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Tschechien will in Zukunft noch stärker auf Atomenergie setzen

Während in Deutschland der Atomausstieg beschlossene Sache ist, will Tschechien bis zu zehn weitere AKWs für den Energiehunger der Zukunft bauen. Die Solar- und Windtechnologie sei nicht in der Lage, den steigenden Energiebedarf zu decken, heißt es in Prag.

Von Stefan Heinlein |
    Noch sind es nur Planspiele. Doch die künftige Richtung der Energieversorgung in Tschechien ist klar. Prag setzt künftig noch stärker auf die Atomenergie. Ihr Anteil an der Energieversorgung könnte in den kommenden Jahren auf bis zu 80 Prozent steigen, bestätigt der Sprecher des zuständigen Industrieministeriums Pavel Vlcek.

    "Es wird derzeit an drei Szenarien gearbeitet. In einem Plan gibt es tatsächlich diesen großen Anteil der Atomenergie. Genauere Zahlen haben wir aber noch nicht. Wir werden Anfang Dezember die Einzelheiten vorstellen"

    Derzeit sind in Tschechien zwei Atomkraftwerke am Netz. Die beiden AKW in Temelin und Dukovany sorgen aktuell für rund 30 Prozent der Stromerzeugung. Ministerpräsident Necas fordert ein höheres Tempo bei der bereits beschlossenen Erweiterung von Temelin. Der Ausbau der Kernenergie müsse Vorrang haben:

    "Ich bin überzeugt, dass die Zivilisation und auch die Tschechische Republik auf die nukleare Energie nicht verzichten kann. Ich kann mir die Abschaltung der Atomkraftwerke nicht vorstellen, Das würde uns an den Rand einer ökonomischen Katastrophe führen."

    Tatsächlich zweifelt die Mitte-Rechts-Regierung in Tschechien am nachhaltigen Erfolg alternativer Energiequellen. Die Solar- und Windtechnologie ist nicht in der Lage den steigenden Energiebedarf zu decken, heißt es in Prag. Das Ziel ist die Unabhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen. Auch der heute noch große Anteil der Kohle an der Stromerzeugung werde schrittweise reduziert, so Ministeriumssprecher Vlcek:

    "In der EU wird sehr intensiv über die Reduzierung der CO-2 Emission debattiert. Deshalb sind wir ausdrücklich für die Kernenergie weil durch sie die CO-2-Belastung deutlich reduziert werden kann."

    Die große Mehrheit der Tschechen unterstützt diesen energiepolitischen Kurs ihrer Regierung. Nur wenige Umweltschutzgruppen fordern einen Ausstieg aus der Atomenergie nach deutschem Vorbild.

    "Tschechien kehrt mit diesen Konzepten zurück in die 50er-Jahre, meint Jan Rovensky von Greenpeace in Prag. Die Vorschläge des Ministeriums muss man als verrückt und tragischkomisch bezeichnen."

    Besonders absurd aus Sicht der Kritiker ist der jetzt bekannt gewordene Plan, bis zu zehn weitere Atomkraftwerke für den Energiehunger der Zukunft zu bauen. Schon jetzt ist Tschechien einer der größten europäischen Stromexporteure. Nach offiziellen Zahlen aus Prag hat sich allein der Stromexport nach Deutschland in diesem Jahr ungefähr verfünffacht. Dennoch wird die Rechnung der Regierung nicht aufgehen, meint der Wissenschaftler Vladimir Schtepan:

    "Die Nachbarländer Deutschland und Österreich sind gegen die Atomenergie. Sie werden deshalb in Zukunft unseren Atomstrom nicht kaufen. Das deutsche Konzept mit Energiesparmaßnahmen und alternativen Energiequellen wird in einigen Jahren erfolgreich sein, weil es auf Dauer effektiver und billiger ist. "

    Diese wissenschaftlichen Prognosen allerdings finden in Prag aktuell kein Gehör. In dieser Woche gab die Regierung bekannt, man rechne mit einer Verlängerung der Laufzeiten für die beiden bereits bestehenden Atomkraftwerke. Das fast 30 Jahre alte AKW in Dukovany soll um einen Reaktorblock erweitert werden und bis zum Jahr 2045 weiterlaufen. Für das umstrittene AKW Temelin nahe der bayerischen Grenze rechnet Prag mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2062.

    Mehr zum deutschen Ausstieg aus der Atomkraft auf dradio.de:

    Historischer Beschluss - Bundeskabinett verabschiedet Atom-Aus bis 2022