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Trumps Wähler
"Wer längst katholisch ist, wird seine Meinung nicht ändern"

Donald Trumps Äußerungen, und seien sie auch noch so provokant, würden seine Anhänger nicht verschrecken, sagte der Präsident des "American Institute for Contemporary German Studies", Jackson Janes, im DLF. Doch Trump spiele seinem Klientel etwas vor - ein Großteil sei erschöpft, hoffnungslos und stocksauer.

Jackson Janes im Gespräch mit Christine Heuer |
    Um eine Chance auf das Präsidentenamt zu haben, benötige Trump 60 Millionen Wählerstimmen - viermal so viel, wie er bei den Vorwahlen erreichte, sagte Jackson Janes von der John Hopkins Universität in Washington. Es bestünden Zweifel, ob er mit seiner von ihm selbst immer betonten Unabhängigkeit auch Unberechenbarkeit mitbringe. Er glaube nicht, fügte Janes hinzu, dass Trump in relevante Größenordnungen vorstoße.
    Der Delegierte Michael Lachs mit einer hochgeschobenen Elefantenmaske, einer amerikanischen Flagge um Kopf und Schultern sowie zwei großen Stickern - auf einem steht in Englisch: Hillary Clinton ins Gefängnis, auf dem anderen der Name Trump. 
    Mike Lachs aus Cleveland zeigt sich als Anhänger von Donald Trump. (dpa / Michael Reynolds)
    Viele Wähler würden sagen, dass das alte Parteiensystem sie nicht mehr vertrete und seien entsprechend verdrossen. Trumps Art, vermeintlich reinen Tisch zu machen, gefalle den Leuten, so Janes. Aber "am Ende bleibt die große Frage: 'Ist das, was er rhetorisch sagt, überhaupt umsetzbar?'"
    Trump Nachfolger der Tea Party
    Seine Anhänger sähen seine Lügen und seine Geschichten als Mittel zum Zweck, um das System zu verändern: "Diejenigen, die schon längst katholisch sind, werden ihre Meinung nicht ändern", erläuterte Janes. Vor fünf Jahren sei die Tea Party mit dieser Strategie angetreten - Trump sei nun "die Erbschaft der Tea Party".
    Trump aber spiele seinen Anhängern etwas vor. Man könne keine Mauer um die USA ziehen, und sich von der Außenwelt abschotten. Janes: "Eine Supermacht wie Amerika kann nicht in Urlaub gehen."

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Am Telefon ist der US-amerikanische Politologe Jackson Janes, Präsident des American Institute for Contemporary German Studies, mit dem ich über Clintons Konkurrenten und seine Chancen aufs Weiße Haus sprechen möchte. Guten Morgen, Herr Janes!
    Jackson Janes: Guten Morgen!
    Heuer: Donald Trump spricht jetzt schon von einem schönen, langen Urlaub. Verabschiedet er sich gedanklich vom Weißen Haus?
    Janes: Das ist eigentlich ein Trick. Also, er möchte noch mal betonen, dass er unabhängig ist und dass er ebenso deswegen attraktiv ist für die Leute, die an Verdrossenheit leiden. Also mehr oder weniger: Ich bin nicht befangen, ich bin nicht abhängig, ich bin unabhängig. Und das ist glaube ich dann diese Zwischen-den-Zeilen-Botschaft, die er da liefern wollte.
    Heuer: Aber diese Woche war ja wieder voll von Höhepunkten oder Tiefpunkten, je nach Sichtweise, in Donald Trumps Wahlkampf. Die Schüsse auf Hillary, also die Andeutungen darüber von ihm, er hat Obama als Gründer des IS bezeichnet. Ist Donald Trump zu weit gegangen, hat er die Schmerzgrenze der Amerikaner jetzt überschritten?
    Janes: Für manche schon. Also, ich meine, man müsste eigentlich dann immer sagen, dass diejenigen Leute, die, wie Sie sagen in Deutschland, die sind schon längst katholisch, die werden nicht dann ihre Meinung ändern, egal was der Mann von sich gibt. Und die große Frage, die glaube ich in solchen Aussagen kommt, ist: Wie weit ist er an die Grenze gekommen von denjenigen Leuten, die in diese Gruppe hineinkommen? Also, wenn man bedenkt, dass er 16 Millionen Wähler hatte bei den Vorwahlen, und wenn man bedenkt, dass man mindestens 60 Millionen Wähler haben muss, um überhaupt über die Runde zu kommen am 8. November, das ist eine große Spalte. Also, ich finde eigentlich momentan, was jetzt passiert ist, dass die Leute über seine Unberechenbarkeit stolpern und sagen: Ist das eigentlich, was wir sagen können, in eine Präsidentschaftsrolle hineingehört? Also, er hat noch drei Monate Zeit, aber zunehmend gibt es dann Zweifel, ob er wirklich ja mit seiner Unabhängigkeit auch Unberechenbarkeit mit sich bringt.
    Heuer: Donald Trump macht ja einen sehr, sehr emotionalen Wahlkampf, da spielt Vernunft keine große Rolle. Wie reagieren denn die normalen Bürger, die Sie ja jetzt auch angesprochen haben, auf Trumps Ausbrüche und Provokationen? Wie ist die Stimmung in den Vereinigten Staaten?
    Trump "verkörpert auch diese sogenannte Verbittertheit"
    Janes: Unsicher. Ich glaube, Sie müssen bedenken, dass sehr viele Leute. sind sogenannte Wechselwähler bei uns. Also unabhängig, nicht parteigebunden. Mehr als jemals zuvor. Und insofern ist dann die Frage zu stellen: An was binden sie sich an einem Kandidat, an welche Maßstäbe setzen sie ihre Stimme ein? Und ich glaube, momentan ist das sehr konfus, was passiert. Viele Leute sagen, dass die altmodischen Institutionen, auch das Parteiensystem einfach dann nicht mehr zuhören, was sie sagen, viele Leute sind mit Verdrossenheit verbunden hier. Politische und auch Politikerverdrossenheit. Und insofern kommt der Kerl an und sagt eben, ich mache reinen Tisch! Das gefällt sehr vielen Leuten, auch wenn sie nicht unbedingt sehr konservativ sind. Was sie dann sehen, das System ist etwas ins Stocken gekommen. Aber am Ende bleibt die große Frage: Ist das, was er sagt, rhetorisch überhaupt umsetzbar in ein richtiges politisches System, das sowieso existiert und das er nicht mit einem Zauberstock ändern kann? Und da, glaube ich, steckt er in einer Krise momentan.
    Heuer: Ich würde trotzdem, Herr Janes, kurz bei den Maßstäben bleiben, die Sie angesprochen haben. Es ist ja ziemlich unstrittig, Donald Trump lügt, er schürt Hass. Werden damit nicht die Maßstäbe der Amerikaner extrem verletzt? Also, ich kann das mal anders fragen: Wo bleibt der Anstand?
    Janes: Ja, ich meine, in gewisser Weise ist ihnen natürlich dann bewusst, dass diese Rhetorik, diese Lügen, diese Geschichten, die er erzählt, die absolut keine Basis an Realität finden, dann legen sie manche Leute aus und sagen eben, das ist nur seine eigene Betonung auf die Notwendigkeit, etwa das System, das in Washington existiert, zu ändern. Die nehmen das als Mittel zum Zweck und übersehen eigentlich diese Lügen, übersehen diese überspitzte Formulierung. Dann an sich sehen sie ihn als Ikone, die sehen ihn etwas als Unterhaltung. Und am Ende verkörpert er auch diese sogenannte Verbittertheit, die sie selber fühlen. Er wird dann einfach Mittel zum Zweck in dem Sinne. Und damit…
    Heuer: Woher kommt diese Bitterkeit, woher kommt denn dieser Widerstand, diese Kritik an dem, was Donald Trump immer Establishment nennt?
    "Wir haben sehr viele Leute in Amerika, die sich etwas vernachlässigt fühlen"
    Janes: Das ist natürlich das, was Sie auch in Deutschland, in England, in Frankreich und sonst wo in Europa erleben momentan. Die Leute, die eigentlich seit genauer gesagt in den letzten zehn Jahren durch zwei verschiedene Kriege gegangen sind, die eigentlich dann wirtschaftlich sich gar nicht erholt haben wie manche andere, fühlen sich zurückgelassen und fühlen sich etwas nicht angesprochen von den Parteiensystemen, die normal … Sie hatten das damals vor fünf Jahren bei der sogenannten Tea Party. Das ist jetzt dann. Das ist das Ergebnis, das ist die Erbschaft von der Tea Party. Wir haben das tief hier drin, dass sehr viele Leute in Amerika sich etwas vernachlässigt fühlen. Und das ist nicht angesprochen unbedingt von politischen Kräften, die sie seit Jahren kennen. Darum leidet eigentlich dann Hillary Clinton in ihrer Kampagne, weil viele Leute sagen: Mein Gott, seit 35 Jahren sitzt sie auf der Bühne und dafür ist sie auch zuständig, dass wir nicht weitergekommen sind. Sie hat auch das Problem. Insofern, das sind dieselben Probleme, die mehr an in Europa auch sieht momentan. Die Verdrossenheit von den Leuten, die sagen: Mir kommt nichts zugute.
    Heuer: Und diesen Wählern, denen verspricht Donald Trump nun Wohlstand, ein Ende der Einwanderungen, ein Ende von Kriegseinsätzen im Ausland, eine Konzentration auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Sie haben gesagt, das ist alles so nicht umsetzbar. Spielt er den Leuten was vor, macht er den Leuten was vor?
    "Diese Leute sind tatsächlich etwas erschöpft, manche hoffnungslos"
    Janes: Gar keine Frage, meiner Meinung nach. Weil, ich meine, man kann nicht eine Mauer, sei es an der Grenze von Mexiko oder sei es quer durch die Welt, aufstellen und sagen, wir spielen hier nicht mehr mit. Wie man hier so schön sagt: Ein Supermarkt in Amerika kann nicht in Urlaub gehen. Und das Problem ist, dass diese Leute, die er ansprechen will, sind tatsächlich dann etwas erschöpft, sind etwas – manche – hoffnungslos und manche sind einfach stocksauer und wollen wissen, was ist dann eigentlich die Rolle, die Verantwortung und vor allen Dingen die Verpflichtung von Amerika jetzt, in 2016? Und ich glaube, da spielt er schon was vor. Also, wenn er sozusagen alles diktieren kann, seine Wahlkampagne in Cleveland war: Amerika ist Nummer eins. Amerika first. Und das ist glaube ich dann nicht realisierbar. Aber das verspricht er. Und das ist genau die Falle, der die Leute gegenüberstehen, wenn sie für ihn wählen.
    Heuer: Michael Moore, der große amerikanische Kritiker, hat einen viel beachteten Artikel geschrieben, in dem er fünf Gründe benannt hat, warum er glaubt, dass Donald Trump am Ende diese Wahlen gewinnen wird. Und einer davon, der Entscheidende war: Wer seine Wähler aktivieren kann in den USA, der gewinnt diese Wahl. Wie sehen Sie das, Herr Janes, wenn Sie jetzt eine Prognose abgeben müssten? Hat Michael Moore recht, stehen die Chancen von Donald Trump besser, als die Umfragen es sagen?
    "Wir haben wenige Leute, die zur Wahl gehen"
    Janes: Nein, ich glaube, das sage ich noch mal, wir haben eigentlich dann eine ganze Menge Leute, die weder Demokraten sind noch Republikaner sind, eine ganze Menge Jugendliche, die noch nicht an Parteien gebunden sind. Wir haben ja auch übrigens ein paar dritte Parteien, die auch eine Rolle spielen werden, unter anderem die Grünen. Also, dieses Wahlergebnis ist alles, es geht um alles. Wenn es um den Kernpunkt geht, es geht um die Mobilisierung von Wählerschaften. Und in der Tat ist es so, dass wie im Gegensatz zu Deutschland … Wir haben also wenige Leute, die zur Wahl gehen, nicht wie bei euch, und darum geht dann die Frage: Wie kann man auch dann diejenigen Leute, die überhaupt wählen wollen und können, wie man die zur Wahlurne bringt. Darum geht's. Ich sage es momentan: Ich habe glaube ich das Gefühl, dass ein Vorsprung schon existiert für Hillary Clinton, momentan. Aber weniger als drei Monate zu gehen, die Wahl ist nicht entschieden. Vergessen wir nicht, das ist keine Nationalwahl, das ist in 50 verschiedenen Bundesländern, die abstimmen. Und damit kommt dann dieses sogenannte etwas überholte System des Electoral College zustande. Und die große Frage ist: Kommt Trump in irgendeiner Weise an die Grenze von 270? Ich glaube es nicht, aber die Wahl ist erst am 8. November zu Ende und dann wissen wir es dann ganz genau.
    Heuer: Jackson Janes, Politikwissenschaftler, Präsident des American Institute for Contemporary German Studies. Herr Janes, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.