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Tschastuschki gegen die Finanzkrise

Die russischen Tschastuschki sind kurze Gedichte, meist in Liedform, die nur aus zwei oder vier Reimen bestehen. Und die haben in Russland gerade Hochkonjunktur - in Zeiten, da die globale Finanzkrise das Land besonders schwer beutelt.

Von Wolf Oschlies |
    Wodka und Tschastuschki sind urrussische Erfindungen, sagen die Russen. Zwar brennt Wodka inzwischen auch das Ausland, aber die Tschastuschki, die im frühen 19. Jahrhundert aufgekommenen Scherzlieder aus wenigen pointierten Versen, bleiben russischer Alleinbesitz. Seit Ende 2007, als die Wahlen zu Duma und Präsidentschaft starteten, blühten sie auf und gegenwärtig, da die globale Finanzkrise Russland besonders schwer beutelt, haben sie Hochkonjunktur.

    So die Rockgruppe Paranoja: Wallstreet kaputt, Finanzwelt zittert, alles öde - Krise rechts, Krise links, und von vorn die Inflation. Das mag ja richtig sein, ist aber nicht russisch, denn die Russen lachen und singen die Krise weg.

    Die populäre und auflagenstarke Komsomol’skaja Pravda hat gerade "Sto veselych antikrizisnych castusek" veröffentlicht, hundert fröhliche Antikrisen-Tschastuschki. Die Leser sollen neue einschicken, die besten werden mit 3.000 Rubel, umgerechnet 89 Euro, prämiert. Da wird der Rubel rollen in der Redaktion, denn die Finanzkrise hat eine Tschastuschki-Hausse ausgelöst:

    Mein Liebster ging lange mit mir, dann kam die Krise und er verschwand - singt fröhlich das Trio Kupala. Sein Text ist noch harmlos, andere Tschastuschki langen anders hin, in drei Richtungen. Erstens sind wir krisenfest:

    "Ich bin ein Büffel, bin ein Pferd/ bin eine Oma hinterm Mond/ keinen Blick die Krise wert/ wir sind Schlimmeres gewohnt."

    Zweitens haben wir russische Hausmittelchen:

    "Zum Teufel der Finanzenkram/ der die Welt färbt grau und grauer/ uns hilft der Wodka, hundert Gramm/ als Rettung vor der Krisentrauer."

    Und schließlich können nur Russen etwas Gutes am ganzen Schlamassel entdecken:

    "Die Krise soll sich nur erweitern/ und noch warten mit der Wende/ bis die Oligarchen scheitern/ bis sie alle sind am Ende."

    Wenn die Schmarotzer von Jelzins und Putins Privatisierungen Federn lassen, kann es die Russen nur freuen - sagen ihre Tschastuschki, wie das russische Fernsehen weiß:

    "Es gibt immer mehr Tschatuschki über die Wirtschaftskrise, verständlich. Wenn es ums Überleben geht, soll man die Krise in Reime fassen und gemeinsam auslachen."