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Trumps Protektionismus
"Europäer müssen aufpassen, dass sie nicht ins Hintertreffen geraten"

US-Präsident Donald Trump habe mit seiner Wirtschaftspolitik eine neue Situation geschaffen, auf die deutsche und europäische Politik nun reagieren müssten, sagte der FDP-Wirtschaftsexperte Theurer im Dlf. Steuererleichterungen und eine steuerliche Forschungsförderung etwa seien dringend erforderlich.

Michael Theurer im Gespräch Stephanie Rohde |
    Der Landesvorsitzende der FDP in Baden-Württemberg, Michael Theurer, spricht am 12.06.2015 in Balingen (Baden-Württemberg) auf dem Landesparteitag der FDP zu den Delegierten.
    Michael Theurer, Wirtschaftsexperte der FDP (dpa / picture alliance / Patrick Seeger)
    Stephanie Rohde: Wir wollen den Zustand der Welt verbessern - das ist das selbsterklärte Ziel des Weltwirtschaftsforums in Davos. Abgeschottet über allen Gipfeln haben die Reichen und Einflussreichen bis gestern Abend über die drängendsten Wirtschaftsfragen der Welt diskutiert. Mit dabei war Donald Trump. Der amerikanische Präsident hat in seiner Rede vor allem Werbung für Investitionen in die USA gemacht und ein bisschen versöhnlicher geklungen als noch zuvor.
    O-Ton Donald Trump: "America first" does not mean "America alone".
    Rohde: Also "Amerika zuerst" heißt nicht "Amerika allein". Über Handelsabkommen könne man durchaus sprechen, wenn sie denn fair sind. Was der amerikanische Präsident nicht fair findet, hat er schon vor seiner Reise nach Davos klargemacht: Für Waschmaschinen und Solarzellen aus China und Südkorea verhängen die USA Strafzölle, was als direkter Angriff auf die beiden Länder gewertet wurde. Die europäischen Unternehmenschefs in Davos, so hört man, beglückwünschen Trump für diesen Schritt. Darüber möchte ich sprechen mit Michael Theurer, er ist stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der FDP und Wirtschaftsexperte der FDP, vorher war er im Europäischen Parlament. Guten Morgen!
    Michael Theurer: Guten Morgen, Frau Rohde!
    Rohde: Herr Theurer, vor der Wahl von Donald Trump gab es die schlimmsten Befürchtungen, Trump würde die Wirtschaft abtöten. Jetzt applaudieren die Unternehmenschefs und die amerikanische Wirtschaft floriert. Ist Trumps Protektionismus "great"?
    "Das ist eine neue Situation, auf die die deutsche Politik reagieren muss"
    Theurer: Zunächst mal muss man sagen, man ist schon froh, wenn Donald Trump eine Rede oder einen Auftritt so unfallfrei absolviert wie jetzt in Davos. Und angesichts der Freundschaft und des Wohlstandes, die die amerikanischen Freunde nach dem Zweiten Weltkrieg uns in Deutschland insbesondere gebracht haben, darf man sie ja mit Trump auch nicht alleinlassen. Er ist ja im Reisegepäck dann dort angekommen mit guten Zahlen aus den USA, Wirtschaftswachstum, Steuersenkungen, und umgarnt die Unternehmenschefs. Das ist schon eine neue Situation, auf die eben auch die deutsche und europäische Politik entsprechend reagieren müssen.
    Rohde: Aber heißt das, dass das ein cleverer Kurs ist der USA, jetzt auf ganz spezielle Sektoren zu setzen - also nicht die zentralen Sektoren wie zum Beispiel Stahl -, gleichzeitig Steuersenkungen zu machen und dann so ein bisschen fairen Handelsabkommen anzubieten? Ist das clever?
    Theurer: Die Beobachter sind sich einig, dass der Auftritt von Donald Trump schon ein kluger Schachzug jetzt war, weil er sein Bild korrigiert. Und in der Tat ist natürlich die USA ein ganz, ganz wichtiger Markt für die europäischen Exporteure und vor allen Dingen eben auch für die deutsche Wirtschaft und ihre Hochtechnologieprodukte.
    Rohde: Wie sieht das denn aus: Andere Länder betreiben ja auch eine gewisse Form von Protektionismus, Deutschland zum Beispiel hat den größten Leistungsbilanzüberschuss der Welt, ist damit eben gar kein Beispiel für Freihandel. Wie überzeugend ist es jetzt, wenn Trump etwas vorgeworfen wird, nämlich Protektionismus, was man in Deutschland selber auch macht, weil man nur auf die eigene Wirtschaft schaut?
    "Wir müssten in die Lücke hineinstoßen, die Trump geöffnet hat"
    Theurer: Das ist ja so nicht richtig. Die Bundesrepublik und die Europäische Union sind eine sehr offene Volkswirtschaft und wir sind eben auch auf Freihandel in einem besonderen Maße angewiesen. Wir sind rohstoffarm und wir importieren viele Dinge und haben intensiven Handlungsaustausch. Wir leben allerdings davon, dass weltweit unsere Produkte, Fahrzeuge, Maschinen und Werkzeuge gut nachgefragt werden. Also man kann hier nicht sagen, dass wir protektionistisch wären. Und es ist besorgniserregend, dass Donald Trump seinen Wahlkampf mit protektionistischen Parolen gewonnen hat. Dass er das jetzt in Davos etwas korrigiert und in anderen Zusammenhang stellt, ist schon mal ein gutes Zeichen, aber ich glaube, die Europäische Union müsste jetzt hineinstoßen in die Lücke, die Trump geöffnet hat etwa im pazifischen Raum. Er hat ja gesagt, dass die USA nicht am TTP, dem Transpazifischen Freihandelsabkommen teilnehmen möchte. Die anderen Länder haben aber diesen Vertrag jetzt abgeschlossen und ich plädiere seit Langem dafür, dass Deutschland Druck macht, dass Europa in diese Lücke vorstößt.
    Rohde: Aber trotzdem hat Donald Trump ja gesagt, er kann sich vorstellen, mit diesen pazifischen Ländern Handelsabkommen zu haben, auch in einer Gruppe. Das heißt, er lässt den Europäern doch da gar keinen Platz!
    "Wir plädieren für multilaterale Handelsabkommen"
    Theurer: Die Aussage Trumps kann man auch bewerten als ein gewisses Einlenken, denn die anderen transpazifischen Partner haben jetzt den Vertrag abgeschlossen und da gibt es natürlich auch in den USA Stimmen, die davor warnen, dass das für die USA nachteilig ist. Die Europäische Union ist ja bereits in etlichen bilateralen Gesprächen über Freihandelsabkommen beteiligt, zum Beispiel mit Australien und Neuseeland, auch mit Japan wird verhandelt. Das ist auch richtig so, wir müssen als Europäer schauen, dass wir unsere Interessen wahren durch faire Handelsabkommen.
    Rohde: Sie haben vorhin gesagt, die EU steht auch für Freihandel. Aber man muss doch schon sagen, die EU betreibt auf weniger aggressive Weise auch eine Art Protektionismus, sie erhebt nämlich Antidumpingzölle, zum Beispiel auf Stahl- und Chemieprodukte aus China, Russland und aus Indien, außerdem gibt es staatliche Subventionen. Das sind ja auch Mittel von Protektionismus. Wenn Europa da einen freien Marktzugang fordert im Ausland, auch von Donald Trump, warum gewährt es den dann selber nicht?
    Theurer: Ja, wir Freien Demokraten stehen ja für Freihandel, aber wir sagen, er muss fair sein. Das heißt also, wenn es tatsächlich Hinweise darauf gibt, dass Preisdumping stattfindet, dass durch staatliche Subventionen - und der Staatseinfluss gerade in China ist ja nach wie vor hoch - Preise verzerrt werden, dann ist es auch in Ordnung, wenn handelspolitische Gegenmaßnahmen wie Antidumpingzölle erhoben werden. Das Wichtigste allerdings für uns ist, dass das im Rahmen eines multilateralen Systems, nämlich der Welthandelsorganisation WTO stattfindet. Die muss gestärkt werden und da erwarten wir und da hoffen wir, dass Trump das in Zukunft auch mal tut, denn er hat sich in der Vergangenheit ganz anders geäußert. Er ist eigentlich kein Freihändler und auch kein Freund von multilateralen Abkommen, das ist falsch. Und deshalb plädieren wir als Freie Demokraten auf der Linie der Europäischen Union für multilaterale Handelsabkommen.
    Rohde: Aber wenn die USA und China ja so stark auf Protektionismus in Zukunft setzen, sind die Europäer da nicht am Ende die Dummen?
    "Steuererleichterungen halte ich für dringend erforderlich"
    Theurer: Die Europäer müssen in der Tat aufpassen, dass sie nicht ins Hintertreffen geraten. Protektionismus führt dazu, dass die Wirtschaft eher langsamer wächst, aber die USA haben ja vor allen Dingen jetzt im Steuerbereich Akzente gesetzt. Die Wirtschaft brummt dort, man hat auch andere bürokratische Auflagen für die Wirtschaft, auch für die Finanzindustrie zurückgenommen, und es ist schon bemerkenswert, wenn eben die Bosse unserer Großkonzerne dann in der Runde mit Donald Trump sitzen. Großkonzerne sind ja leicht in der Lage, ihren Unternehmenssitz zu verlegen und Steuergestaltung zu optimieren, der Mittelstand, der das Rückgrat unserer Wirtschaft darstellt, die Familienunternehmen können das nicht, die sind eben häufig auch Personengesellschaften, zahlen also Einkommensteuer als Unternehmensteuer. Und hier halte ich es für dringend erforderlich, dass wir eine Erleichterung bei den Steuern in Deutschland und in Europa bekommen.
    Rohde: Aber Ihr Parteikollege Otto Fricke spricht davon, dass es zu einer panischen Reaktion kommen könnte, wenn man eben die Steuern immer weiter senkt, auch in Deutschland, und dass es einen Race to the Bottom geben würde und das sinnlos wäre. Was sagen Sie dazu?
    Theurer: Na ja, einen Wettlauf in Richtung Nullsteuergebiete darf es nicht geben, sondern man braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Richtig ist, die Haushaltsüberschüsse etwa auch im Bundeshaushalt im vergangenen Jahr von knapp 40 Milliarden zeigen, dass es hier Spielraum gibt, um etwa den Soli abzuschaffen, die kalte Progression abzusenken, also die Einkommensteuer zu erleichtern. Und das kommt gerade auch den kleinen und mittleren Unternehmen und ihren Beschäftigten zugute. Und ich bleibe dabei, eine maßvolle Steuerentlastung ist jetzt die richtige Maßnahme.
    Rohde: Aber Herr Theurer, in Davos wurde ja auch ganz explizit vor einer neuen Krise gewarnt und man weiß ja bei Steuersenkungen, in Zeiten schwacher Konjunktur sind die Probleme dann vorprogrammiert, dann gibt es nämlich Lücken im Haushalt, die gefüllt werden müssen, und zwar mit neuen Schulden. Ist das sinnvoll?
    "Wir brauchen dringend eine steuerliche Forschungsförderung"
    Theurer: Richtig ist, dass wir Überschüsse im Haushalt in der Bundesrepublik haben, auch in anderen europäischen Ländern hat sich die Haushaltslage deutlich stabilisiert, deshalb empfehlen ja die Experten der OECD Steuerentlastungen für Deutschland. Die müssen maßvoll sein, ich glaube, da besteht jetzt Spielraum, aber klar ist auch, einen Kahlschlag darf es nicht geben. Ganz wichtig ist die Innovationsförderung, wir brauchen Digitalisierung und neue Technologie und deshalb plädieren wir ja auch dafür, dass die steuerliche Forschungsförderung eingeführt wird. Andere Länder haben das, die Bundesrepublik Deutschland nicht, das brauchen wir dringend.
    Rohde: Das sagt Michael Theurer, Wirtschaftsexperte der FDP im Bundestag, und dieses Gespräch haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.