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Tobias Armbrüster: Er ist nach wie vor für viele ein Mysterium, der Mann, der da in unserem Nachbarland, in Tschechien, die Regierungsgeschäfte führt. Andrej Babis, Milliardär, Selfmademan und seit Dezember Ministerpräsident. Er ist allerdings auch umstritten und er hat deshalb im Parlament in Prag keine Mehrheit. Heute stellt er deshalb die Vertrauensfrage.
Am Telefon ist jetzt Zuzana Lizcová. Sie ist Politikwissenschaftlerin und Analytikerin bei AMO. Das ist ein politischer Think Tank in Prag. Schönen guten Morgen, Frau Lizcová.
Zuzana Lizcová: Guten Morgen.
Politikertypus wie Trump oder Berlusconi
Armbrüster: Frau Lizcová, warum genau machen die anderen Parteien in Tschechien bislang so einen großen Bogen um Andrej Babis?
Lizcová: Es handelt sich nicht um programmatische Unterschiede, sondern um seine eigenen Probleme. Wie bereits gesagt wurde in dem Beitrag: Andrej Babis wird heutzutage zur Verantwortung gezogen wegen der sogenannten Affäre Storchennest und gegen ihn wird polizeilich ermittelt. Die anderen Parteien, die wollen mit ihm verständlicherweise deswegen nicht kooperieren.
Armbrüster: Was ist das für ein Politikertypus, dieser Mann? Können Sie uns das kurz erklären?
Lizcová: Babis wird ganz oft mit anderen ausländischen Politikern verglichen, zum Beispiel mit Donald Trump oder Silvio Berlusconi, und das aus dem Grunde, weil er in seinen Händen viel Macht konzentriert hat. Er ist der zweitreichste Tscheche, er hat ein großes Medienunternehmen auch. Seine ursprüngliche Tätigkeit ist im Agrar-, Chemie- und Lebensmittelsektor. Dazu war er in der letzten Regierung Finanzminister und jetzt ist er zum Premierminister geworden. Er ist ein sehr mächtiger Mann in vielen Bereichen.
Babis "spaltet er die Öffentlichkeit"
Armbrüster: Wie populär ist er in Tschechien? Wie kommt er an bei den Bürgern?
Lizcová: Er gehört langfristig zu den populärsten Politikern des Landes, aber zugleich spaltet er die Öffentlichkeit. Ungefähr eine Hälfte findet Babis gut und sympathisch und die zweite Hälfte nicht.
Armbrüster: Was sagt diese zweite Hälfte? Was wirft die ihm vor?
Lizcová: Die Kritik ist absehbar - natürlich die Tatsache, dass er in seinen Händen so viel Macht hat und dass es eine Gefahr geben könnte, dass er diese Macht missbraucht. Dann hat er noch eine ein bisschen problematische Vergangenheit aus der Zeit des kommunistischen Regimes, wo er angeblich auch als ein Agent der Staatssicherheit tätig war. Und dazu führt er noch seine Partei eigentlich alleine. Die heißt nicht Partei, sondern die wird Bewegung genannt, die ANO-Bewegung. Es gibt keine interne Parteidemokratie und er ist in diesem Sinne kein demokratischer Politiker.
Allianz mit Staatspräsident Zeman
Armbrüster: Jetzt stellt er sich nun heute der Vertrauensfrage. Er stellt die Vertrauensfrage im Parlament. Ist es tatsächlich so, wie wir das schon gehört haben heute Morgen? Ist es schon ausgemachte Sache, dass er diese Vertrauensfrage verlieren wird?
Lizcová: Falls die anderen Parteien ihr Wort halten und die Stellung nicht um 180 Grad umdrehen, dann wird es dazu kommen, dass er keine Mehrheit bekommt. Aber zunächst passiert wenig, weil er, wie schon gesagt wurde, zum zweiten Mal mit der Regierungsbildung beauftragt wird.
Armbrüster: Können Sie uns kurz erklären? Wie geht es dann weiter? Er verliert die Vertrauensfrage und dann?
Lizcová: Dann hat der Staatspräsident Zeman, mit dem Herr Babis eine ziemlich unheilige Allianz geschlossen hat, schon erklärt, dass er ihn zum zweiten Mal mit der Regierungsbildung beauftragt. Wir haben zwar eine Präsidentschaftswahl am Wochenende, aber Herr Zeman wird sowieso bis März im Amt bleiben. Es gibt Zeit genug für die zweite Ernennung. Und wenn er zum zweiten Mal scheitert, dann wird der neue Mann oder die neue Frau vom Präsidenten des Parlaments beauftragt mit der Regierungsbildung, und dieser Präsident kommt von der ANO-Partei, also von Babis' Partei. Es ist also offenbar, dass auch beim dritten Versuch Herr Babis mit höchster Wahrscheinlichkeit beauftragt wird.
"Entwicklungen sind nicht gerade positiv"
Armbrüster: Frau Lizcová, wenn ich Ihnen da so zuhören und wenn ich das richtig verstehe - Sie können mich ruhig korrigieren, aber wenn ich das richtig verstehe, dann sehen Sie das alles sehr kritisch oder skeptisch. Können Sie uns kurz erklären: Was läuft da Ihrer Meinung nach gerade schief in Ihrem Land?
Lizcová: Die Szenarien der beiden Entwicklungen sind nicht gerade positiv. Es wird sehr schwierig, eine stabile Regierung mit einer Regierungsmehrheit zu bilden. Es gibt natürlich eine Hoffnung, dass vielleicht die anderen Parteien sich Babis nach der ersten gescheiterten Wahl anschließen, die traditionellen demokratischen Parteien wie zum Beispiel die Christdemokraten oder Sozialdemokraten, die bisher auch mit Babis regiert haben, aber der Premierminister war halt von der Sozialdemokratie.
Das ist die erste Option und die zweite Option ist, dass wir für eine längere Zeit eine Minderheitenregierung haben werden, die entweder vorgezogene Neuwahlen ansteuert, oder die eigentlich mit einer verdeckten Mehrheit regiert, das heißt mit Unterstützung der Rechtspopulisten und Kommunisten, und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches Kabinett ein gutes Programm für die Bürger schafft.
"Um Herrn Babis gibt es viele offene Fragen"
Armbrüster: Aber es handelt sich Aber es handelt sich ja sämtlich um demokratisch gewählte Politiker.
Lizcová: Ja, natürlich. Es handelt sich sämtlich um demokratisch gewählte Politiker. Aber wie gesagt, um Herrn Babis gibt es viele offene Fragen. Zum einen ist es seine Machtkonzentration, von der ich bereits gesprochen habe, oder auch die Tatsache, das war jetzt schon zu sehen nach den Wahlen, dass er sich eigentlich von den anderen Parteien am besten mit den Rechtspopulisten und Kommunisten verständigen konnte. Er hat auch keinen ernsthaften Versuch unternommen, eine Mehrheitsregierung zu bilden mit anderen Koalitionspartnern.
Armbrüster: Frau Lizcová, können wir sagen, das ist eine rein tschechische Angelegenheit, oder hat diese Entwicklung Bedeutung über Ihr Land hinaus?
Lizcová: Ja, das ist schwer abzuschätzen. Auf der anderen Seite sagt Herr Babis, dass er ein überzeugter Europäer ist und dass er jetzt wirklich konstruktiv und aktiv in der europäischen Politik agieren will. Falls er dieses Versprechen erfüllt, wäre das für das Land natürlich positiv, aber seine Außenpolitik ist leider bis heute ziemlich undurchsichtig.
Armbrüster: Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis stellt heute im Parlament in Prag die Vertrauensfrage. Wir sprachen darüber mit der Prager Politikwissenschaftlerin Zuzana Lizcová. Vielen Dank, Frau Lizcová, für Ihre Zeit heute Morgen.
Lizcová: Vielen Dank! - Schönen Tag noch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.