Archiv

Trumps gestürzter Einflüsterer
Warum Stephen Bannon gefährlich bleibt

Das Weiße Haus musste er verlassen, doch Stephen Bannon bleibt einflussreich in der amerikanischen Politik. Als der US-Präsident seinen Chefberater vor die Tür setzte, war das Porträt des Journalisten Tilman Jens über Bannon längst im Druck. Lesenswert ist sein Buch trotzdem.

Von Gregor Peter Schmitz |
    Stephen Bannon, ehemaliger Chefstratege von US-Präsident Trump.
    Stephen Bannon, ehemaliger Chefstratege von US-Präsident Trump. (picture-alliance / dpa / CNP / Olivier Douliery)
    Donald Trumps Kampagne, sein Wahlsieg, seine Politik - all dies trägt die Handschrift eines Mannes, der als Einflüsterer, als Schattenpräsident, auch als Fürst der Finsternis bezeichnet wird: Stephen Bannon. Seinen Posten im Weißen Haus als Chefstratege hat er kurz vor Erscheinen dieses Buches verloren – doch er ist deswegen nicht weniger gefährlich geworden.
    Der erfahrene deutsche Publizist Tilman Jens porträtiert diesen Mann, der für sich selbst größte historische Bedeutung reklamiert.
    "Der Amoklauf des Stephen Bannon [...] war von langer Hand geplant. Er hat ihn über Jahre angekündigt. Er steht unter dem Schutz von reichen, einflussreichen Freunden. Und doch scheinen ihn, den nicht selten beklemmend Weitsichtigen, Albträume zu quälen: 'Ich bin wie Thomas Cromwell am Hofe der Tudors', hat Bannon kurz nach der Wahl dem 'Hollywood Reporter' erklärt."
    Was für ein Vergleich: Thomas Cromwell, der Rebell unter Tudorkönig Heinrich VIII. Cromwell war ein echter Umstürzler, der etwa die Reformation brutal vorantrieb. Doch entzog der König ihm schließlich die Gunst, er wurde als Ketzer enthauptet.
    Bannon bleibt ein Strippenzieher
    Stimmt die Parallele also? Immerhin musste auch Bannon das Weiße Haus verlassen. Doch sein Kampf gehe weiter, schreibt der Autor auf seiner Internetseite, wo er die aktuellen Entwicklungen in der Causa Bannon kommentiert. Schon in seinem Buch sieht er weitsichtig voraus, dass der Mann, der Trump zum Präsidenten gemacht hat, im Zweifel auf seinen alten Chefposten bei der Propagandaplattform Breitbart News zurückkehren werde. Das hat er nun getan und dort dürfte er weiterhin Strippen ziehen - vielleicht sogar gegen Trump. Was das für den US-Präsidenten bedeuten kann, lässt Tilman Jens erahnen:
    "Sollte der erste Mann im Staat sich je widersetzen, werden die rechtspopulistischen Mediennetzwerke, die Bannon einst aufbaute und die den Ausgang der Wahl im November 2016 entscheidend beeinflussten, dem Ungehorsamen den Krieg erklären. 'We are going to hammer him', wir werden ihn zertrümmern, drohte im April 2017 unverhohlen ein Kommentator auf der einst von Bannon geführten Internetplattform Breitbart News, der Trump vor einer Abkehr vom versprochenen Hardliner-Kurs, vor einer Entlassung seines Beraters warnte. Ein US-Präsident in der Hand seines Chefstrategen, der nach Pulverdampf giert: Die Vorstellung macht Angst. Realitätsfern ist sie nicht."
    Bannon ist Vordenker der Trump-Revolution
    Für den Autor stellt sich aber auch eine zweite Frage: Ist Präsident Trump ohne Bannon im Weißen Haus überhaupt überlebensfähig? Immerhin habe der ihn erst dorthin geführt - indem er den theoretischen Überbau für die Trump-Revolution lieferte:
    "Rund alle 80 Jahre müsse laut Bannon die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert werden, um sich zu häuten, auf dass nach heutigen Gefechten eine neue, lebensfähige Gesellschaftsordnung entstehe. Sonst drohe der Untergang, kein Aufschwung ohne Krise! Bannon schreibt: 'Wir hatten den Bürgerkrieg, wir hatten die Weltwirtschaftskrise. Wir hatten den Zweiten Weltkrieg. Nun steht die vierte große Umwälzung in der amerikanischen Geschichte bevor.'"
    Damit nicht genug: Bannon hat, wie Tilman Jens schreibt, auch die politische Kultur in den USA längst nachhaltig geprägt - etwa mit seiner Überzeugung, Pluralismus und Meinungsvielfalt seien Werte der Vergangenheit. Medien, die seine Weltsicht nicht teilen, hält er "alternative Fakten" entgegen.
    Virtuelle Propagandamaschine
    Ansonsten verlässt sich Bannon auf Geld - Robert Mercer, milliardenschwerer Finanzier der Trump-Bewegung, bleibt sein engster Vertrauter - und auf Daten. Im Wahlkampf nutzte Bannon erfolgreich umstrittene Datendienste wie Cambridge Analytica, dessen Chef selbstbewusst sagt: "Wir haben ein Modell entwickelt, das die Persönlichkeit jedes Erwachsenen in den USA berechnen kann." Jens schreibt:
    "Das mag ein wenig übertrieben sein. Aber mehr als 20 Millionen solcher Profile sind verbürgt. Trump weiß, wem er den November-Triumph zu verdanken hat: den Tüftlern rund um seinen engsten Berater, die ihm den rechtsfreien Raum des Internets öffneten, in dem kein Kraut gegen die Verleumdung gewachsen und jedes Dementi zwecklos ist. Hier lassen sich im Sekundentakt alternative Fakten schaffen. Am 1. Juli 2017 twittert der Präsident an seine Gemeinde: 'Erinnert euch, ich gewann die Wahl 2016 mit Interviews, Reden und sozialen Medien. Ich musste die Fake News schlagen, und das tat ich.' Er konnte dies, weil ihm Bannon, erst bei Breitbart, dann in der Wahlkampfzentrale, eine virtuelle Propagandamaschine zusammenbaute, wie es sie nie zuvor gegeben hat."
    Insofern hat Stephen Bannon auch jetzt noch Macht über Donald Trump. Weil er vieles weiß, was dem Präsidenten schaden könnte. Aber auch, weil irgendwann eine Wiederwahlkampagne ansteht, für die Bannon gebraucht werden könnte. Bannon ist also auch ohne offizielles Berateramt im Weißen Haus einflussreich. Wer begreifen möchte, wie Bannon und Trump die politische Kultur in den USA verändert haben und welche Auswirkungen dies haben dürfte, sollte zum lesenswerten Buch von Tilman Jens greifen.
    Tilman Jens: Stephen Bannon. Trumps dunkler Einflüsterer.
    Heyne Verlag, 192 Seiten, 15 Euro.