Er kam in einem roten, verbeulten Chevy-Pickup und zog auf der Fahrt zum Gatter eine lange Staubwolke hinter sich her. Er stieg aus und grüßte mit zwei Fingern seiner rechten Hand an der Krempe seines Cowboyhuts. Ich bin John, sagte er. John Ladd. Schön, dass wir uns treffen. Wir fahren jetzt erst einmal zur Scheune und dann reden wir weiter.
John ist Rancher in der Prärie an der Grenze zu Mexiko. Die Rancher hier im Süden Arizonas bewirtschaften riesige Flächen - seine Ranch ist 16.000 acres groß und damit eigentlich eher klein, sagt John. 16.000 acres, das sind fast 65 Quadratkilometer. Von einem Ende zum anderen Ende seiner Ranch braucht er mit dem Pickup auf dem Highway zwanzig Minuten. Eine gute Stunde über die Sand-Pisten.
Probleme mit Einwanderung und Droggenschmuggel
Natürlich habe ich eine Waffe bei mir, sagt John. Immer. Spätestens, seitdem sein Freund Rob Krentz vor sechs Jahren auf seiner Ranch erschossen wurde. Vermutlich von Drogenhändlern aus Mexiko. Wir haben hier ein riesiges Problem mit illegaler Einwanderung und mit Drogenschmuggel, sagt John. Das Drogenkartell sei mächtig und wisse über alles Bescheid. Über die Grenzpatrouillen. Über den Sheriff. Über ihn. Sie sind verdammt gut organisiert, sagt er.
Zehn Minuten dauert es vom Gatter bis zur großen Scheune. John greift sich einen alten Stuhl und verschränkt seine Arme über der Rückenlehne. Er ist 61 Jahre alt. Schlank, drahtig, braun gebrannt. Das rot-karierte Flanellhemd ist am Oberarm zerschlissen. John spuckt in weitem Bogen eine Ladung Kautabak aus. Die Sache ist nämlich die, sagt John: Wenn Du Schiss hast, hast Du ein Problem.
Aber John hat keinen Schiss vor den Coyotees - und deshalb will er, dass möglichst viele mitbekommen, was hier unten an der Grenze zu Mexiko wirklich abgeht. Selbst, wenn er weiß, dass das Kartell ihn längst auf dem Kieker hat.
"Man geht nicht mit einem Messer in eine Schießerei"
Die Coyotees, das sind die Schlepper, die den sogenannten Illegalen ein Vermögen abnehmen und sie zwingen, Rauschgift über die Grenze zu schmuggeln. Vor gar nicht langer Zeit ist ihm auf seiner Ranch eine Gruppe von Schmugglern in drei gestohlenen Pick-ups entgegengekommen - und natürlich hat er sie fahren lassen. Man geht nicht mit einem Messer in eine Schießerei, sagt John. Und nicht mit einer Knarre in die Schlacht.
Er greift erst recht nicht mehr ein, seit alles anders geworden ist: Früher kamen Mexikaner, die nur arbeiten wollten. Heute sind es arme Teufel aus zentralamerikanischen Staaten wie Honduras oder El Salvador. Sie sind auf der Flucht vor der Mafia und vor Mörderbanden und haben nichts mehr zu verlieren. Und sie haben sich ihren Schleppern komplett ausgeliefert. Das verstehen die Politiker in Washington einfach nicht, sagt John. Sie haben nie an der Grenze gelebt. Sie wissen nicht, was hier abgeht.
John ist wütend. Auf das Kartell und die Schlepper. Aber auch auf Washington und die Politik. Alles Lügner und Versager. In Wirklichkeit habe doch überhaupt niemand ein Interesse an einer sicheren Grenze. Es geht um Geld, meint er. Und um Macht.
"Wer illegal über die Grenze kommt, muss ins Gefängnis"
Die Mexikaner wollten eine offene Grenze, weil die Illegalen Geld nach Hause schicken. Und was wollen die Amerikaner? John sagt es so: Die Republikaner wollen billige Arbeitskräfte. Die Demokraten billige Latino-Wähler. Und der amerikanische Verbraucher will billige Tomaten.
Von der billigen Arbeitskraft der Illegalen profitieren alle, sagt John. Er schiebt sich den Western-Hut in den Nacken. Es geht bei der illegalen Migration nicht um Menschlichkeit, meint er. Es geht um die Einhaltung der amerikanischen Verfassung. Wer illegal über die Grenze kommt, muss ins Gefängnis. Und wird abgeschoben. Punktum.
Wenn es nach ihm ginge, würde er ganz langsam die Daumenschrauben anziehen - so wie Sheriff Joe Arpaio in Phoenix: Der sperrt die Illegalen nicht ins Gefängnis, sondern lässt sie bei 40 Grad im Schatten in Zelten auf dem Gefängnishof schmoren. Das hat ihm jetzt ein Strafverfahren eingetragen - wegen des Vorwurfs der Rassendiskriminierung. Arpaio unterstützt Trump. John Ladd unterstützt beide - Joe Arpaio als Sheriff und Donald Trump als Präsidentschaftskandidaten.
Mauer zu Mexiko löst das Problem nicht, sagt John
Donald Trump hat Recht, sagt John Ladd, wenn er eine sichere Grenze fordert. Allerdings hält er von dem Plan Donald Trumps nicht viel, aus dem Grenzzaun wie im Süden seiner Ranch eine veritable Mauer zu machen: insgesamt 3.000 Kilometer lang und richtig schön hoch und unüberwindlich, wie Trump sagt. Das ist eine Illusion, meint Ladd, und nur symbolisch gemeint. Eine Mauer hält keine Menschen auf. Und schon gar nicht in dieser Gegend aus Bergen, Schluchten und reißenden Flüssen.
Ladd unterscheidet - anders als Donald Trump - zwischen Armutsflüchtlingen und Drogendealern: Die einen kommen, um zu arbeiten. Die anderen, um abzuzocken. Trotzdem verteidigt John Ladd Trumps Pauschalurteil über die Latinos im Land: Alles Vergewaltiger. Verbrecher. Mörder.
John Ladd wollte dann doch noch die Grenze zeigen, "seine Grenze" und "seinen Zaun", wie er sagte. Von dort ist das weite Tal seiner Ranch zu sehen, umgeben von Bergen, die Huachuca-Mountains heißen oder Mule Mountains. Drüben, auf der mexikanischen Seite, sind durch den Gitterzaun Gebäude und Stallungen zu sehen.
Als kleiner Junge sei er oft dort gewesen, erinnert sich John. Die Familien diesseits und jenseits der Grenze waren befreundet. Das ist lange her. John ist plötzlich gar nicht mehr so wütend. In Wahrheit sind dort drüben nicht alles Verbrecher, sagt er. Auch dort gibt es gute Menschen wie bei uns. John stieg dann wieder in seinen verbeulten roten Pickup. Gab Gas. Und zog eine lange Staubwolke hinter sich her.