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Tschetschenen in Klagenfurt
Fußball verbindet und integriert

Mitte der 2000er-Jahre zählten Tschetschenen zur größten Gruppe der Flüchtlinge, die nach Kärnten kamen. Die österreichische FPÖ wetterte damals lautstark gegen sie. In Klagenfurt lebt eine Familie, die Flucht und Anfeindung überstanden und sich bestens integriert hat, auch Dank des Fußballs.

Von Gesine Dornblüth |
Fußball-Spieler des Vereins FC International spielen in einer Sporthalle in Klagenfurt Fußball
Afghanen, Tadschiken, Georgier, Armenier spielen beim FC International gemeinsam Fußball (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
Acht verschwitzte Männer rennen dem Ball hinterher. Sie kicken für den FC International in Klagenfurt. Heute spielen sie ein internes Probeturnier. Mannschaftswechsel. Ein Mann in Jeans und Straßenschuhen schüttelt Hände, klopft auf Schultern.
"Ich werde heute arbeiten."
Arbi Baidarow kam 2003 aus Tschetschenien nach Kärnten. Er ist Taxifahrer, spielt nicht mehr selbst, schaut aber gern beim Training vorbei. Er hat den Verein vor vielen Jahren mitgegründet.
"Kontakt mit Menschen, raus aus Community und ich hab die Welt kennengelernt, sozusagen."
Das Spiel ist international
Als sich der Fußball-Club 2004 gründete, hieß er noch FC Tschetschenien. Damals stellten Tschetschenen die größte Gruppe von Geflüchteten in Kärnten. Mittlerweile wurden sie von Afghanen und Syrern abgelöst. Der FC Tschetschenien hat die Neuankömmlinge aufgenommen und sich kurzerhand in FC International umbenannt. Das Kommando aber hat nach wie vor ein Tschetschene, der Trainer Riswan Chadschijew.
"2:0, oder? Hallo, was ist los?"
Der 46-Jährige steht mit einem Zettel in der Hand an der Seite und notiert Ergebnisse.
"Hier sind Afghanen, Tadschiken, Georgier, Armenier. Wir spielen zusammen und verstehen uns. Für Tschetschenen mit ihrem heißen Blut ist es sehr wichtig, möglichst viel mit Menschen anderer Nationalitäten zusammen zu sein. Auch ich habe hier viel begriffen. Dabei bin ich früher auch schon viel gereist, in Russland, in der ehemaligen Sowjetunion."
Dieser Beitrag gehört zur Reportagereihe "Abgeschieden in Europa – Tschetschenen unter sich" in der Sendung "Gesichter Europas".
Tschetschenen bleiben oft unter sich
Riswan Chadschijew war Profi-Fußballer, hat unter anderem bei Terek Grosny gespielt. In Klagenfurt arbeitet er in einer Wäscherei.
"Es ist ein Feiertag. Wir warten die ganze Woche auf das Training. Hier spielen Leute über 50, andere sind erst 18, sogar 13, und wir alle haben zusammen Spaß."
Das ist für Tschetschenen nicht selbstverständlich. Die Traditionen schreiben vor, dass die Jüngeren die Älteren achten. Auch bleiben Tschetschenen in der Diaspora oft unter sich. Kein Zustand, findet Chadschijew.
"Tschetschenische Jugendlichen kennen überhaupt keine anderen Kulturen. Ich finde, man muss fremde Kulturen respektieren, ob du Christ bist, Moslem, wer auch immer, das Wichtigste ist, du bist ein Mensch."
Schuss. "4:0!"
Hintergrund zum Thema Tschetschenien:

Gefährder und Gefährdete
Sie flohen vor Krieg oder Diktator Kadyrow: Zehntausende Tschetschenen leben in Europa. Der deutsche Verfassungsschutz warnt vor Islamisten unter ihnen. Zugleich beantragt Russland immer häufiger die Auslieferung angeblicher tschetschenischer Terroristen. Menschenrechtler und Juristen sehen das kritisch.

Arbi Baidarow guckt noch eine Weile zu, dann macht er sich auf den Heimweg. Seine Frau Sina Buntischewa hat gekocht. Sie füttert schnell noch die Katze, dann ruft sie ihren Mann zu Tisch. Es gibt Kohlrouladen.
"Mit Kartoffel, mit Petersilie, dann mit bisschen Sauce dazu. Ja, das ist ganz einfaches Essen."
Das Ehepaar wohnt mit drei Kindern in einem kleinen Ort bei Klagenfurt. Zwei erwachsenen Söhne leben in Wien. Aus dem Fenster im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses sind die Berge zu sehen. Dahinter beginnt Slowenien.
Ihr Mann gießt Wasser ein.
Integration durch Fußball
Sina Buntischewa hat in Tschetschenien als Gynäkologin gearbeitet und sucht gerade eine Stelle als Ärztin, Arbi Baidarow war Kameramann für verschiedene Fernsehsender. Er geriet zwischen die Fronten der tschetschenischen Unabhängigkeitskämpfer und der russischen Soldaten, wurde mehrere Tage als Geisel festgehalten. Danach floh die Familie über Polen und Tschechien nach Österreich. Seit ein paar Jahren haben sie die österreichische Staatsbürgerschaft und leben so wie viele Familien dort. Die drei jüngeren Kinder sind bereits in Österreich geboren.
"Meine Kinder, die besuchen jetzt die Musikschule, alle drei, die Anna und die Sara spielen Klavier, wir zwingen Noah Geige zu spielen."
"Vornamen wir haben sozusagen neutral ausgewählt, ja? Es ist auch eine Erleichterung für Integration, ja?"
"Und was machen sie… Handball spielen, Freunde besuchen natürlich."
"Mit Nachbarn ist ausgezeichnet."
"Wir haben wunderschöne Nachbarschaft."
"Ich erlaube mir, das zu sagen, dass wegen uns die andere Nachbarn, österreichische Nachbarn, haben miteinander sich kennengelernt."
"Ich glaub auch so."
"Wir haben sie gekuppelt sozusagen."
Arbi Baidarow kommt noch einmal auf den Fußball zurück. Ohne den FC Tschetschenien, meint er, wäre er nicht so gut in Kärnten angekommen. Er wünscht sich, dass es solche Vereine auch in anderen Ländern gibt.
"Wieso Tschetschenen wohnen abgeschieden, in eigener Diaspora, weil diese Brücke wird nicht gebaut. Und die Brücke können nicht die Tschetschenen allein bauen. Von Einheimischen brauchen wir Hilfe."