Christoph Heinemann: Terry Branstad kann zu seinem neuen Job gleich einen Feuerlöscher mitnehmen. Der bisherige Gouverneur des Bundesstaates Iowa wird sein Land, die Vereinigten Staaten von Amerika, künftig in der Volksrepublik China vertreten. Im Konzert der Großmächte legen Donald Trumps erste Fingerübungen auf der internationalen Tastatur den Schluss nahe, dass sich Terry Branstad nicht langweilen wird. Trump hat mit einem Telefonat mit Taiwans Staatschefin Tsai Ing-wen für Verstimmung in Peking gesorgt, denn er hat mit jahrzehntelangen diplomatischen Gepflogenheiten gebrochen. Die USA hatten im Zuge ihrer Annäherung an die Volksrepublik China 1979 ihre diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und die Führung in Peking als alleinige Regierung Chinas anerkannt, was als Ein-China-Politik bezeichnet wird. Für Trump hat aber auch das andere China Gesicht und Stimme. Das kann ja heiter werden, denken sich jetzt vielleicht der eine oder andere Diplomat. In vielen Außenministerien herrscht Ratlosigkeit. Entsprechend groß das Interesse an Informationen aus der US-Hauptstadt. Johannes Singhammer (CSU), der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, führt zurzeit politische Gespräche in der US-Bundeshauptstadt. Guten Morgen!
Johannes Singhammer: Guten Morgen, Herr Heinemann.
"Das sind erfahrene Profis"
Heinemann: Herr Singhammer, beginnen wir mit den Inhalten. Sind für Sie nach Ihren ersten Gesprächen jetzt Grundzüge der Trumpschen Außenpolitik erkennbar?
Singhammer: Nun, einiges, glaube ich, sieht man mittlerweile ein bisschen klarer. Wenn man die Sicherheitsmannschaft von Donald Trump betrachtet, das heißt, zunächst mal den Verteidigungsminister Mattis, dann aber auch den Sicherheitsberater Flynn und dann auch den neuen CIA-Chef, dann, denke ich, kann man feststellen, das sind keine Persönlichkeiten, die neu in einen solchen Job kämen, sondern das sind erfahrene Profis, die in diesen Bereichen seit Langem aktiv sind. Das heißt, es sind sehr überlegte Entscheidungen, die getroffen worden sind und die auf alle Fälle Erfahrungen mit sich bringen.
Heinemann: Das klingt so, als wollten Sie sagen, Trump ist von Profis eingehegt?
Singhammer: Das wird sich herausstellen, wen er sonst noch alles in seine Regierung berufen wird. Aber klar ist auch, es sind nicht irgendwie spontane Entscheidungen, die getroffen werden würden, sondern es ist ein Konzept erkennbar, das eine politische Handschrift trägt und das jetzt nach und nach umgesetzt wird. Es fehlen natürlich noch eine ganze Reihe aus der Regierungsmannschaft, vor allem die wichtige Position des Außenministers, die für Deutschland wichtig ist, aber es lassen sich auch Inhalte schon erkennen. Inhalte sind beispielsweise in der Sicherheitspolitik, was mir die Kollegen aus dem Kongress in den Gesprächen immer wieder auch gesagt haben: Kampf gegen den Terrorismus, das wird sich nicht ändern, das war auch bisher so. Aber - und das ist vielleicht etwas deutlicher geworden - es wird wohl erwartet, dass Deutschland einen höheren Beitrag leisten soll für die Verteidigung, für die Sicherheit. Das heißt, es geht um eine Erhöhung auch des Beitrags im Verteidigungsbereich, der von Deutschland erwartet wird.
Heinemann: Herr Singhammer, Donald Trump hat sich ja bisher nicht sehr freundlich über die transatlantischen Beziehungen geäußert. Kehrt Washington Europa den Rücken?
Singhammer: Mein Eindruck ist das nicht. Ich denke, Washington weiß genau, welche Bedeutung Europa hat, auch in Sachen gemeinsamer Werte, und Washington weiß auch, dass Europa als das Land in der Mitte Europas, als das Land mit der größten ökonomischen Kraft auch ganz besonders gebraucht wird. Ich rate dazu, mit mehr Gelassenheit die Entwicklung in Washington in diesem Bereich zu sehen und vor allem auch selbstbewusst auf die neue Administration der Regierung unter dem Präsidenten Trump zuzugehen. Deutschland hat auch viel einzubringen und das, denke ich, weiß man in Washington.
"Der Politikstil wird etwas anders sein"
Heinemann: Sprechen wir über politischen Stil, Herr Singhammer. Trump hat ja mit der Staatschefin von Taiwan telefoniert. Das Regime in Peking ist deshalb stinksauer. Erwarten Sie in den kommenden Jahren entsprechende Tabubrüche?
Singhammer: Ich denke, das zeichnet sich schon ab, dass der Politikstil etwas anders sein wird. Der Präsident elected hat über Twitter auch in den vergangenen Tagen immer wieder für eine sehr starke Beobachtung gesorgt. Teilweise sind seine Twitter-Meldungen bestimmend gewesen für die Nachrichtenlage in den Vereinigten Staaten. Das ist sicher ein neuer Stil, wenn er so beibehalten wird, und ich würde ihn bezeichnen als durchaus immer wieder mal unorthodox. Aber ich denke, man kann nicht daraus schließen, dass es jetzt eine spontane Art von Politik gäbe, sondern es ist eine etwas andere Art der Politik, die für uns etwas unorthodox wirkt, aber gleichwohl sehr planvoll ist.
Heinemann: Trump bezieht ja auch seine Familie sehr stark ein. Rechnen Sie damit, dass Trumps Familie den Diplomaten Beine machen wird in den kommenden vier Jahren?
Singhammer: Darüber wird gerätselt in Washington, was das nun sein kann, wieweit überhaupt die Familie weiteren Einfluss hat. Da ist man sehr im Bereich des Spekulativen. Klar ist jedenfalls eines: Es wird am 20. Januar die Inauguration, die Vereidigung erfolgen und dann wird innerhalb von sechs Stunden in einem logistischen Meisterakt das Weiße Haus sozusagen geräumt. Der Vorgänger zieht aus und Donald Trump wird einziehen. Ob dann Familienangehörige mit dabei sind, weiß einfach zurzeit noch keiner genau. Es ist auch müßig, darüber jetzt zu spekulieren.
Heinemann: Könnte Trump der internationalen Politik vielleicht auch guttun, jemand, der klare Aussagen trifft statt diplomatischer Leisetretereien?
Singhammer: Ich denke, ja, dass eine klare Ansage immer auch von Vorteil ist, denn damit kann man Missverständnisse vermeiden, und insofern meine ich, dass eine klare politische Haltung auch Vorteile haben kann. Wir wissen, ein Teil der Konturen wird erkennbar sein, andere kennen wir noch nicht. Wenn ich jetzt noch mal ganz kurz erwähnen darf auch die Handelspolitik, die für Deutschland von großer Bedeutung ist. Ich höre bei den Gesprächen mit den Kongresskollegen immer wieder das Begriffspaar der Freihandel und der faire Handel. Der faire Handel soll künftig eine größere Rolle spielen und dort meint man mit fairem Handel sicher weniger den Kauf von Kaffeebohnen aus einer Kooperative in Afrika, sondern es wird gemeint oder verstanden darunter, dass Handel auch vor allem auf einer wertebasierten Grundlage erfolgen soll. Und wie diese Werte nun aussehen, darüber wird noch zu diskutieren sein. Vermutlich oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ist ein Wert die Sicherung von Arbeitsplätzen in den Vereinigten Staaten. Das wird sicher einer der Werte sein, aber es werden noch andere dazu kommen und da wird, denke ich mal, die weitere Entwicklung mit doch durchaus großer Neugier zu beobachten sein.
Einweihung Christkindelmarkt
Heinemann: So viel Politik. Sie haben mir, Herr Singhammer, im Vorgespräch eben gesagt, dass Sie gerade, obwohl Sie jetzt in Washington sind, von der Eröffnung eines Christkindelmarktes zurückgekommen sind. Das müssen Sie uns noch kurz schildern.
Singhammer: Ja. Die Bundeswehr ist mit einigen hundert Soldaten in Nordamerika vertreten. Das Kommando ist in einer Kleinstadt in der Nähe von Washington, einer Stadt namens Reston, und dort ist es Tradition, dass die Soldaten der Bundeswehr und ihre Angehörigen einen Christkindelmarkt aufbauen, selbst betreiben, und das mit großer Beteiligung der amerikanischen Nachbarn. Da habe ich diesen Christkindelmarkt eröffnen dürfen. Das waren insgesamt drei bis 4.000 Menschen, die da gekommen sind. Und da ist, glaube ich, zweierlei wichtig: Zum einen, dass natürlich für die deutschen Bundeswehrangehörigen es wichtig ist, auch dieses deutsche Brauchtum Christkindelmarkt zu pflegen, aber zum anderen auch die Verbindung mit den amerikanischen Nachbarn damit zu pflegen. Und was wichtig ist für die Amerikaner ist der Dienst der Bundeswehr in Amerika, also im Ausland, was nicht für jeden gleich leicht ist, eine Sache, die sie respektieren, die sie anerkennen und worüber sie sich auch freuen.
Heinemann: Transatlantische Beziehungspflege der etwas anderen Art - Johannes Singhammer (CSU), der Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören nach Washington.
Singhammer: Danke schön, Herr Heinemann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Lesen Sie hier in Kürze das vollständige Interview mit Johannes Singhammer