Seit zehn Jahren wird der Präsident in Tschechien direkt vom Volk gewählt. Hauptthema der aktuellen Wahl ist für die meisten Tschechinnen und Tschechen, ob der umstrittene ehemalige Premierminister Andrej Babis es auf die Prager Burg schafft, den Sitz des Präsidenten.
Im ersten Wahlgang Anfang Januar verfehlte er die absolute Mehrheit. Nun fällt die Entscheidung in einer Stichwahl am 27. und 28. Januar gegen Ex-General Petr Pavel. Der aktuelle Präsident Milos Zeman darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Wer ist Andrej Babis?
Andrej Babis (68) war bis vor rund einem Jahr noch Regierungschef in Tschechien. Seit der verlorenen Parlamentswahl im Herbst 2021 sitzt er als einfacher Abgeordneter seiner ANO-Partei („Aktion unzufriedener Bürger“) im Parlament.
Zuletzt tourte er allerdings vermehrt im Wohnmobil auf Parteikosten durch die Provinz und sprach mit seinen Wählerinnen und Wählern - schon lange bevor er angekündigt hat, Präsident werden zu wollen.
Für Babis gehe es um alles, sagt Petr Honzejk von der Wirtschaftszeitung „Hospodarske Noviny“. Das Blatt gehört nicht zur Mafra-Mediengruppe, die Babis 2013 gekauft hat, damit die Journalisten - in seinen Worten - endlich die Wahrheit schreiben. „Babis ist ein machtsüchtiger Psychopath. Er hat gerade zwei Wahlen in Folge verloren. Seit der Parlamentswahl ist er nicht mehr Ministerpräsident. Und auch die Wahl zum Senat hat er verloren – und damit auch seinen Einfluss auf die Gesetzgebung. Die einzige Möglichkeit, Macht zu behalten, besteht darin, für das Präsidentenamt zu kandidieren.“
Einer der reichsten Männer in Tschechien
Babis ist vor etwas mehr als zehn Jahren als einer der reichsten Männer in Tschechien in die Politik gegangen und steil aufgestiegen, war allerdings immer von Skandalen umwittert. 2014 wurde er Finanzminister, wegen des Verdachts von Steuerbetrug musste er zurücktreten. Dennoch hat der populistische Politiker Babis 2017 die Wahl klar gewonnen und vier Jahre lang eine Minderheitsregierung geführt.
Seinen Agrofert-Konzern, ein Agrar- und Chemiegigant, steuern offiziell zwei Treuhandfonds. Die EU-Kommission attestierte ihm jedoch einen Interessenkonflikt als Regierungschef und Unternehmer. Vom Vorwurf des Betrugs mit EU-Subventionen im Fall seines Wellness-Ressorts Storchennest ist Babis Anfang Januar überraschend freigesprochen worden. Der Richter hatte keine Beweise für eine Straftat gesehen. Für Babis war der Prozess politisch motiviert: „Das ist eine 15 Jahre alte Sache. Diese Leute in der Politik, die wollen mich nicht in der Politik“, sagte Babis im Januar gegenüber der ARD. „Weil: Ich stehle nicht. Ich bin ganz reich. Ich beschäftige 40.000 Leute.“
Bei der Parlamentswahl 2021 musste sich Babis knapp geschlagen geben. Gegen ihn hatten sich zwei Wahlblöcke verbündet. Seitdem regiert eine konservativ-liberale Fünfer-Koalition.
Zuletzt sorgten aber vor allem Babis Äußerungen im Endspurt des Wahlkampfs für Wirbel. So stellte er die NATO-Verpflichtungen Tschechiens offen infrage. Den NATO-Partnern in Polen und dem Baltikum will Babis im Falle eines Angriffs nicht beistehen, sagte er in einer Talk-Show. Er werden keine tschechischen Truppen schicken. Nach einem internationalen Aufschrei musste er zurückrudern. Er entschuldigte sich, der Moderator habe ihm eine Falle gestellt, versuchte er sich herauszureden. Doch der Image-Schaden ist nicht mehr abzuwenden.
Zudem versuchte Babis seinen Konkurrenten Pavel zu unterstellen, dieser wolle das Land als Soldat in einen Krieg ziehen. Im Internet zirkulieren gefälschte Kettenbriefe, die vor einer Generalmobilmachung warnen, sollte der ehemalige General Pavel siegen.
Viele wünschen sich einen Neuanfang für Tschechien
Milliardär Babis stützt sich auf eine stabile Wählerschaft von rund 30 Prozent – sie verzeihen ihm alle Skandale und Betrugsvorwürfe – auch die Causa Storchennest. Manche Beobachter erklären sich das mit einem neoliberalen Gesellschaftsklima, das Tschechien seit dem Ende des Kommunismus prägt und in dem Unternehmer als Helden verklärt werden. Die andere Hälfte der Gesellschaft wünscht sich allerdings einen Neuanfang für Tschechien, vor allem Jüngere, in den Städten, mit höheren Abschlüssen.
Anstatt sich in Diskussionsrunden mit den anderen Kandidaten zu messen, schrieb Babis lieber Meinungsartikel in seinen Zeitungen oder reiste nach Ungarn und Serbien, um über illegale Migration zu sprechen. Die Haltung der Prager Regierung im Ukraine-Krieg unterstütze er, sagte Babis, aber niemand rede über den Frieden. Worte und Auftritte wie diese machen den populistischen Parteigründer für den anderen Teil der tschechischen Gesellschaft unwählbar – daran ändert auch der Freispruch im Storchennestprozess nichts.
Für den Politikbeobachter Honzejk ist klar, dass Babis als Präsident noch mehr Schlupflöcher in der Verfassung aufspüren würde als sein Vorgänger. Wenn Babis dagegen verliert, wäre seine Halbwertszeit in der Politik gering. Niemand möge Verlierer. Aber wenn der frühere Ministerpräsident gewinnt, dann hätte auch seine ANO-Bewegung deutlich bessere Chancen, die Parlamentswahlen in zweieinhalb Jahren für sich zu entscheiden.
Wer ist Petr Pavel?
Der ehemalige NATO-General Petr Pavel ist der zweite Kandidat in der Stichwahl für das Präsidentenamt in Tschechien. Der 61-Jährige genießt Ansehen als früherer Chef des Generalstabs der tschechischen Armee und als ehemaliger Vorsitzender des Militärausschusses der NATO. Im westlichen Verteidigungsbündnis war er drei Jahre lang der höchste militärische Vertreter.
Petr Pavel will laut seinem Wahlslogan Ordnung und Ruhe in Tschechien wiederherstellen. Er dürfte das Amt zivilisierter, freundlicher und weniger expansiv gestalten. Er steht allerdings für seine Karriere als Offizier der kommunistischen Armee in der Kritik. Die Nachwende-Generation fordert, einen Strich unter die kommunistische Vergangenheit zu ziehen - vor allem bei Führungspositionen. Das würde allerdings auch Ex-Premier Babis ausschließen. Er hat vor der Samtenen Revolution auf privilegiertem Posten für den tschechoslowakischen Außenhandel gearbeitet. Aus dem Tochterunternehmen dieses Staatskonzerns hat er nach der Privatisierung Agrofert aufgebaut.
Während Babis gegen seine Einstufung als informeller Mitarbeiter des Geheimdienstes klagt, bezeichnet der pensionierte General Pavel seine Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei als junger Mann als Fehler.
Kommentator Honzejk hält Pavels kommunistische Vergangenheit sogar für einen der Vorteile des Präsidentschaftskandidaten: "Der Witz ist, dass die meisten Tschechen sich irgendwie mit den Kommunisten eingelassen haben. Gleichzeitig versuchen sie nun, in einer freien Gesellschaft zu funktionieren, die sie für die richtige halten. Ihre Geschichte ist der Geschichte von Pavel sehr ähnlich. Wenn er Präsident wird, denke ich, dass die Mehrheit der tschechischen Gesellschaft dies als eine Art Anerkennung der eigenen Sünden sehen wird – als eine positive Katharsis."
Quellen: Marianne Allweiss, Online-Redaktion