Alltag im städtischen Klinikum Dresden-Neustadt. Schwestern und Ärzte in weißen Kitteln hasten durch die Flure, hinter einer Metalltür im ersten Stock beginnt der Arbeitsbereich von Dr. Michal Boháč.
"Wir sind gerade auf der Intensivstation - und hier machen wir die Intensivtherapie für die schwerkranken Patienten."
Michal Boháč stellt gerade das Beatmungsgerät eines Patienten neu ein. Er kümmert sich auch um die Notfälle. Oft aber steht der 33-Jährige im Operationssaal und betreut die Narkose. Dr. Michal Boháč ist Anästhesist. Vor sieben Jahren kam der gebürtige Tscheche aus seiner Heimatstadt Prag nach Deutschland. Damals hatte er gerade sein Medizinstudium beendet und war neugierig auf die Welt. Er bewarb sich und war sofort willkommen.
"Ich bin damals auch gegangen wegen der Sprache. Weil ich es einfach toll fand, mehrere Sprachen zu können. Das ist einfach eine sehr gute Möglichkeit, irgendwo zu leben, zu wohnen. Ich hatte ein kleines Gespräch in der Landesärztekammer. Drei bis fünf Minuten und die Bearbeiterin hat gesagt, ja, sie können Deutsch, Sie können anfangen."
Der Einstieg war leicht, als umso schwerer entpuppte sich alles, was danach kam. Denn oft verstand Michal Boháč seine Kollegen im Krankenhaus in Senftenberg nicht. Sein Deutsch war anfangs zu schlecht. Er musste sich Fremdwörter und medizinische Fachbegriffe selbst aneignen, auch brachte er deutlich weniger Praxiserfahrung mit als seine deutschen Kollegen. Die Ausbildung in Tschechien ist theoretischer. Vor zwei Jahren wechselte er ans Dresdner Klinikum, um schneller in Prag sein zu können, gründete eine Familie. Am Anfang sei er nicht des Geldes wegen nach Sachsen gekommen, sagt er, allerdings tun das viele seiner tschechischen Kollegen.
In Sachsen arbeiten derzeit 311 Ärzte aus Tschechien
"Der Grund, warum viel Ärzte aus Tschechien nach Deutschland gehen wollen ist, dass man als Absolvent in Tschechien um die 850 bis 900 Euro Brutto pro Monat verdient. Ohne Dienste. Das ist das Anfangsgehalt. Hier in Deutschland ist es vier- bis fünfmal so viel. Wenn es ein Paar ist, beide sind Ärzte, dann ist das ein Unterschied, ob man unter 2.000 Euro pro Monat verdient oder 8.000 oder sogar 9.000 Euro."
In Sachsen arbeiten derzeit 311 Ärzte aus Tschechien. Die Zahl hat sich in den letzten drei Jahren mehr als verdreifacht. Viele kommen nach Sachsen oder auch Bayern, weil sie pendeln oder zumindest schnell ihre Familien in der Heimat besuchen können. Neben der besseren Bezahlung reizen viele auch die guten Arbeitsbedingungen, weniger Überstunden und die gute Ausstattung der Kliniken. Für langsam überalternde Regionen seien die tschechischen Ärzte ein Segen, so Knut Köhler, Sprecher der Sächsischen Landesärztekammer.
"Wir merken gerade im ländlichen Raum, dass die Kliniken dort Probleme haben, auch die letzten Jahre, ausreichend ärztliches Personal in Deutschland zu finden. Gerade um Hoyerswerda oder auch Vogtland, Erzgebirge, dort haben Kliniken sehr viele ausländische Ärzte beschäftigt. Und die sorgen letztendlich mit dafür, dass Stationen nicht geschlossen werden mussten, Patienten in der Region behandelt werden können. Und die tschechischen Ärzte tragen da auch wesentlich dazu bei, dass die Patienten gut versorgt werden."
Durchschnittsalter tschechischer Ärzte liegt mittlerweile bei Mitte 50
Mittlerweile kommt fast jeder zehnte Mediziner in Sachsen aus dem Ausland, auch aus Polen, der Slowakei, Bulgarien oder Ungarn. Die Abwanderung junger Ärzte führt langsam zu einer Verlagerung des Ärztemangels in die Nachbarländer, auch nach Tschechien. Das Durchschnittsalter tschechischer Ärzte liegt mittlerweile bei Mitte 50. Wenn sich nichts ändert, wird der Versorgungsmangel in ein paar Jahren eklatant sein. Deshalb wirbt die Sächsische Landesärztekammer nicht gezielt um ausländische Ärzte in Osteuropa, sagt Knut Köhler.
"Weil auch dort das Problem gesehen wurde, dass man hier Löcher stopft und aber im Nachbarland welche aufreißt. Denn die Ärzte werden auch in Tschechien und in Polen gebraucht. Aber in einem globalen Arbeitsmarkt, wie wir ihn jetzt haben, suchen Kliniken selbst nach Ärzten. Es werden Headhunter eingesetzt, es werden Personalfirmen beauftragt, Ärzte zum Beispiel nach Sachsen zu locken, auch aus Tschechien."
Schon mehrfach streikten Ärzte in Tschechien wegen schlechter Bezahlung und zu vieler Überstunden. Michal Boháč wundert sich, dass die Politik nichts dagegen unternimmt. Obwohl er bislang noch nie in Tschechien gearbeitet hat, will er irgendwann in seine Heimat zurückkehren – erst, wenn sich die Arbeitsbedingungen dort verbessert haben.