Kommentar zu Trumps Wiederwahl
Warum der Kreml nicht in Feierlaune ist

Donald Trump gilt als russlandfreundlich. Als US-Präsident könnte er die Ukraine zu großen Zugeständnissen für einen Friedensschluss zwingen. Doch Putin will viel mehr als das Donezbecken, kommentiert Florian Kellermann.

Ein Kommentar von Florian Kellermann |
Wolodymyr Selenskyj (links) und Donald Trump 2019 in New York
Wenig erkennbare Einigkeit: US-Präsident Donald Trump traf seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj 2019 in New York. (picture alliance / dpa / AP / Evan Vucci)
Der Wahlsieg von Donald Trump ist keine gute Nachricht für die Ukraine. Der künftige US-Präsident hat sich bisher geweigert, den russischen Angriff vor zweieinhalb Jahren klar zu verurteilen. Er hat im vergangenen Winter dafür gesorgt, dass der Kongress die US-Waffenhilfe für die Ukraine zeitweise blockierte. Und er hat verkündet, dass er den Krieg rasch beenden, also von der Ukraine große Zugeständnisse verlangen wird.
Das alles bedeutet aber noch nicht, dass Trumps Präsidentschaft für die Ukraine zur Katastrophe werden muss. Es kann auch alles ganz anders kommen.

Der Kreml reagiert kühl auf Trumps Sieg

Wer Trump als russlandfreundlichen Politiker wahrgenommen hat, der dürfte sich über die kühlen Reaktionen aus Moskau auf den Wahlausgang wundern. Die blieben fürs erste ein nicht befreundetes Land, sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow – und das heißt im Kremlsprech: ein feindliches. Der Vorsitzende des Außenausschusses in der Duma Leonid Slutzkij erklärte, es sei naiv, eine rasche Annäherung zu erwarten; auf dem Kapitol habe sich ein „russophober Konsens“ herausgebildet.
Anfang des Jahres hatten die russischen Kommentatoren noch anders geklungen und mit großer Hoffnung auf Trump geblickt. Doch seitdem ist einiges geschehen. Zum einen hat das US-Repräsentantenhaus trotz der republikanischen Mehrheit doch noch ein Militärpaket für die Ukraine verabschiedet. Trump blieb weitgehend still. Das zeigte, dass auch er nicht für eine Niederlage der Ukraine verantwortlich sein will. Zum anderen ist die russische Armee im Donezbecken auf dem Vormarsch. Mit der streng dosierten Ukrainehilfe der Biden-Administration konnte der russische Generalstab also zuletzt gut leben.

Putin will die ganze Ukraine

Und dann ist vielen in Russland klargeworden, dass Trump die Ukraine zwar zu großen Zugeständnissen zwingen will – und das auch kann. Aber dass diese Zugeständnisse für den Kreml nicht annähernd weit genug gehen dürften. Putin geht es nicht um das Donezbecken, um das seine Armee gerade kämpft. Er will die ganze Ukraine unter russischer Kontrolle. Das geht aus seinen Reden seit Kriegsbeginn hervor. Aber die kann Trump ihm nicht geben. Denn ein derartiger Triumph Moskaus und damit auch dessen Verbündeten China dürfte seiner Popularität schaden.
Die große Frage ist also: Wenn der Kreml Trumps Friedenskompromiss ablehnt, was passiert dann? Wird der künftige Präsident, erzürnt darüber, dass er sein Wahlkampfversprechen nicht umsetzen kann, die Ukraine womöglich sogar stärker unterstützen als die Biden-Administration? Zumindest ausschließen lässt sich das nicht – und deshalb sind die verhaltenen russischen Reaktionen auf die US-Wahl gut zu verstehen.