Die Besorgnis, die Donald Trumps Telefonat mit der Präsidentin Taiwans im Weißen Haus ausgelöst hat, hätte Josh Earnest kaum besser zum Ausdruck bringen können. Hohe Regierungsvertreter und Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates stünden mit chinesischen Partnern in Kontakt, um ihnen zu versichern, dass die Vereinigten Staaten an der sogenannten Ein-China-Politik festhalten, sagte Earnest, der Sprecher Präsident Obamas.
Seit 1979 hat kein amerikanischer Präsident mehr offiziell mit einem Staatsoberhaupt Taiwans gesprochen - Tribut an die chinesische Führung, die die Insel als abtrünnige Provinz betrachtet. Peking macht seine Beziehungen zur internationalen Staatengemeinschaft und zu den Vereinigten Staaten davon abhängig, dass die Insel Taiwan politisch isoliert bleibt. In einem äußerst labilen diplomatischen Balanceakt hatte Washington vor vierzig Jahren den politischen Alleinvertretungsanspruch Pekings akzeptiert, steht aber bis heute militärisch und wirtschaftlich für die Sicherheit und Stabilität Taiwans ein. Auch das stellte Josh Earnest noch einmal klar.
Labiles Geleichgewicht in der Region
Das Telefonat mit der Präsidentin Taiwans hat nicht nur die chinesische Führung verärgert - es stellt möglicherweise auch das labile Gleichgewicht in der Region in Frage. Dafür spricht auch, dass dieses Telefonat keinesfalls nur eine Höflichkeitsgeste gegenüber Donald Trump war, wie das der designierte Vizepräsident Mike Pence darstellte. Trump habe die Glückwünsche entgegengenommen, sagte er, mehr nicht.
Laut Washington Post war dieses Telefonat jedoch keinesfalls spontan, sondern von langer Hand geplant. Mehr noch: Es muss als erster Schritt zu einer Neuausrichtung der amerikanischen China- und Asienpolitik verstanden werden. Dafür sprechen auch eine Reihe aggressiver Tweets, die Donald Trump in schneller Folge absetzte. Zitat: "Hat China uns gefragt, ob es ok ist, ihre Währung abzuwerten (um unseren Unternehmen den Wettbewerb zu erschweren), hohe Steuern auf unsere Produkte in ihrem Land zu erheben (die USA besteuern ihre Waren nicht) oder im Südchinesischen Meer eine militärische Festung zu errichten? Ich denke nicht".
Offene Provokation
Der Frontalangriff Trumps kam bei der chinesischen Führung als offene Provokation an – dies umso mehr, als die Behauptungen Trumps so nicht stimmen: Es gibt Steuern auf chinesische Importe und es gibt amerikanische Zölle auf bestimmte chinesische Produkte. Die verbalen Angriffe über Twitter betten sich jedoch nicht nur in die aggressiven Wahlkampfparolen gegen China ein, sondern werden nun auch von Sperrfeuer aus der zweiten Reihe begleitet. Der republikanische Kongressabgeordnete Dana Rohrabacher nannte den diplomatischen Tabubruch Trumps im Fernsehsender Fox News ein Signal an die Leute in Peking - ihre aggressive Politik im südchinesischen Meer werde künftig entsprechend beantwortet.
Der Washington Post zufolge befinden sich im Übergangsteam von Donald Trump etliche Verfechter eines harten Kurses gegenüber China. Alles deute darauf hin, dass die künftigen Beziehungen auf eine neue Grundlage gestellt werden sollen. Über mögliche Konsequenzen machen sich bereits Experten Gedanken – der Historiker Julian Zelizer etwa von der Universität Princeton will eine Konfrontation im südchinesischen Meer ebenso wenig ausschließen wie einen Handelskrieg. Die künftige China-Politik Donald Trumps bleibt noch ebenso vage wie seine außenpolitischen Vorstellungen insgesamt. Doch scheint sich gegenüber China und Taiwan nach 40 Jahren einer brüchigen Stabilität eine Kehrtwende abzuzeichnen.