fallen.
    Für Harris war das Fernsehduell in diesem Wahlkampf eine Premiere. Trump stand bereits im Juni mit Amtsinhaber Biden auf der Bühne. Dieser räumte schließlich das Feld für Harris, die aktuell seine Vizepräsidentin ist. In landesweiten Umfragen liegen Trump und Harris in etwa gleich auf, als entscheidend gelten die eng umkämpften Swing-States.
    Das Fernsehduell sollte das einzige im Wahlkampf sein. Direkt im Anschluss sprach sich Harris' Wahlkampfteam allerdings für eine zweite Debatte im Oktober aus.

    Transatlantik-Koordinator Link: kein klarer Sieger

    Für den Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Link, ging keiner der beiden Kandidaten als klarer Sieger aus dem Duell hervor. Der FDP-Politiker sagte im Deutschlandfunk, der Ausgang der Wahl im November werde eine knappe Entscheidung. Die Wahlempfehlung der einflussreichen Pop-Sängerin Taylor Swift für Harris bezeichnete Link als Erfolg für die Demokraten.
    Diese Nachricht wurde am 11.09.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.