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Tschechischer Präsident will Expertenkabinett berufen

Präsident Milos Zeman entscheidet nach Premierminister Petr Necas Rücktritt über die Vergabe des Regierungsauftrags. Seine Ankündigung zur Berufung einer Expertenregierung wird von allen Parlamentsparteien scharf kritisiert.

Von Stefan Heinlein |
    Nur höchst selten sind Regierung und Opposition in Tschechien einer Meinung. Doch die Kritik am Präsidentenvorschlag für die Bildung einer Expertenregierung vereint Konservative und Kommunisten – Sozialdemokraten und Liberale. Milos Zeman ist jedoch bisher unbeeindruckt vom scharfen Gegenwind aus dem Parlament. Auf der Prager Burg wird der Linkspolitiker heute seinen umstrittenen Vorschlag zur Lösung der Regierungskrise präsentieren:
    Milos Zeman:
    "Eine Expertenregierung kann bis zu den nächsten Wahlen die zurückgetretene Regierungskoalition ersetzen. Dafür braucht sie nicht unbedingt ein politisches Mandat."

    Die meisten Verfassungsexperten warnen deshalb jetzt vor einer deutlichen Machtverschiebung zugunsten des Präsidenten. Das parlamentarische System sei in Gefahr – heißt es in tschechischen Medien – es drohe ein politischer Systemwechsel. Eine Expertenregierung ohne politisches Mandat berge die Gefahr eines Umsturzes befürchtet Finanzminister Kalousek. Kritik auch vom sozialdemokratischen Vize-Parteichef Zaoralek:

    Lubomir Zaoralek:
    "Unsere Verfassung kennt keine Beamtenregierung. Jede Regierung braucht das Vertrauen des Parlamentes. Alle Parlamentsparteien müssen deshalb jetzt gemeinsam für vorgezogene Neuwahlen sorgen."

    Ohne einen parteiübergreifenden Konsens fehlen den oppositionellen Sozialdemokraten und Kommunisten jedoch bisher die Stimmen für die notwendige Dreifünftelmehrheit zur Auflösung des Parlamentes. Noch hofft ein Teil der Dreiparteienkoalition auf den Fortbestand der bisherigen Mitte-rechts-Regierung unter neuer Führung. Doch Präsident Zeman ist fest entschlossen, die Zügel der Macht selbst in die Hand zu nehmen:

    "Diese Verfassungsjuristen sollten ihr Diplom zurückgeben. Der Präsident ernennt den Regierungschef. Die Verfassung gibt mir da keine Grenzen. Es braucht nicht einmal die Zustimmung des Parlamentes. Manche Verfassungsjuristen sind doch einfach schizophren."

    Immer wieder hatte Milos Zeman nach seinem Amtsantritt Anfang März betont: Die erste Direktwahl durch das Volk gebe ihm ein stärkeres Mandat als das seiner Vorgänger Vaclav Klaus und Vaclav Havel. Er habe drei Millionen Wähler hinter sich und damit mehr Anhänger als jede politische Partei in Tschechien. Eine mögliche Beamtenregierung in Prag sei deshalb Butter in den Händen des Präsidenten, befürchtet der Journalist Mitrofanov:

    "Milos Zeman ist ein starker Mensch und Politiker. Eine Beamtenregierung ist ganz klar eine Präsidentenregierung."

    Auf den großen innenpolitischen Auftrifft heute in Prag folgt morgen der Antrittsbesuch von Milos Zeman in Berlin. In der Humboldt Universität ist eine europapolitische Grundsatzrede geplant. Beobachter rechnen auch mit Aussagen zur künftigen Energiepolitik des Landes. Milos Zeman gilt als Verfechter des russischen Angebots für den milliardenschweren Ausbau des umstrittenen AKW Temelin. Die Entscheidung im Herbst trifft möglicherweise nun eine unpolitische Beamtenregierung unter der Regie des Präsidenten.