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Tschechien
Islamfeindlichkeit nimmt zu

Nur rund 10.000 Muslime leben in Tschechien. Doch die Minderheit bekommt immer öfter den Unmut der Bevölkerung zu spüren. Öffentliche Anfeindungen, Schulverweise muslimischer Kinder und mediale Hetzkampagnen: Hauptsprachrohr dieser islamfeindlichen Entwicklung in Tschechien ist ausgerechnet Staatsoberhaupt Milos Zeman.

Von Stefan Heinlein |
    Lucie Kamesova kann die Veränderung jeden Tag auf der Straße spüren. Seit der Heirat mit ihrem palästinensischen Mann vor zwölf Jahren trägt sie freiwillig ein Kopftuch. Nie war der Hidschab ein Problem im Kontakt mit ihren Landsleuten – doch jetzt hat sich die Stimmung in der tschechischen Gesellschaft gedreht:
    "Ich spüre den Hass persönlich sehr stark. Die Menschen verfolgen mich mit feindseligen Blicken und manche rufen mir Schimpfworte hinterher. Das sind ohne Zweifel die Folgen der Anti-Islam-Kampagne seit dem letzten Jahr. Vor allem Präsident Zeman schürt eine anti-islamische Stimmung in Tschechien."
    Symbol einer gefährlichen Entwicklung
    Tatsächlich hat sich das Staatsoberhaupt zum Sprachrohr einer islamkritischen Debatte in Tschechien gemacht. In seinen Reden warnt er regelmäßig vor einer Bedrohung der tschechischen Gesellschaft durch den islamistischen Terror. Das Kopftuch ist für den Linkspolitiker nur das Symbol einer gefährlichen Entwicklung:
    "Es beginnt mit dem Hidschab und endet mit der Burka. Das ist eine schräge Fläche, auf der man immer weiter abrutscht. Heute zweifelt kaum jemand mehr daran. Ein bestimmter Teil des Islam missbraucht die Religion zum Angriff auf unsere Gesellschaft."
    Kaum kritische Reaktionen
    Beifall erhält Milos Zeman aus fast allen politischen Lagern. Nur wenigen Medien äußern sich kritisch. Lautstark verteidigen Politiker die Entscheidung einer Schuldirektorin, eine muslimische Schülerin wegen ihres Kopftuchs vom Unterricht auszuschließen. Besonders weit geht der Vorsitzende der konservativen Partei ODS Petr Fiala:
    "Das ist doch nicht unsere größte Sorge das Recht auf ein Kopftuch zu verteidigen. Es ist schließlich ein Symbol das unsere Kultur bedroht. Wir müssen die islamistische Gefahr auch in anderen Ländern stoppen. Wenn wir uns nur zuhause verteidigen, ist es schon zu spät."
    Eine Bürgerinitiative "Wir wollen den Islam in Tschechien nicht" hat mittlerweile über 80.000 Unterstützer. Der wachsende gesellschaftliche Druck sorgte wohl auch für das Ende der staatlichen Unterstützung für ein Hochschulprojekt über die Situation der Muslime in Tschechien.
    Nach inoffiziellen Schätzungen leben nur rund 10.000 Muslime in dem zehn Millionen-Einwohner-Land. Doch die winzige Minderheit wird für die Mehrheitsgesellschaft zum Blitzableiter, so der Direktor des tschechisch-arabischen Kulturzentrums Shadi Shanaah:
    "Die Mehrheit bei uns denkt nicht, dass jeder Muslim ein Terrorist ist – aber immer mehr Menschen glauben, wir haben ein islamisches Problem und werden durch den Terror bedroht.
    Sie fordern dafür eine Lösung. Es droht deshalb tatsächlich die Gefahr, das bestimmte Grundrechte für Muslime in Tschechien nicht mehr gelten."
    Sündenböcke der Gesellschaft
    Die 32-jährige Konvertitin Lucie Kamesova fühlt sich schon jetzt als Opfer der populistischen Anti-Islam-Stimmung in ihrer Heimat. Ihre Familie werde jeden Tag zur Zielscheibe verbaler Angriffe und Belästigungen. Auch körperlich sei bereits attackiert worden. Die Zukunft ihrer drei Kinder in Tschechien sei nicht sicher:
    "Die ganze Situation erinnert mich irgendwie an die Nazizeit in Deutschland. Damals gab es auch zunächst Hetzkampagnen gegen die Juden. Heute sind wir die Sündenböcke der Gesellschaft. Ich hoffe nicht, dass es für uns so enden wird wie damals für die Juden im vorigen Jahrhundert."