Rainer Brandes: Donald Trump und Shinzo Abe, da treffen sich morgen zwei Hardliner in der Koreakrise. Gerade erst haben die USA und Japan wieder gemeinsam Kampfflugzeuge über die koreanische Halbinsel donnern lassen. Ist das gut, dass da zwei Regierungschefs an einem Strang ziehen, um Nordkorea einzudämmen, oder machen sie alles nur schlimmer?
Das kann ich jetzt Patrick Köllner fragen. Er ist Direktor des Giga-Instituts für Asienkunde und ein Experte für Japan. Wie ist das, Shinzo Abe und Donald Trump, haben sie wirklich dieselben Interessen in Bezug auf Nordkorea?
Patrick Köllner: Beide wollen da eine Denuklearisierung Nordkoreas, das ist ein Ziel, das allerdings in sehr weite Ferne gerückt ist. Es erscheint heute kaum mehr möglich, allein durch Sanktionen eine Aufgabe der Nuklearwaffen durch Nordkorea zu erreichen. Aber sowohl die USA als auch Japan denken, dass Sanktionen in jedem Fall notwendig sind, um eben die wahrgenommenen Provokationen aus Nordkorea zu strafen und um den eigenen Bevölkerungen zu zeigen, dass man im Angesicht dieser Provokationen auch Härte zeigt.
Brandes: Jetzt haben Sie gerade schon gesagt, alle gehen davon aus, Sanktionen allein werden Nordkorea nicht zum Einlenken zwingen können. Es gibt ja Leute, die befürchten, dass die USA langfristig einen Deal mit Nordkorea anstreben, also nach dem Motto, ihr dürft eure Atomwaffen behalten, wenn ihr die ständigen Provokationen einstellt. Wie sehr würde das Japan treffen?
"Deal würde Bündnistreue infrage stellen"
Köllner: Das würde Japan in der Tat sehr treffen, denn auch in der Region wird über die Möglichkeiten eines solchen Deals – es sind ja alles Spekulationen – natürlich gesprochen. Es würde im Endeffekt dann halt die Bündnistreue auch der USA gegenüber Japan, aber auch gegenüber Südkorea sehr infrage stellen, wenn man halt hier einen bilateralen Deal mit Nordkorea abschließen würde, ohne die Bündnispartner wirklich mit im Boot zu haben. Das kann nicht im Sinne der USA sein. Aber die Äußerungen von Donald Trump haben natürlich solche Befürchtungen genährt.
Brandes: Auf der anderen Seite führen ja, wie eben schon erwähnt, die USA und Japan gemeinsam Militärmanöver über der koreanischen Halbinsel durch. Heißt das, dass Japan im Zweifelsfall bei einem Militärschlag gegen Nordkorea mitmachen würde?
Köllner: Japan unterliegt natürlich verfassungsbezogenen Beschränkungen bezogen auf den Einsatz seines Militärs. Nun hat es in jüngerer Zeit neuere Interpretationen gegeben dahingehend, dass Japan im Fall eines Angriffs quasi auf Bündnispartner, und dazu gehören natürlich ganz zentral die USA, unterstützend tätig sein kann. Es kann aber nicht tätig werden, wenn halt die USA einen Präventivschlag oder Ähnliches auf Nordkorea durchführen würden.
Brandes: Aber wie würde sich die japanische Regierung dazu stellen? Würde sie so einen Militärschlag unterstützen? Oder würde das doch die Sicherheitsinteressen Japans gefährden?
Militärschlag "würde klar die Sicherheitsinteressen Japans gefährden"
Köllner: Das würde ganz klar die Sicherheitsinteressen Japans gefährden, denn ein solcher Militärschlag könnte ja eine Eskalation nach sich ziehen und damit halt die Gesamtsicherheitslage in der Region ins Kippen bringen mit manifesten Auswirkungen dann natürlich auch für Japan selbst. Man weiß in Japan und, ich denke, auch in den USA, dass halt die militärische Option zwar, wie immer wieder betont wird, auf dem Tisch liegt, aber die schlechteste aller möglichen und denkbaren Optionen ist.
Brandes: Aber dann stellt sich doch die Frage, ob diese harte Rhetorik gegenüber Nordkorea, sowohl von Donald Trump als auch von Shinzo Abe in Japan, ob die wirklich klug ist.
Köllner: Na ja, sie ist vielleicht klug, um der eigenen Bevölkerung jeweils in den USA als auch in Japan halt zu signalisieren, dass man sich eben von den wahrgenommenen Provokationen nicht beeindrucken lassen will. Ob sie indes dazu führen wird, das Verhalten Nordkoreas zu ändern, das ist eine ganz andere Frage und darf in der Tat auch infrage gestellt werden.
Brandes: Wie sehr fürchten die Japaner eigentlich, dass die USA nicht mehr so selbstverständlich wie früher die Schutzmacht spielen wollen? Denn Donald Trump tritt ja in der ganzen Welt, wir kennen das auch in Europa, damit auf, dass er sagt, wer unseren Schutz genießen will, der muss dafür zahlen oder selbst mehr tun.
Köllner: Das ist richtig. Die USA sind ja unter Donald Trump vor allen Dingen mit Forderungen in Erscheinung getreten: Die Bündnispartner in der Region, und dazu gehören natürlich vor allen Dingen Japan und Südkorea, bei denen stellt sich die Frage, inwieweit sie sich überhaupt noch auf die Sicherheitsgarantien der USA auch längerfristig verlassen können, oder ob halt tatsächlich dann reine inländische Interessen in den USA den Vorrang haben. Und das hat dann auch zu Diskussionen geführt inzwischen in Japan wie auch in Südkorea, ob nicht auch der Griff zu eigenen Nuklearwaffen dann in einem solchen Fall notwendig sein könnte.
Brandes: Und was wäre da die japanische Position? Wäre Shinzo Abe dazu tatsächlich bereit, sein Land zu nuklearisieren?
Köllner: So weit ist es natürlich noch lange nicht. Technologisch würde Japan über die entsprechenden Möglichkeiten in relativ kurzer Zeit verfügen. Natürlich gibt es in großen Teilen der japanischen Bevölkerung so etwas wie eine nukleare Allergie auf Basis der Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs bis hin in die jüngere Vergangenheit, Fukushima. Es wäre indes allerdings dann etwas, worüber man sich sehr intensiv Gedanken machen würde, wenn die Sicherheitsgarantien der USA - also dass man eben unter dem Schutz des amerikanischen Nuklearschirms steht -, dann eines Tages nicht mehr tragen sollten.
Brandes: Wenn wir mal von den reinen Sicherheitsfragen wegkommen, sondern insgesamt auf die Beziehungen zwischen den USA und Japan blicken: Donald Trump ist ja dafür bekannt, dass er bilaterale Deals am liebsten abschließt und sich nicht so gern multilateral einbinden lässt. Wird er versuchen, jetzt auf seiner Asienreise die verschiedenen Länder, die er bereist, gegeneinander auszuspielen?
"Region von weiterhin extrem großer Bedeutung für die USA"
Köllner: Es wäre in der Tat äußerst ungeschickt, zu versuchen, die einzelnen Länder gegeneinander auszuspielen. Bei dieser Asienreise muss es ja gerade darum gehen, das Signal zu senden, dass diese Region der Superlative, Asien-Pazifik, von weiterhin extrem großer Bedeutung für die USA ist, dass man sich engagieren will, auch über aktuelle drängende sicherheitsbezogene Fragen wie eben Nordkorea hinaus. Hier geht es also letztlich auch darum, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen und eben mit den Partnern dort zu ermitteln, welches dann die gemeinsamen Interessen sind. Damit dann halt auch die Rolle und der Einfluss der USA im Zusammenspiel mit den Partnern dort vorangetragen werden können.
Brandes: Aber wie optimistisch sind Sie, dass das mit einem Präsidenten Donald Trump funktionieren wird?
Köllner: Das ist in der Tat die große Frage. Es gibt ja noch überhaupt keine klare Asien-Strategie der Regierung, ganz im Gegensatz zu der doch recht ausgefeilten Asien-Strategie, die man unter Obama gesehen hat. Die Aufgabe der Beteiligung an den Freihandelsabkommen TPP gleich zu Beginn der Amtszeit von Trump, das war sicherlich ein Schuss ins eigene Kniegelenk. Man muss sich jetzt natürlich vor allen Dingen auch in den USA strategisch fragen, wie geht man mit einem zunehmend forsch agierenden China, das sich inzwischen selbst als Supermacht sieht, wo wir Xi Jinping in einer konsolidierten Position haben, wie geht man damit zukünftig strategisch um?
Brandes: Und gerade in Bezug auf China, ist da Japan ein verlässlicher Partner? Hat also auch Japan ein Interesse daran, China da einzudämmen, gemeinsam mit den USA?
Köllner: Auf jeden Fall. Da gibt es in der Tat ein großes Interesse, sich als Partner der USA anzubieten. Das haben ja auch schon die bisherigen Treffen zwischen Trump und Abe gezeigt. Die tektonische Machtverschiebung in der Region, der Aufstieg Chinas, der relative Abstieg Japans, haben zu großer Unsicherheit in Japan geführt. Und hier sieht man sich nur im Schulterschluss mit den USA wirklich in der Lage, dem etwas entgegenzustellen.
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