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Tschechien
Medienzar wird Regierungschef

Berlusconi oder Trump? Die Kommentatoren sind sich uneins, mit wem sie Andrej Babiš vergleichen sollen. Fakt ist: Babis besitzt viele Medien - und fühlt sich als Opfer journalistischer Kampagnen.

Von Kilian Kirchgeßner |
    Der Vorsitzende der Partei ANO, Andrej Babiš, auf dem Weg zur Stimmabgabe
    Andrej Babiš, neuer starker Mann Tschechiens - und Medienmogul (CTK)
    Es ist ein symbolträchtiges Bild: die Wahlkampfzentrale von Andrej Babiš. Der umjubelte Spitzenkandidat drückt auf offener Bühne einen Kuss auf die Stirn seines Mitarbeiters, der den Auftritt der Bewegung in den sozialen Medien verantwortet. Das Genie der sozialen Medien, ruft Andrej Babiš seinem Mitarbeiter zu. Für die klassischen Medien hat er weniger übrig – das wurde am Wahlabend ebenfalls deutlich, in einer Liveschalte mit dem tschechischen Fernsehen:
    "Ich danke den anderthalb Millionen Wählern, die uns ihre Stimme gegen haben – trotz der Kampagne, die die Medien und die Journalisten seit zwei Jahren gegen uns führen."
    Reich an Geld und Einfluss
    Solche Worte sind erstaunlich von einem Mann, dem das größte Medienhaus des Landes gehört. Andrej Babiš, reich geworden mit Unternehmen im Chemie- und Agrarbereich, hat sich kurz nach seinem Einstieg in die Politik die zwei einflussreichsten Zeitungen des Landes gekauft, dazu Internetportale und Radiosender. Während seiner Zeit als Finanzminister hat Andrej Babiš seine sämtlichen Unternehmensanteile in ein Stiftungsmodell überführt, ist also offiziell nicht mehr Eigentümer – ohnehin habe er auch vorher keinen Einfluss ausgeübt, betont Babis selbst.
    Ihm sekundiert Jaroslav Plesl, Chefredakteur von "Mlada Fronta Dnes". Das ist eine der Zeitungen, die Babiš gekauft hat.
    "Am Anfang hat er manchmal hier angerufen, aber das ging nicht lange so. Im letzten Jahr habe ich persönlich vielleicht drei, vier Mal mit ihm gesprochen, und jedes Mal handelte es sich um ein Interview."
    Die Übernahme des Verlagshauses sei nichts anderes als ein rein geschäftlich begründetes Investment, betont Andrej Babiš gern – und bei vielen Tschechen kam er mit dieser Erklärung durch; bis im Frühjahr ein heimlich mitgeschnittenes Gespräch ans Licht kam, in dem er einem Redakteur seiner Zeitung genaue Anweisungen gab, wann welcher Beitrag über die politische Konkurrenz zu veröffentlichen sei. Andrej Babis tobte. Es handele sich um eine Kampagne gegen ihn.
    Erik Tabery sieht das anders. Er ist Chefredakteur des Magazins "Respekt", das Babiš gegenüber kritisch eingestellt ist.
    "Der Inhalt der Aufnahmen ist so schockierend direkt, dass er alle überrascht hat – auch die, die sich schon vorher keine Illusionen gemacht haben. Die Formulierungen von Andrej Babiš, dieses: "Warten Sie mit der Veröffentlichung bis zum Parteitag" – die sind so stark und so unmissverständlich, dass sie einen wirklich nervös machen."
    Exodus der Redakteure
    Tatsächlich setzte in den Medien, die Andrej Babiš kaufte, ein Exodus ein. Redakteure kündigten massenhaft. Einige gründeten eigene Medien, manche kamen in anderen Redaktionen unter. Ganz leicht ist das nicht, denn gleich mehrere der tschechischen Superreichen haben in den vergangenen Jahren ganze Medienhäuser übernommen. Fast alle waren seit der politischen Wende im Besitz von deutschen Verlagen – doch die trennten sich in den vergangenen Jahren von ihren Beteiligungen in Tschechien, um Löcher in ihren Kassen daheim zu stopfen. Das Verlagshaus von Andrej Babiš zum Beispiel gehörte zuvor der Rheinisch-Bergischen Verlagsanstalt.
    Unabhängig ist vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk, allerdings steht auch der im Brennpunkt der Kritik – vor allem Andrej Babiš hat sich in der zurückliegenden Legislaturperiode immer wieder über dessen Berichterstattung beschwert. Und selbst in seinen eigenen Medien, so sagt Babiš gern, komme er nicht besonders gut weg. Häufig lobten die Kommentatoren die politische Konkurrenz mehr als ihn selbst. Erik Tabery, Chefredakteur des kritischen Magazins "Respekt", schüttelt den Kopf. Es gehe schließlich nicht nur um einzelne Kommentare, sondern um eine journalistische Haltung, sagt er:
    "Andrej Babis’ Zeitung "Mlada Fronta Dnes" war immer eines der wichtigsten investigativen Medien des Landes. Seit dem Kauf ist es Null. Investigative Arbeit ist total verschwunden. In der Vergangenheit gab es großen Druck auf Politiker, die irgendwie unter Verdacht geraten sind. Zumindest kritische Fragen mussten sie beantworten. Dieser Druck ist jetzt deutlich gesunken – und das ist auch der Vorteil von Andrej Babiš: Er muss keine unangenehmen Fragen beantworten, diesen Vorteil hatte keiner seiner Vorgänger."