Es ist ein Nachmittag im Mai 2012, der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu ist auf Staatsbesuch in Prag. Wie gut denn die tschechisch-israelischen Beziehungen seien, will ein Journalist wissen, und Netanjahu antwortet gelöst:
"Wir haben Freunde überall auf der Welt, aber ich denke, dass wir in Europa keinen besseren Freund haben als Tschechien. Das rechnen wir Ihnen in Israel sehr hoch an."
Dieses Lob geht weit über die üblichen diplomatischen Höflichkeitsfloskeln hinaus. Soviel Freundschaft verpflichtet: Als einziges EU-Land hat Tschechien vor wenigen Wochen gegen die Resolution gestimmt, die Palästina einen Beobachterstatus in der UNO einräumt. Zum Dank reiste Benjamin Netanjahu gleich noch einmal für eine Stippvisite nach Prag. Diesmal zog er eine historische Parallele – und zwar zur Tschechoslowakei des Jahres 1938. Mit dem Münchner Abkommen wurden Teile des Landes damals von Hitler annektiert; die europäischen Mächte stimmten der feindlichen Aufteilung zu. Auf dieses Jahr 1938 nahm jetzt Benjamin Netanjahu in Prag Bezug:
"Vor 74 Jahren haben die Großmächte der damaligen Welt die stolze Demokratie gezwungen, ihre vitalen Interessen zu opfern. Die internationale Gemeinschaft hat applaudiert, sie wollte damit Frieden stiften. Aber statt Frieden brachte das Abkommen den schlimmsten Krieg der Geschichte. Ich weiß, dass Ihr Land aus dieser Geschichte gelernt hat, genauso wie Israel. Deshalb opfert Israel seine Lebensinteressen nicht dafür, dass die Welt applaudiert."
Diese Parallele zwischen dem Palästinakonflikt und dem Münchner Abkommen zu ziehen, halten viele Historiker zwar für gewagt; politisch allerdings liegt darin einer der Gründe für die guten Beziehungen zwischen Tschechien und Israel. Man hat eine lange gemeinsame Geschichte – das ist die Grundlage für die Zusammenarbeit, urteilt der Prager Politologe Marek Cejka, der zum Nahen Osten forscht:
"Die Geschichte der guten Beziehungen geht weit in die Vergangenheit zurück, mindestens bis zur Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Damals war die spätere Tschechoslowakei noch Teil der Habsburger Monarchie und es herrschte in weiten Teilen der Gesellschaft ein latenter Antisemitismus."
Aus dieser Zeit stammt der Fall, der alles verändert hat: In einem böhmischen Dorf wurde eine junge Frau ermordet – die Justiz schob das Verbrechen als vermeintlichen "Ritualmord" einem Juden in die Schuhe. Für seine Begnadigung setzte sich insbesondere Tomas Garrigue Masaryk ein – damals war er noch Hochschulprofessor, ab 1918 war er der erste Präsident der selbstständigen Tschechoslowakei. Er reiste selbst in den Nahen Osten und war ein leidenschaftlicher Verfechter des Zionismus – die Freundschaft wurde so zu einer Staatsdoktrin. Sie überdauerte Masaryk, den ersten und bis heute verehrten Präsidenten um viele Jahrzehnte: Nach dem Zweiten Weltkrieg leistete die Tschechoslowakei dem jungen israelischen Staat wichtige Aufbauhilfe: Entgegen allen Embargos lieferte das Land Waffen nach Tel Aviv und schulte israelische Kampfpiloten auf tschechischen Flugplätzen. Dahinter stand neben der langen Freundschaft auch ein strategisches Kalkül aus Moskau. Politologe Marek Cejka:
"Stalin dachte ursprünglich, er könnte aus Israel ein kommunistisches Land machen. Als sich Israel dann immer stärker dem Westen angenähert hatte, kam es zu einer rapiden Verschlechterung der Beziehungen."
Die Politiker froren die Kontakte zu Israel ein – mit einer interessanten Nebenwirkung: Die gesamte Opposition schlug sich auf die Seite Israels. Als dann 1989 der Eiserne Vorhang fiel und die einstigen Dissidenten die Politik der Tschechoslowakei bestimmten, blieb diese Israelunterstützung für sie weiterhin eine wichtige Richtschnur.
"Wir haben Freunde überall auf der Welt, aber ich denke, dass wir in Europa keinen besseren Freund haben als Tschechien. Das rechnen wir Ihnen in Israel sehr hoch an."
Dieses Lob geht weit über die üblichen diplomatischen Höflichkeitsfloskeln hinaus. Soviel Freundschaft verpflichtet: Als einziges EU-Land hat Tschechien vor wenigen Wochen gegen die Resolution gestimmt, die Palästina einen Beobachterstatus in der UNO einräumt. Zum Dank reiste Benjamin Netanjahu gleich noch einmal für eine Stippvisite nach Prag. Diesmal zog er eine historische Parallele – und zwar zur Tschechoslowakei des Jahres 1938. Mit dem Münchner Abkommen wurden Teile des Landes damals von Hitler annektiert; die europäischen Mächte stimmten der feindlichen Aufteilung zu. Auf dieses Jahr 1938 nahm jetzt Benjamin Netanjahu in Prag Bezug:
"Vor 74 Jahren haben die Großmächte der damaligen Welt die stolze Demokratie gezwungen, ihre vitalen Interessen zu opfern. Die internationale Gemeinschaft hat applaudiert, sie wollte damit Frieden stiften. Aber statt Frieden brachte das Abkommen den schlimmsten Krieg der Geschichte. Ich weiß, dass Ihr Land aus dieser Geschichte gelernt hat, genauso wie Israel. Deshalb opfert Israel seine Lebensinteressen nicht dafür, dass die Welt applaudiert."
Diese Parallele zwischen dem Palästinakonflikt und dem Münchner Abkommen zu ziehen, halten viele Historiker zwar für gewagt; politisch allerdings liegt darin einer der Gründe für die guten Beziehungen zwischen Tschechien und Israel. Man hat eine lange gemeinsame Geschichte – das ist die Grundlage für die Zusammenarbeit, urteilt der Prager Politologe Marek Cejka, der zum Nahen Osten forscht:
"Die Geschichte der guten Beziehungen geht weit in die Vergangenheit zurück, mindestens bis zur Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Damals war die spätere Tschechoslowakei noch Teil der Habsburger Monarchie und es herrschte in weiten Teilen der Gesellschaft ein latenter Antisemitismus."
Aus dieser Zeit stammt der Fall, der alles verändert hat: In einem böhmischen Dorf wurde eine junge Frau ermordet – die Justiz schob das Verbrechen als vermeintlichen "Ritualmord" einem Juden in die Schuhe. Für seine Begnadigung setzte sich insbesondere Tomas Garrigue Masaryk ein – damals war er noch Hochschulprofessor, ab 1918 war er der erste Präsident der selbstständigen Tschechoslowakei. Er reiste selbst in den Nahen Osten und war ein leidenschaftlicher Verfechter des Zionismus – die Freundschaft wurde so zu einer Staatsdoktrin. Sie überdauerte Masaryk, den ersten und bis heute verehrten Präsidenten um viele Jahrzehnte: Nach dem Zweiten Weltkrieg leistete die Tschechoslowakei dem jungen israelischen Staat wichtige Aufbauhilfe: Entgegen allen Embargos lieferte das Land Waffen nach Tel Aviv und schulte israelische Kampfpiloten auf tschechischen Flugplätzen. Dahinter stand neben der langen Freundschaft auch ein strategisches Kalkül aus Moskau. Politologe Marek Cejka:
"Stalin dachte ursprünglich, er könnte aus Israel ein kommunistisches Land machen. Als sich Israel dann immer stärker dem Westen angenähert hatte, kam es zu einer rapiden Verschlechterung der Beziehungen."
Die Politiker froren die Kontakte zu Israel ein – mit einer interessanten Nebenwirkung: Die gesamte Opposition schlug sich auf die Seite Israels. Als dann 1989 der Eiserne Vorhang fiel und die einstigen Dissidenten die Politik der Tschechoslowakei bestimmten, blieb diese Israelunterstützung für sie weiterhin eine wichtige Richtschnur.