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Tschaikowsky-Wettbewerb
"Das Aushängeschild der russischen Kultur"

Patriotismus spiele beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb nach wie vor eine große Rolle, sagte die Musikjournalistin Anastassia Boutsko im Dlf. Aber er wecke bei einem Teil der russischen Gesellschaft auch ganz andere Gefühle: die Zugehörigkeit zu Europa.

Anastassia Boutsko im Gespräch mit Raoul Mörchen |
    Waleri Gergijew während einer Pressekonferenz zum Tschaikowsky-Wettbewerb am 13. Mai 2019
    Waleri Gergijew organisiert den Tschaikowsky-Wettbewerb (imago / ITAR-TASS)
    In diesem Jahr habe es eine Neuerung beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb gegeben, berichtete die Musikjournalistin Anastassia Boutsko im Dlf. Die Disziplinen Holz- und Blechbläser seien dazugekommen. "Aber es ist bestimmt nach wie vor so, dass das Hauptaugenmerk des Publikums und der Juroren - und auch die öffentliche Wahrnehmung national wie international - immer noch auf den Disziplinen Cello, Gesang und ganz besonders Violine und Klavier liegt."
    Mit Alexandre Kantorow als Gewinner der Piano-Disziplin sei wieder ein Ausländer auf dem ersten Platz gelandet. Das sei politisch nicht unbedeutsam. Es sei insgesamt aber ein starker Pianisten-Jahrgang gewesen. Mindestens drei bis vier andere junge Musiker hätten gute Chancen auf den Preis gehabt. "Man müsste sagen, dass die politisch schwierigen Zeiten bei diesem Wettbewerb immer dazu beitragen, dass man ganz besonders die Teilnehmer aus nicht-russischem Umfeld präferiert."
    Patriotismus und europäische Gefühle
    Patriotismus spielte bei der Veranstaltung nach wie vor eine Rolle. "Der Tschaikowsky-Wettbewerb ist Aushängeschild der russischen Kultur und der russischen offiziellen Kultur. Nicht von ungefähr ist Waleri Gergijew persönlich von Putin beauftragt worden, als in gewisser Weise Schattenkultusminister des Landes, eine Neuauflage des Tschaikowsky-Wettbewerbs 2011 auszurichten." Das sei auch gelungen.
    Aber gerade der Tschaikowsky-Wettbewerb sei auch für den Teil der russischen Gesellschaft ganz besonders wichtig, der den Anschluss an Gesamteuropa nie verlieren wollte. Er biete einen Anlass, nicht nur nationale Gefühle zu manifestieren, sondern auch eine Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen kulturellen Ursprung zu fühlen, so Anastassia Boutsko.
    Die Veranstalter hätten sich Mühe gegeben, den Wettbewerb möglichst international auszurichten. Von den 228 Teilnehmern sei fast die Hälfte nicht aus Russland oder postsowjetischen Staaten gekommen. Offiziell seien Vertreter aus 36 Ländern dabei gewesen.