Nach einem ersten Amtsjahr des bitteren Parteienstreits, der Polarisierung und zunehmender Spaltungstendenzen in der gesamten US-amerikanischen Gesellschaft, versuchte sich Donald Trump erstmals in der Rolle des Versöhners und Präsidenten aller Amerikaner. In der sorgsam vom Teleprompter abgelesenen 82-minütigen Rede vor beiden Häusern des Kongresses gab es mehrere Passagen, in denen Trump dazu aufrief, die Parteien-Differenzen hintanzustellen, nach gemeinsamen Grundlagen zu suchen und eine Einheit zu erreichen, um den Wählern Ergebnisse zu liefern.
Trump zeichnete großartiges Bild
Trump bilanzierte sein erstes Amtsjahr in schillernden Farben und zeichnete ein geradezu großartiges Bild von den bereits erbrachten Leistungen seiner Administration: Die Arbeitslosigkeit so niedrig wie noch nie, die Aktienmärkte auf Allzeithoch, die Stimmung bei Verbrauchern und Produzenten so gut wie noch nie – das alles sei auch einer Steuerreform zu verdanken, die in Inhalt und Ergebnis die größte in der amerikanischen Geschichte sei. Trump rief deshalb einen neuen historischen amerikanischen Moment aus, wie er sagte, noch nie habe es einen besseren Zeitpunkt gegeben, um den amerikanischen Traum zu leben.
USA wieder groß und sicher machen
Trump kündigte insbesondere zwei innenpolitische Projekte an, die dazu angetan seien, die USA wieder groß und vor allem: sicher zu machen. Der Präsident forderte den Kongress auf, 1,5 Billionen Dollar für ein umfassendes Infrastrukturprogramm freizugeben, das längst überfällig sei und dem Land neue Straßen, Brücken, Flughäfen und Eisenbahnlinien bringen soll.
Und er appellierte an die Demokraten, seinen Plänen zu einer Reform des Einwanderungsrechts zuzustimmen, das auf vier Säulen ruhen soll: Er möchte 1,8 Millionen illegal ins Land gekommenen jungen Einwanderern die Einbürgerung ermöglichen, das bisher gängige Lossystem für Greencards abschaffen und den Familiennachzug auf Ehepartner und Kinder beschränken. Der politische Preis für dieses Programm soll im Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko bestehen, für die Donald Trump 25 Milliarden Dollar locker machen möchte.
Guantanamo soll bestehen bleiben
Vor diesem Hintergrund kommentierte die "Washington Post" bereits, Donald Trump rufe nach Einheit, verfolge aber kompromisslos das nationalkonservative Programm der Republikaner. Eine harte Linie verfolgt Donald Trump auch mit der Ankündigung, das Gefangenenlager von Guantanamo bestehen zu lassen – damit tilgt Trump ein weiteres Erbe seines Amtsvorgängers Barack Obama, der die Schließung des umstrittenen Lagers noch per Präsidialerlass verfügt hatte. Trump will das Lager im Gegenteil wieder füllen – Terroristen, die außerhalb des US-Staatsgebietes gefangen genommen werden, sollen künftig in Guantanamo inhaftiert werden. Ein Vorhaben, das noch auf heftigen Widerstand von Bürgerrechtsgruppen stoßen wird. Indes wurde Trumps Rede beim heimischen Publikum äußerst wohlwollend und freundlich aufgenommen: 48 Prozent der Befragten waren der Meinung, die Rede sei sehr positiv gewesen. 62 Prozent glauben, sie sei politisch in die richtige Richtung gegangen.