US-Wahlkampf
Trumps Lüge vom "Wahlbetrug"

Donald Trump gibt sich siegessicher vor der US-Präsidentschaftswahl. Doch zugleich erhebt der Kandidat der Republikaner erneut haltlose Wahlbetrugs-Vorwürfe. Eine mögliche Wahlpleite würde er wohl wie schon 2020 nicht akzeptieren.

    Ex-Präsident Donald Trump am 31. Oktober 2024 bei einem Auftritt in Arizona
    Lügen und Hetze sind fester Bestandteil der Wahlkampfrhetorik von Donald Trump (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Julia Demaree Nikhinson)
    Wie vor vier Jahren heizt Donald Trump vor der Präsidentschaftswahl in den USA bei seinen Anhängern die Stimmung an. Und wie 2020 behauptet er, dass ihm ein Sieg nur durch angeblichen Wahlbetrug genommen werden könne. Wahrheitswidrig sagt er seinen Anhängern, er führe in jedem der sieben umkämpften US-Bundesstaaten, die die Wahl wohl entscheiden werden. Tatsächlich zeigen die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen im Rennen gegen Vizepräsidentin Kamala Harris. Doch Trump verkündet eine ganz andere Botschaft: „Das Einzige, was uns stoppen kann, ist Betrug.“
    Sollte der frühere US-Präsident die Wahl verlieren, ist zu erwarten, dass es wie 2020 kommt. Nur gefährlicher. Damals erkannte der republikanische Präsidentschaftskandidat den Sieg der Gegenseite nicht an. 62 Gerichte wiesen in der Folge Klagen wegen angeblichen Wahlbetrugs ab. Republikanische Wahlleiter weigerten sich, Trumps Forderung zur nachträglichen Wahlfälschung nachzukommen. Er stachelte seine Anhänger mit Hetze und Lügen dazu auf, am Tag der Bestätigung der US-Wahl durch den US-Kongress das Kapitol in der Hauptstadt zu stürmen. Mehrere Menschen starben bei den schweren Ausschreitungen von Trumps Anhängern.

    Inhalt

    Was bezweckt Trump mit Aussagen zu angeblichem Wahlbetrug?

    Trump baut offenbar vor und versucht die Legitimität der Wahl anzuzweifeln – vorbeugend für den Fall, dass er verliert. Beobachter fürchten auch, dass Trump durch seine Lügen gezielt die Gewaltbereitschaft seiner Anhänger provoziert und auf Ausschreitungen überall im Land setzt.
    Trump untergräbt mit seinen falschen Behauptungen zum Wahlbetrug schon vor dem Wahltag gezielt das Vertrauen in den demokratischen Prozess und seinen korrekten Ablauf, in die Institutionen und in die Menschen, die als Mitarbeitende bei der Wahl einen Eid auf die amerikanische Verfassung geschworen haben.
    Mehr als 70 Prozent der republikanischen Wähler glauben bis heute, dass Joe Biden 2020 nur aufgrund von Wahlbetrug US-Präsident geworden sei. Neben dutzenden von Gerichtsentscheidungen haben auch dreimalige Nachzählungen in den heute wie damals besonders umkämpften Bundesstaaten Georgia und Arizona allesamt Bidens knappen Sieg vor vier Jahren bestätigt.
    Im US-Südstaat Georgia hat das Parlament mit republikanischer Mehrheit seither ein Wahlgesetz mit strengeren Vorschriften beschlossen. Dennoch fürchten republikanische Wähler in Georgia weiterhin Wahlbetrug – besonders in demokratisch dominierten Großstädten. Georgia ist seit 2020 ein Hotspot rund um erfundene Wahlfälschungs-Theorien. So wiederholen Trump-Anhänger bis heute die Falschaussage, dass sogar Haftstrafen wegen erwiesener Wahlfälschung verhängt worden sei. Es gab aber keine Wahlfälschung in Georgia – und keine Gefängnisstrafen.
    Auch im „battleground state“ Pennsylvania versuchen Trump und seine Unterstützer den Eindruck zu erzeugen, dass mit den dortigen Wahlregularien einiges nicht stimme und dem Ergebnis nicht zu trauen sei, wie die „Washington Post“ berichtet. Donald Trump behauptet unter anderem, dass Wähler bei der vorzeitigen Stimmabgabe abgewiesen worden seien. Der Ex-Präsident wolle offenbar erneut Chaos schüren, wies der demokratische Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, Trumps Vorwürfe zurück. Die Wahlen in Pennsylvania würden wie schon in 2020 „fair, gerecht und sicher" sein. 
    Der Oberste Gerichtshof der USA stoppte Anfang November einen Versuch der Republikaner, kurz vor der Präsidentschaftswahl die Wahlbestimmungen zu ändern. Wer bei der Briefwahl versehentlich auf dem äußeren Umschlag die verlangten Angaben nicht korrekt gemacht hat, darf in Pennsylvania weiterhin am Wahltag per provisorischem Stimmzettel wählen. Die republikanischen Wähler hatten beantragt, dass diese provisorischen Stimmzettel nach missglückter Briefwahl nicht gezählt werden dürften. Die provisorischen Stimmzettel kommen zum Einsatz, wenn Zweifel an der Wahlberechtigung einer Person bestehen. Sie werden separat aufbewahrt und erst nach Überprüfung gezählt.
    Insgesamt wurden von Trumps Unterstützern bereits mehr als 130 Beschwerden in 26 US-Bundesstaaten gegen Vorgaben rund um die Wahlen eingereicht. Dabei geht es um alle Aspekte von der Registrierung über die Organisation der Stimmabgabe bis hin zur Frage, wer überhaupt wählen darf. Mit den Klagen soll offenbar das Vertrauen in den Wahlvorgang untergraben.

    Wie läuft die Auszählung in den Bundesstaaten ab?

    Das Auszählungsprozedere ist komplex und in jedem US-Bundesstaat - und manchmal von County (Bezirk) zu County - unterschiedlich geregelt. Auch die Regeln für Briefwahl, die Öffnungszeiten der Wahllokale und die Fristen, bis wann Briefwahlstimmen im Wahllokal vorliegen müssen, sind unterschiedlich.
    So hat die parteienunabhängige Organisation Voting Rights Lab laut einem Bericht der Deutschen Welle über 700 neue Wahlgesetze seit 2020 gezählt. Einige dieser Gesetze erleichterten die Stimmabgabe, doch viele andere, wie die Reduzierung der Anzahl von Wahllokalen oder neue Ausweispflichten, täten dies nicht. Das kann dazu führen, dass in einigen der besonders umkämpften Bundesstaaten die Ergebnisse lange auf sich warten lassen.
    In Pennsylvania dauerte es 2020 vier Tage, bevor klar war, dass Joe Biden die Nase vorne hatte. Der Grund: Die Wahlhelfer mussten sich durch bergeweise Briefwahlstimmen arbeiten. Anders als in vielen anderen Bundesstaaten darf in Pennsylvania mit der Überprüfung auf Korrektheit und dann der Auswertung der Briefwahlstimmen erst am Wahltag um sieben Uhr morgens begonnen werden. Die republikanische Mehrheit im Landesparlament verhinderte, dass die Briefwahlstimmen vorab zumindest schon auf Korrektheit überprüft werden können, so wie beispielsweise im ebenfalls republikanisch regierten Georgia.
    Auch dies könnte eine Vorbereitung sein, um später Wahlbetrug zu behaupten: Wenn am Wahlabend der Kandidat Trump in Pennsylvania wie der Sieger erscheint, wächst das Misstrauen, wenn die Auszählung sich hinzieht - und ist dann riesengroß, wenn Tage später durch die verzögerte Auszählung der Briefwahlstimmen, die vor allem Demokraten nutzen, die Kandidatin Harris den scheinbaren Sieger Trump überholt. Viele Trump-Wählerinnen und Wähler dürften sich dann bestätigt sehen, dass es in Pennsylvania bei der Wahl nicht mit rechten Dingen zugeht. Eine schnellere Auszählung der Briefwahl ließe weniger Raum für Verschwörungstheorien. 
    Auch diesmal ist Pennsylvania der "Große Preis" unter den Swing States, denn mit 19 Wahlleuten gibt es hier mehr Stimmen als in jedem der sechs anderen umkämpften Staaten zu holen.
    In North Carolina stand das Ergebnis 2020 sogar erst zehn Tage nach der Wahl endgültig fest. Zwar darf hier schon vor dem Wahltag mit der Prüfung der bereits vorliegenden Briefwahlstimmen begonnen werden. Stimmzettel, die etwa von im Ausland stationierten Militärangehörigen erst am Wahltag eingehen, werden aber erst im Anschluss an den Wahltag ausgewertet. Sollte es in North Carolina tatsächlich so eng zwischen Harris und Trump zugehen, wie die Umfragen nahelegen, dann könnte es auch dieses Mal durchaus  eine Woche dauern, bis das Ergebnis feststeht.
    In Georgia wiederum werden Stimmzettel aus dem Ausland sogar noch drei Tage nach der Wahl akzeptiert, wenn sie spätestens am 5. November, also dem Wahltag, abgestempelt wurden.
    In Wisconsin darf wie in Pennsylvania erst am Wahltag in der Früh damit begonnen werden, per Post eingegangene Stimmzettel auszuwerten. Dafür hat Wisconsin die Besonderheit, dass die wenigen großen Städte in dem nördlichen Bundesstaat Briefwahlstimmzettel zur Bearbeitung an einen zentralen Ort liefern. Das kann dazu führen, dass die Ergebnisse aus der Briefwahlauszählung von Wisconsins Städten erst in den frühen Morgenstunden nach Schließung der Wahllokale eintrudeln.

    Was könnte Trump im Falle einer Wahlniederlage tun?

    Seit Jahren bereiten Trump-Unterstützer wie Stephen Miller, enger Berater in Trumps erster Amtszeit, Klagen für diesen Fall vor. Anders als vor vier Jahren sind die Juristen von America First Legal und andere findig und gut. Das Trump-Lager ist auch sonst besser vorbereitet: Es hat 100.000 Freiwillige und tausende Anwälte rekrutiert, die den Auftrag haben, die "Korrektheit" der Wahlen zu überwachen.
    Die Klagen könnten zu einer weiteren Verzögerung führen, bis das endgültige Wahlergebnis vorliegt. Vor vier Jahren fand die Präsidentschaftswahl am 3. November statt, das Ergebnis stand erst vier Tage später fest. Trump hatte damals in der Wahlnacht sofort den Sieg für sich reklamiert und zugleich auf allen Kanälen die Behauptung vom Wahlbetrug verbreitet.
    Die Demokraten hatten sich 2020 juristisch vorbereitet und heute, vier Jahre später, steht eine große Schar erfahrener Wahlrechtsjuristen bereit, sollten Trumps Unterstützer wie erwartet wegen vorgeblichen Wahlbetrugs klagen.  "Wir haben die Ressourcen und die Erfahrung", um zu reagieren, sagte die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Harris in der vergangenen Woche.
    Nach der Wahl 2020 haben sich Trump-Unterstützer auf den Aufbau lokaler Netzwerke konzentriert, die gezielt Trump-Anhänger in Wahlausschüsse vor Ort gewählt haben und gegen lokale Wahlbeamte vorgehen, die ihre Ansichten nicht teilen. Dies könnte in vielen der tausenden von Wahlbezirken zu Gewalt und Ausschreitungen führen, sollte Donald Trump nicht gewählt werden
    Da Trump nicht mehr Präsident ist, kann er weder Bundesbehörden oder etwa die Nationalgarde für seine Ziele nutzen. Aber er kann auf Zuspruch für seine Ziele und seine wahrheitswidrigen Behauptungen auch bei Mitgliedern der Sicherheitskräfte zählen.
    Die US-Geheimdienste registrieren schon länger eine massive Einmischung ausländischer Akteure in den US-Wahlkampf. Insbesondere Russland und dem Iran gehe es darum, die Spaltung in der US-Gesellschaft zu vertiefen und dadurch die Vereinigten Staaten zu schwächen. So ist ein Video, in dem angebliche Haitianer vorgeblich behaupten, für Harris gestimmt zu haben, obwohl sie keine US-Bürger seien, nach Angaben des obersten Wahlleiters im US-Staat Georgia eine Fälschung. Das Video sei das Produkt einer russischen Trollfarm, erklärte Brad Raffensperger, der republikanische Secretary of State von Georgia.
    Ein Teil der unwahren Wahlfälschungs-Vorwürfe werde so in Umlauf gebracht, berichtet die Nachrichtenagentur AP: beispielsweise ein Video, das zeigt, wie jemand angeblich gerade eine Wahlmaschine oder ein Registriersystem hackt. In den sozialen Netzwerken kursieren zahlreiche Videos, die vorgeben, Wahlbetrug zu zeigen, die sich aber schnell als Fälschung oder Irreführung herausstellen.

    Wie reagieren die Demokraten?

    Auch die demokratische Gegenseite hat rund 35 Wahlbeschwerden eingereicht. Nach eigenen Angaben will die Partei verhindern, dass durch die aggressive juristische Strategie der Republikaner Wahlberechtigte an der Stimmabgabe gehindert werden, berichtet CNN.
    Der Boden scheint also bereitet für eine lange Auseinandersetzung vor den Gerichten und Betrugsvorwürfe aller Art. Nach den Erfahrungen von 2020, als Teile der Republikaner Bidens Sieg nicht anerkennen wollten, wurden die Vorschriften zur Feststellung des Wahlergebnisses im Kongress mit einer Electoral Count Reform verbindlicher geregelt. Dies macht es schwieriger, bei der Bestätigung der Wahl am 6. Januar durch den US-Kongress das Ergebnis zu manipulieren. Aber nicht alle Gefahren sind damit gebannt.

    Gibt es bei der US-Wahl unabhängige Wahlbeobachter?

    Ja, auch in diesem Jahr werden wieder Wahlbeobachter der OSZE vor Ort sein – unter anderem auch aus Deutschland. In ihrem Abschlussbericht zur Wahl 2020 hatte die Organisation betont, dass die Präsidentschaftswahl friedlich und ohne Einschüchterungsversuche von Wahlberechtigten abgelaufen sei. Wahlbetrugs-Vorwürfe seien vor den Gerichten entweder abgewiesen worden oder die Kläger hätten ihre Einsprüche zurückgezogen.

    Doris Simon, tei