Der Weg ins Museum führt Besucher vorbei an einem Panzerwagen und einem Krankenwagen, ganz so wie sie in Tschernobyl im Einsatz waren. Schon seit einigen Wochen drängen sich Besucher ins Nationale Museum Tschernobyl in Kiew. Wie jedes Mal vor einem großen Jahrestag, nun dem Dreißigsten.
Das Tschernobyl-Museum ist Teil einer Feuerwache. Denn die Feuerwehrleute hatten dort bereits ein Jahr nach der Havarie, im Jahr 1987, einen kleinen Gedenkort für ihre toten Kollegen eingerichtet. Erst 1992, nach dem Zerfall der Sowjetunion, wurde aus der kleinen Ausstellung ein nationales Museum. Hanna Korolewska hat das Museum als wissenschaftliche Leiterin mit aufgebaut:
"Die Ausstellung ist von 240 auf 7.000 Exponate angewachsen, obwohl es sehr schwer war, überhaupt geeignete Gegenstände zu bekommen. Viele Materialien waren radioaktiv verseucht. Deshalb haben wir einige wichtige Szenerien als Modelle nachgebaut. Wir haben aber auch einige Originalexponate aus der Zone, die wir dekontaminieren konnten."
Kein Wunder also, dass fast jeder Besucher fragt, wie hoch die Strahlung in der Ausstellung noch ist, bevor er das Museum betritt. Hanna Korolewska beruhigt: Die Radioaktivität in den Räumen sei kaum höher als normal.
"Am Eingang zur Ausstellung hängt gleich ein Dosimeter. Über den Sensor wird auf einer Informationstafel die aktuelle Radioaktivität angezeigt. Also können alle Besucher das Strahlungsniveau im Museum sehen."
Chronik der tragischen Stunden
Im Museum ist eine Chronik der tragischen Stunden und Tage zu sehen. Historische Zeitungsausschnitte, Videoaufnahmen und Fotos. Dokumente und Karten, die früher als geheim eingestuft waren. Aber auch Utensilien der Liquidatoren.
In einem Raum schwebt ein Geisterschiff als symbolische Arche Noah durch die Sperrzone. Darüber fliegen ein schwarzer und ein weißer Engel, als Zeichen für den Kampf zwischen Gut und Böse. An der Raumdecke blinken Dutzende kleiner Lichter, die Atomkraftwerke auf allen Kontinenten der Erde zeigen.
Die Glockenklänge begleiten die Besucher dann hinaus. Über der Treppe hängen mehrere dutzend Ortsschilder. Die Namen sind durchgestrichen. Ein Symbol für ausgestorbene Dörfer. Insgesamt 400.000 Menschen in der Ukraine und Belarus mussten ihre Heimat verlassen.
"Die Informationen über die Feuerwehrmänner und ihre Bilder haben mich sehr gerührt. Es sind so junge Gesichter. Ich habe aber nichts gelesen über die Schuldigen an der Katastrophe. Was wird getan, um die schrecklichen Folgen der Havarie zu reduzieren?"
Ausstellung als Mahnung
Die kritischen Fragen von Besuchern wie Li Tin aus China kann Hanna Korolewska verstehen. Darauf eine Antwort zu geben, fällt ihr sichtlich schwer.
"Die Frage nach der Verantwortung ist nur schwer zu klären. Jemanden abzustempeln, ist einfach. Das wäre falsch. Die Zeit reicht noch nicht aus, um wirkliche Konsequenzen zu ziehen."
Schließlich verweist Korolewska auf Dokumente in der Ausstellung: Demnach waren die Mängel beim Bau des Reaktors schon lange vor der Katastrophe bekannt.
"Nur in der Sowjetunion konnte es passieren, dass ein Atomkraftwerk in Betrieb gegangen ist ohne staatliche Genehmigung. Der Bau konnte gestartet werden ohne ein genehmigtes Projekt. Während des Baus wurden dann noch Änderungen am Projekt gemacht. Wir wissen das heute über Tschernobyl, weil dazu viel geforscht wurde. Ich vermute, das war bei anderen Kraftwerken genauso."
Viele Besucher verstehen die Ausstellung als Mahnung. Sichere Kernkraftwerke gebe es nirgends auf der Welt.