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Trumps UNO-Auftritt
"Diese Androhung der totalen Zerstörung von Nordkorea ist bedrückend"

Es gebe sicher einiges, was bei den Vereinten Nationen kritisch hinterfragt werden sollte, sagte der UN-Experte Detlef Dzembritzki im Dlf. Aber auch US-Präsident Trump habe kein Modell aufzeigen können, das für die Wahrnehmung globaler Verantwortung vernünftiger sei. Bedrückend seien Trumps Äußerungen zu Nordkorea und zum Iran.

Detlef Dzembritzki im Gespräch mit Martin Zagatta |
    US-Präsident Trump vor der UNO-Vollversammlung in New York.
    US-Präsident Trump vor der UNO-Vollversammlung in New York (AFP / Timothy A. Clary)
    Martin Zagatta: Der Auftritt von Donald Trump und seine Rede – darüber konnte ich am Abend mit Detlef Dzembritzki sprechen, ehemals SPD-Bundestagsabgeordneter und jetzt Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Zumindest kein Frontalangriff auf die UNO. Ist man da als deutscher Politiker schon erleichtert?
    "Das war beinahe eine diplomatische Rede"
    Detlef Dzembritzki: Erleichtert ist mit Sicherheit nicht das richtige Wort. Für trumpsche Verhältnisse war das beinahe eine diplomatische Rede. Aber dennoch ist sie für mich bedrückend. Sie haben den Klimawandel angesprochen; der fehlt. Aber wenn man dann die ganze Philosophie dieser Rede nimmt, ist sie ja auch beinahe ein Stückchen Arroganz mit dem "USA first" und dass er dann das so als Modell preist für die anderen Staaten. Und wenn man dann diese Philosophie zusammenfasst, jeder ist sich selbst der nächste, und wieder zurückkommt zu den Grundüberlegungen der Vereinten Nationen, dann ist das schon bitter zu erleben, dass eine Führungsmacht quasi dermaßen national bezogen – und das ist jetzt eine freundliche Formulierung – umgeht. Er tut ja so, als wenn alle Staaten, die zum Beispiel in der Generalversammlung vertreten sind, beinahe so gestaltet wären wie die USA mit den Möglichkeiten, mit den Chancen. Dass von den 193 120 nur bitter die Solidarität der Welt notwendig haben, wird überhaupt nicht beachtet.
    Zagatta: Aber er hat ja in der Rede auch gesagt, jedes Land sollte eigentlich seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellen und in der UNO solle man gemeinsam handeln.
    "Wir brauchen die Gemeinschaft zu einem gemeinsamen Handeln"
    Dzembritzki: Ja. Aber wie wollen Sie denn diese Philosophie transportieren? Vom Grundsatz her ist ja erst mal überhaupt nichts dagegen zu sagen, dass jede Nation gucken soll, wie sie selbst ihre Fähigkeiten, ihre Möglichkeiten entwickelt, die Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger vorzunehmen. Aber Sie haben den Klimawandel angesprochen. Wir wissen doch alle, dass die globalen Herausforderungen nicht an den nationalen Grenzen Halt machen. Wir brauchen die Gemeinschaft zu einem gemeinsamen Handeln und da eine Philosophie einzubringen – ich überspitze jetzt mal ein bisschen -, die mich ans Ende des Dreißigjährigen Krieges erinnert, wo man in Münster und Osnabrück eine Vereinbarung getroffen hat, nun machen wir mal alle Nationen, jeder entwickelt sich selbst und alle anderen lassen das zu, das sind ja Vorstellungen, die mit der heutigen Situation überhaupt nicht realisierbar sind. Oder wenn Sie das Iran-Abkommen nehmen: Ich finde es für einen Präsidenten der Vereinigten Staaten – das müssen die natürlich alle mit sich selbst ausmachen -, wie der mit seinem Vorgänger umgeht. Die Distanzierung von diesem Atomabkommen, wo nun viele Jahre sich die Europäische Union einschließlich Deutschland, die Vereinten Nationen, die USA bemüht haben, ein Regelwerk herzustellen, das mit dem Iran ein Zusammenleben möglich macht, und das dermaßen infrage zu stellen. Man muss sich mal überlegen, welche Auswirkungen das für die Region oder für die Welt insgesamt hat.
    Oder, was ich noch bedrückender finde: Diese Androhung der totalen Zerstörung von Nordkorea. Da fehlen mir dann die Worte und da kann ich nur sagen, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen Guterres mit seiner Aussage, jetzt ist die hohe Staatskunst gefordert, nur zu unterstützen ist. Und diese hohe Staatskunst, die habe ich nun bei Trump überhaupt nicht gesehen.
    Zagatta: Vielleicht ist ja Nordkorea auch das beste Beispiel für die Ohnmacht der Vereinten Nationen. Also ist die UNO, wenn man es böse sagen will, so etwas wie ein Papiertiger?
    "Die Vereinten Nationen sind weit mehr als nur der Sicherheitsrat"
    Dzembritzki: Nein! Ich bin nicht der Meinung, obwohl ich mit Ihnen oder mit vielen Hörerinnen und Hörern auch verzweifle, wenn ich sehe, wie sich im Sicherheitsrat die ständigen Mitglieder blockieren. Aber die Vereinten Nationen sind doch weitaus mehr als nur Sicherheitsrat. Wenn Sie sich mal den Flüchtlingsrat der Vereinten Nationen angucken, das UNHCR. Wer kümmert sich denn überhaupt noch um die Folgen auch von globaler Herausforderung? Wer kümmert sich um Folgen von Krieg und Verderben?
    Zagatta: Da würde Donald Trump Ihnen entgegenhalten, wir die USA kümmern uns, wir zahlen das Meiste.
    Dzembritzki: Ja, die USA zahlen das, was mal vereinbart worden ist, was sie von ihrer Wirtschaftskraft, von ihrem Bevölkerungsanteil einzubringen haben. Wenn Sie das alles mal in Relation setzen, dann wird man auch schnell feststellen, dass andere Länder einschließlich die Bundesrepublik auch einen erheblichen Beitrag leisten. Und interessant ist ja, dass dort, wo die USA nun selbst hohe Interessen hat, da wird ja noch von der Humanität gesprochen: beim World Food Program. Das World Food Program ist ein unwahrscheinliches Anschubprogramm für die Landwirtschaft der USA. Da ist auch immer ein Amerikaner, der das World Food Program leitet. Da wo die eigenen Interessen sind, da sieht man die Dinge dann plötzlich anders. Da sollen alle anderen nach Möglichkeit noch mehr zahlen. Ich habe keine Bedenken, wenn man grundsätzlich kritisch herangeht und die Effektivität und die Effizienz der Vereinten Nationen kritisch hinterfragt. Dass da sicherlich manches noch besser zu machen ist, ist unbestritten. Aber niemand, auch Herr Trump wird uns nicht aufzeigen können ein Modell, das für die Wahrnehmung globaler Verantwortung vernünftiger ist als die Vereinten Nationen.
    Zagatta: Ein entschiedenes Vorgehen der UNO scheitert da ja immer wieder – Sie haben es auch angesprochen – am Vetorecht der ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat, überdeutlich vielleicht zuletzt am Beispiel Syrien. Steht denn eine Abschwächung dieses Vetorechts, von dem die USA ja auch Gebrauch machen, steht das überhaupt zur Debatte?
    "Beim Vetorecht heißt es wirklich dicke Bretter bohren"
    Dzembritzki: Die Abschwächung des Vetorechts ist nur möglich, wenn die Vetomächte einverstanden sind. Die Franzosen haben ja mal einen guten Vorschlag gemacht, dass die fünf Vetomächte auf dieses Veto verzichten, wenn es um humanitäre Fragen geht, wenn es um Fragen der Menschlichkeit geht. Aber es ist nicht weiterentwickelt worden, weil weder die Vereinigten Staaten von Amerika, noch Russland und wahrscheinlich auch nicht China bereit sein wird, auf dieses Vetorecht zu verzichten. Da heißt es wirklich dicke Bretter bohren.
    Zagatta: Welche Reformen wären denn sinnvoll und aus Ihrer Sicht auch umsetzbar?
    Dzembritzki: Ich denke, dass begonnene Reformen wie zum Beispiel zu gucken, auf die verschiedenen UN-Organisationen. Wenn man sich so anguckt die Weltgesundheitsorganisation, die UNDP, die Organisation, die für Entwicklungsbereiche zuständig ist, die alle in verschiedensten Ländern operieren, wenn dort stärker eine Koordinierung vorgenommen wird, zum Beispiel von UNDP, von dieser großen Entwicklungsorganisation, das wären zum Beispiel wesentliche Punkte. Ich denke, dass auch die Zusammenarbeit zwischen UN und Europäischer Union oder Afrikanischer Union oder ASEAN, dass man dort auch gucken kann, wie Arbeitsteilung, wie stärkere Kooperation möglich sind. Auf diesem Weg sollte man auf jeden Fall weitergehen.
    Was nicht vergessen werden darf: Eine der erfolgreichen oder fast erfolgreichen Reformen, die Kofi Annan noch angestoßen hat, war die Weiterentwicklung des Menschenrechtsrats, wo ein Stückchen die Evaluierung von Menschenrechtsfragen in den unterschiedlichsten Ländern, eigentlich der Industrieländer tatsächlich auch stattfindet und wo die ideologische und die jetzt egoistisch-politisch motivierte Zustimmung weit deutlicher reduziert werden konnte, als das früher der Fall war, und Sachfragen, also wirkliche Fragen des Menschenrechtes in den Vordergrund gestellt worden sind.
    Zagatta: Aber wirkt das nicht gerade wie ein Witz, wenn in diesen Menschenrechtsräten und ähnlichen Kommissionen, zum Beispiel in der UNO-Kommission für Frauenrechte, dann ausgerechnet Saudi-Arabien mitmacht?
    "Es kommt darauf an, dass die politisch Handelnden deutliche Zeichen setzen"
    Dzembritzki: Sie sprechen es an. Aber sie müssen ja mit den Realitäten leben und müssen dann auch wiederum gucken, dass solche, wie sie zurecht sagen, Witzsituationen, dass die dann mit realer Kernerarbeit in dem Menschenrechtsrat überwunden werden. Deutschland hatte ja mit Joachim Rücker als Botschafter mal den Vorsitz und hat dort sich hervorragend mit eingebracht. Präsident Gauck ist zum Beispiel mit nach Genf gefahren, um auch zu betonen, wie wichtig wir diese Menschenrechtsfragen nehmen. Ich denke, dass es auch immer wieder darauf ankommt, dass die politisch Handelnden deutliche Zeichen setzen. Es reicht nicht nur aus, freundlich den UN gegenüber sich einzubringen, sondern man muss auch tatsächlich Partei ergreifen und selbst versuchen, die Dinge mitzugestalten.
    Zagatta: Detlef Dzembritzki, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, den wir kurz vor der Sendung erreicht haben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.