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Trumps Wahlkampf-Account gesperrt
"Twitter praktiziert Paralleljustiz"

Nach falschen Aussagen zu Corona hat Twitter das Konto von Trumps Wahlkampagne vorübergehend gesperrt. Rechtlich sei das nicht vertretbar, sagte der Kölner Rechtswissenschaftler Rolf Schwartmann im Dlf. Er spricht von einem "Dilemma".

Christoph Sterz im Gespräch mit Rolf Schwartmann |
United States President Donald J. Trump speaks during a news conference in the James S. Brady Press Briefing Room at the White House in Washington D.C., U.S., on Wednesday, August 5, 2020. Credit: Stefani Reynolds / Pool via CNP | Verwendung weltweit
Soziale Medien reagieren auf Trumps Fakenews (Consolidated News Photos)
Auf Twitter und Facebook hatte das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump am Mittwoch (05.08.2020) einen Ausschnitt eines Interviews mit dem Sender Fox News gepostet. In dem Ausschnitt behauptete Trump, Kinder seien in Bezug auf das Coronavirus "fast immun", weswegen Schulen nach den Sommerferien trotz der Pandemie wieder für normalen Unterricht öffnen sollten.
Facebook löschte den Post am Mittwochabend, Twitter sperrte direkt den ganzen Account vorübergehend. Aus Sicht des Kölner Rechtswissenschaftlers Rolf Schwartmann haben beide Betreiber damit eindeutig ihre Grenzen überschritten: "In einer Demokratie ist der Staat dafür verantwortlich, dass die Meinungsfreiheit gelebt werden kann", sagte er im Gespräch mit @mediares. Wenn dagegen ein soziales Netzwerk "per Hausrecht" entscheide, was veröffentlicht werden darf, sei das "eine Art Paralleljustiz, die Fakten schafft und möglicherweise Meinungen verkürzt, die das Recht gar nicht verkürzen will".
Schwer lösbares "Dilemma"
Soziale Netzwerke seien praktisch freie, private Unternehmen, die nicht das Recht hätten, in die Meinungsfreiheit einzugreifen - selbst wenn es sich, wie in diesem Fall, um die Verbreitung von gefährlichen Aussagen im Zusammenhang mit dem Coronavirus handelt. "Das ist ein Dilemma", räumte Schwartmann ein.
Gleichwohl müsse in den sozialen Netzwerken ein offener Diskurs möglich sein, in dem verschiedenste Meinungen nebeneinander Platz hätten. Ein Betreiber dürfe da nicht steuern wollen. Die Grenze zwischen rechtsstaatlicher Verpflichtung und Selbtsjustiz sei "sehr dünn". Hier müsse, so Schwartmanns Forderung, "von staatlicher Seite aus eine Regulierung geschaffen werden, ähnlich wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk". Denn die Meinungsmacht der sozialen Netzwerke, sagte er, gehe "weit über die der Rundfunkanbieter hinaus".